BR Heimat

Bayerisches Feuilleton Per Anhalter durch Nachkriegsdeutschland

Samstag, 19.05.2018
08:05 bis 09:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BR Heimat

44.000 Kilometer per Anhalter
Eine junge Frau fährt durch Nachkriegsdeutschland
Von Marita Krauss

Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar

18. August 1949: "Übrigens, meine Fahrt ist noch sehr nett verlaufen, zuerst mit dem Reportagewagen des Südwestfunks ..., dann mit einem offenen Mercedes und einem sympathischen, lebensfrohen Herrn am Steuer ... Er hatte als alter Nazi und PG nach dem Krieg sein ganzes Vermögen verloren, sich aber nicht kleinkriegen lassen und ganz von vorne wieder angefangen ..."

28. September 1950: "Der Amerikaner, mit dem ich fuhr, ... gefiel mir wieder ganz ausgezeichnet ... Es kam dann im Lauf des Gespräches heraus, dass er 1943 bis 1945 die schweren Bombenangriffe auf Berlin mitgeflogen hat - sogar an einzelne markante Daten konnten wir beide uns erinnern. Und so hat dieser Mensch mir doch höchstpersönlich die schrecklichen Bombenteppiche auf den Kopf geworfen! Bei diesem Gedanken schauten wir uns beide fassungslos an ..."

Zwischen 1949 und 1951 fährt Gisela van Erckelens jede Woche von Baden-Baden nach München und zurück, um ihren Liebsten zu besuchen: Werner Krauss arbeitet als Journalist bei der Süddeutschen Zeitung. Sie fährt per Anhalter, weil sie sich das Geld für die Zugfahrt nicht leisten kann. Seit dem Bau der Autobahnen, seit Krieg und Zerstörung ist diese Art der Fortbewegung gut eingeführt. In der Abgeschlossenheit der Autokabine erzählen viele Fahrer der Anhalterin ihre Lebensschicksale, die die junge Frau - naiv, staunend, unbehaglich, erkennend - in ihre eigenen Erfahrungen einordnet.

Marita Krauss beschäftigt sich mit einem aus Briefen entwickelten Manuskript ihrer Mutter

Hörkino zum Frühstück statt Frühstücksfernsehen

Das Bayerische Feuilleton erzählt keine Geschichten, die schon 100 Mal erzählt wurden. Alle Spielarten von Geschichte hinter den Geschichten sind möglich. Wir nutzen die Chance für Spott, Scherz, Satire und Ironie. Uns interessieren Themen, in denen sich reale Ortschaften mit Literatur und Kunst verbinden. Wir schätzen Originale in der schönen neuen Medienwelt der "Unauffälligen". Wir bieten radiophone Geschichten mit Gedankenstoff und Spielraum für Gefühle. Als journalistisches Genre hat das Bayerische Feuilleton eine anspruchsvolle Tradition.