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Josef Bierbichler Der Schauspieler und Schriftsteller wird 70

Am 26. April wird Josef Bierbichler 70 Jahre alt. Aus diesem Anlass versucht Eva Demmelhuber in ihrer Sendung eine Annäherung an dieses facettenreiche, bayerische Urgestein der Schauspielkunst.

Von: Eva Demmelhuber

Stand: 21.04.2018 | Archiv

"(...) in der Falckenberg Schule (...) da fiel er sofort auf, er war immer eine einzigartige Präsenz und Kraft, der ist ein Mann mit tiefer und außerordentlicher Kraft und ich dachte, das ist der Richtige für den Film ('Herz aus Glas') und das ist ja auch sehr schön geworden mit ihm und ich finde, er ist einer der ganz Großen, die wir haben, der ist authentisch. Und ich hab ihm gesagt, ganz früh, ich mag Regisseure, die eine Kuh melken können mit der eigenen Hand, und ich mag auch Schauspieler, die Kühe melken können. Und insofern haben wir ganz gut zusammen gepasst."

(Werner Herzog)

"Wenn sich gar nix ändert, glaubt ihr schon, es sei ein Glück"

Josef Bierbichler im Film "Herz aus Glas" von Werner Herzog (1976)

"Herz aus Glas", der erste Kinofilm mit Josef Bierbichler als bairischem Mühlhiasl in langen Einstellungen, als Seher aus den Bergen, in einer gewaltigen Bilderkulisse  von Werner Herzog, mit ziehenden Nebelschwaden wie Wasserfälle,  mystisch, verwunschen.

Der junge Bierbichler, in die Szenerie gegossen wie ein Monolith. Er soll für eine kleine Glasbläserstadt das Geheimnis zur Herstellung von rotem Rubinglas aus der Totenwelt holen. Der Glasbläsermeister ist gestorben und hat die Rezeptur mit ins Grab genommen. Doch Hias prophezeit apokalyptische Weltszenarien ...

Josef Bierbichler - ein Schauspieler?

Das wäre zu eng gedacht. Er ist ein Urgestein der Schauspielkunst, mächtig, impulsiv, polternd, zerbrechlich, brutal und zärtlich. Einer, der im Bühnenraum die Atmosphäre verändert, dessen leiser, lyrischer Tenor einen mitten ins Herz trifft. Ein sensibles Kraftpaket, das ohne Theater untergegangen wäre, das ihn "vor einem Leben im eigenen Kot rettete", wie er schreibt.

Preise über Preise

Mittelreich, Hörbuch des Jahres 2011

Grimme-Preis, Deutscher Filmpreis als "Bester Darsteller", mehrmals "Schauspieler des Jahres", die Auszeichnung mit dem Gertrud-Eysoldt-Ring u.a. bezeugen das. Aber er ist viel mehr, Bierbichler ist ein typisch bayerischer Grantlhauer, dem Reden zuwider ist genauso wie in der Öffentlichkeit zu stehen, aber kein verbohrter, sturer Grantler, sondern ein verschmitzter; charmant und bärbeißig. Und er ist Waldbauer und Philosoph, ein Schriftsteller, wie sein grandioses Lebensbuch "Mittelreich" beweist, ein Film- und Theaterregisseur und ein politisch denkender Mensch, der schon mal bei einer Theatervorstellung die Bühne verlässt, um der Bayerischen Staatsregierung ihre Verlogenheit an den Kopf zu werfen.

Bierbichler bleibt immer Bierbichler und sich grundsätzlich treu

Der Regisseur und Schauspieler Christoph Schlingensief (2001)

Das Hirn in der Künstlergarderobe abzugeben ist ihm zuwider. Deswegen auch immer Zerwürfnisse, hin und wieder auch handgreifliche. Aber auch solche, die ihn veranlassten,  etwa das Preisgeld des Eysoldt-Rings an seinen jungen Kollegen Christoph Schlingensief, einem Wesensverwandten, weiterzureichen, immerhin 20.000 DM, weil jeder Preis sowieso ein Fangstrick sei und in diesem Fall mit einer gewissen Verhaltensempfehlung verbunden war.

"Theater muss berühren, muss verletzen!"

Bierbichler bleibt immer Bierbichler und sich grundsätzlich treu. Und wenn Bierbichler sagt: "Theater muss berühren, muss verletzen! Ohne die Fähigkeit, der Gesellschaft immer wieder Wut- und Schmerzensschreie zu entlocken, kann das Theater einpacken", so gilt das auch für sein künstlerisches Schaffen, für sein Leben!

Buchtipp:

"Verfluchtes Fleisch" von Josef Bierbichler, Verlag der Autoren (2001)

Verfluchtes Fleisch
Autor:
Josef Bierbichler
Gebundene Ausgabe: 280 Seiten
Verlag: Verlag der Autoren (1. September 2001)
ISBN-10: 3886612406
ISBN-13: 978-3886612406

Der Bauer ein Schauspieler, der Schauspieler ein Politiker, der Politiker ein Philosoph, der Philosoph ein Lover - all das ist Josef Bierbichler, der, vom bayerischen Stamm der Brecht & Valentin & Achternbusch, mit Anfang 50 und auf dem Höhepunkt seines Schauspielerdaseins ein Buch geschrieben hat, "um herauszufinden, wie weit die Wahrheit noch entfernt ist, wenn man ihr besonders nahe gekommen zu sein glaubt."

Ein Buch der radikalen Fragen ans Theater (Marthaler und Zadek, Gründgens, Schlingensief, Millowitsch und Wildgruber); an die Gesellschaft (die Deutschen gestern und heute, Kapitalismus und Demokratie, die Medienbranche und die Spaßfuzzis) - und nicht zuletzt an sich selbst (seine Rolle in diesem Geschäft und in der Liebe und beim Sex, dem Fluch des Fleisches).

Ein Widerständler, nach wie vor verwurzelt in seinem inzwischen legendären Gasthaus auf dem Lande, das auch den Schauplatz und das Personal des Buches stellt. Hier, im weitläufigen Obstgarten, lebt Kaspar, sein Alter ego, der im Verlauf des Jahres 2000 eine unvorstellbare Metamorphose erlebt: nach dem Verlust der Sprache, der Explosion seines Hirns, entwickelt sich Kaspar, in die Erde des Gartens gepflanzt, mit Hilfe mancher Flasche Obstler zu einem Fleischbaum, als der er sich mit dem ICH des Erzählers zu einem neuen Wesen vereinigen wird. "Ich heiße Sepp, und das ist der Spitzname für Sisyphos."


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