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Napoleons Zechpreller So kreativ verarbeitete ein Wirt Schuldscheine

Im Stadtmuseum Aichach hängt eine riesige Collage – bestehend aus 2000 Einquartierungszetteln. Die klebte ein Bierwirt zusammen und belegte damit die gigantischen Schulden, die ihm Napoleonische Besatzungstruppen hinterlassen hatten.

Von: Ulrich Zwack

Stand: 03.10.2022 | Archiv

1791 ist der Gastwirt Lorenz Aloys Gerhauser Besitzer der größten Brauerei in Aichach und einer der reichsten und angesehensten Bürger der Stadt. Fünf Jahre später ist er ein ruinierter Mann. Schuld daran sind die Kriege der absolutistischen europäischen Mächte gegen das revolutionäre Frankreich. Denn die siegreichen Franzosen gelangen mehrfach auch bis nach Aichach. Das bedeutet ständige Einquartierung.

Gastwirt Gerhauser bleibt auf den Kosten sitzen

Gerhausers 15 Meter lange Zettelbahn, ausgestellt im Aichacher Stadtmuseum

Insgesamt 1700 Offiziere der gegnerischen Truppen, 11200 "Gemeine" und 11241 Pferde muss Gerhauser verköstigen und beherbergen. Die Kosten dafür belaufen sich am Ende auf 14019 Gulden. Zum Vergleich: Ein stattliches Münchner Wohnhaus ist damals schon für 5000 Gulden zu haben. Am Ende rücken die Franzosen aus der Stadt ab, ohne zu zahlen: Gerhauser bleibt auf den Kosten sitzen. Frustriert klebt der Zwangsbankrotteur die offenen Rechnungen zu einer 15 Meter langen und 1m hohen Collage zusammen ...

"Schon im Jahre 1791, als die österreichischen Kriegsvölker gegen Frankreich zogen, und in großer Zahl die Stadt Aichach und Umgegend passierten, fühlten wir die Kosten und Lasten der Einquartierungen sehr empfindlich. Aber niemand ließ sich's damals träumen, dass der Krieg so lange dauern, geschweige sich im Herzen Deutschlands abspielen könnte."

(Lorenz Aloys Gerhauser, Gastwirt, Aichach)

Mit diesen Worten beginnt Lorenz Aloys Gerhauser seine Aufzeichnungen über die Kriegslasten der Bürgerschaft Aichachs in den Jahren 1796-1809.

Dass er dabei seine Heimatstadt  als im Herzen Deutschlands gelegen betrachtete, war gar nicht so falsch. Denn damals existierte noch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, obgleich es bereits in den letzten Zügen lag. Und das reichte bekanntlich von Ostende an der belgischen Nordseeküste bis Bielitz in Ostmähren und von Triest an der Adria bis Kiel an der Ostsee.

Die französische Armee ging nicht besonders zimperlich mit der einheimischen Bevölkerung um

"Den 26. August 1796 erschien nun das ganze (französische) Armeekorps von mehr als 30 000 Mann. Von diesem Augenblicke an war's, als wenn sich die Hölle geöffnet hätte. Aus den umliegenden Dörfern floh alles mit dem Vieh und den besten Habseligkeiten in die Wälder, und auch hier mussten die meisten Bürger ihre Wohnungen dem ungestüm drängenden Militär zur freien Willkür überlassen.

Auf offener Gasse wurden jedem Einwohner, der der sich erblicken ließ, die Schuhe oder Stiefel von den Füßen gezogen und allenfallsige Pretiosen einfach abgenommen. Die Franzosen erschienen anno 1796 äußerst elend montiert und sehr viele ganz unbeschuht in diesseitigen Landen.

In meiner Behausung nahm der en Chef kommandierende Herr General Saint-Cyr mit mehreren Stabsoffizieren und einer Menge Domestiken und Pferden das Quartier, und ich wurde zu bestmöglicher Bedienung strengstens aufgefordert."

(Lorenz Aloys Gerhauser, Gastwirt, Aichach)

Die ersten der rund 2000 Einquartierungszettel stammen von 1796

Der Historiker Christoph Lang

Der Historiker Christoph Lang, Leiter des Aichacher Stadtarchivs und Stadtmuseums in Personalunion, erklärt, was es mit Gerhausers Zettelbahn auf sich hat:

"Die ersten Zettel, die Gerhauser aufgehoben hat, sind von 1796. Und der letzte Zettel datiert aus dem Januar 1816. Das ist insofern ganz lustig, weil für uns natürlich die Napoleonischen Kriege nur bis 1815 gehen. Aber da ist halt einfach noch einmal eine Einheit unterwegs gewesen. Also bis die so alle daheim waren, hat es einfach seine Zeit gedauert."

Stadtmuseum Aichach

Schulstraße 2
86551 Aichach
08251 827472
www.stadtmuseum-aichach.de

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag sowie Feiertag
14.00-17.00 Uhr
Gruppenführungen nach Vereinbarung