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Bayern genießen Frieren und Frost - Bayern genießen im Februar

Das Leben so zu nehmen, wie es ist und ihm die besten Seiten abzugewinnen, das ist die Grundlage von Lebensglück und Genuss. Und deswegen können wir selbst dem Frieren und dem Frost eine Reihe positiver Seiten abgewinnen.

Von: Gerald Huber

Stand: 02.02.2023 | Archiv

Hier unsere Genuss-Themen aus den bayerischen Regionen rund ums Motto "Frieren und Frost"

Oberbayern: Unverfroren. Kleidung gegen Kälte. Von Lukas Bergmann
Niederbayern: Frostige Luft. Klingenbrunn im Bayerischer Wald. Von Birgit Fürst
Oberpfalz: Cooles Hobby. Der Eisstockmacher Gerhard Bock aus Chamerau. Von Uli Scherr
Oberfranken: Gefroren und stark - Eisbock aus Mürsbach. Von Anja Bischof
Mittelfranken: Klingender Frost - Der Wasserfall bei Haimendorf. Von Tobias Föhrenbach
Unterfranken: Schnell aufgetaut - Tiefkühlkostkulinarik. Von Christiane Scherm
Schwaben: Feiern und Frieren: Das Winterfest in Lindenberg im Allgäu. Von Doris Bimmer

Unbeschreiblich frieren. Warme Wäsche einst und jetzt. Von Lukas Bergmann

Frieren – in bestimmten bairischen Mundarten heißt das friesen, froisen oder fruisen, genauso, wie es mittelhochdeutsch vriesen geheißen hat. Mit diesem s in der Mitte liegt dann nicht nur der neuhochdeutsche Frost näher, sondern ein anderes Wort, das unmittelbar damit zu tun hat: Frisch. Ganz schön frisch – heute sehen wir das als Euphemismus, also Schönrednerei, mit der wir ausdrücken wollen, dass es saukalt ist. Dass wirs zu frisch empfinden, passiert uns hauptsächlich in Übergangszeiten, wenns in der Sonne schon so schön warm ist – aber wehe die Sonne ist weg! Wer sich dagegen vorausschauend anzieht, der ist mit Funktionswäsche, vielleicht sogar beheizbar, bestens gerüstet. Aber auch hier gilt: Die meiste Zeit der Geschichte hats der Mensch ohne solche Mätzchen ausgehalten, aushalten müssen. Und es gilt – immer noch – der alte Spruch: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung. Wenn Sie sich informieren wollen, was unter die echte Tracht gehört, können Sie das zum Beispiel im Zentrum für Trachtengewand in Benediktbeuern.

Eisige Luft. Klingenbrunn im Bayerischer Wald. Von Birgit Fürst

Langlaufloipe bei Frauenau im Bayerischen Wald

Im Jahr 1780 wurde in der damals bayerischen Pfalz von Kurfürst Karl-Theodor die Mannheimer Metereologische Gesellschaft gegründet, weil, wie es in der Gründungsurkunde heißt, Seine Kurfürstliche Durchlaucht die Witterungslehre ihres höchsten Schutzes gewürdigt hat. Und deswegen hat er dafür gesorgt, dass, so wörtlich an mehreren wichtigen Orten der kurfürstlichen Erblanden, auch in anderen Gegenden Europas und der übrigen Weltteile künftig mit gleichartigen Instrumenten tägliche Beobachtungen gemacht und eingesammelt werden. Bereits damals wurden nicht nur in der Pfalz und Bayern Wetterstationen aufgestellt, sondern in ganz Europa und darüberhinaus. Bayern steht also ganz am Anfang regelmäßiger Wetteraufzeichnungen. Rund hundert Jahre bevor das in ganz Deutschland der Fall war. Dennoch sind das natürlich völlig unspektakuläre Zeiträume, wenn man die Jahrhunderte, Jahrtausende, Jahrzehntausende bedenkt, in denen der Mensch sich schon mit dem Wetter herumschlagen muss. Und erst in neuester Zeit beginnt sich ein Gefühl der Macht, also der Machbarkeit gegenüber dem Wetter durchzusetzen. Im Negativen wie im Positiven. Menschengemachtes Wetter. All die Zeit vorher hat gegolten: Man muss es nehmen, wie es kommt. So wie in Klingenbrunn im Bayerischen Wald, wo es, wie man boshaft sagt, ein dreiviertel Jahr Winter und ein Viertel Jahr kalt ist. Dort fließen kalte Luftmassen den Berg herunter und können unten nicht mehr aus. Damit ist Klingenbrunn nachgewiesenermaßen einer der kältesten Orte Bayerns. Zum Langlaufen ideal.

Cooles Hobby. Der Eisstockmacher Gerhard Bock aus Chamerau. Von Uli Scherr

Friesen, fruisen und Frost – all diese hochdeutschen Varianten von Frieren haben ihr f am Anfang durch die sogenannte hochdeutsche Lautverschiebung vor rund 1500 Jahren gekriegt. In Nord- bzw. Niederdeutschland hats diese hochdeutsche Lautverschiebung nicht gegeben. da ist es beim alten germanischen p geblieben. Dort gibt es heute noch ein Wort, das wir mittlerweile alle kennen, und das mit dem Frieren ursprünglich zusammenhängt: Das Prusten. Im Nord- oder Niederdeutschen heißt das ursprünglich soviel wie niesen, schnauben. Womit wir auch gleich bei der uralten steinzeitlichen Wurzel preus- sind. Die hat nämlich ursprünglich sprühen, spritzen bedeutet. Woher wiederum der Frost kommt im Sinn von Rauhreif. Und die Frieseln, ein altes Wort für die Masern, die Frieseln sind ja auch gewissermaßen rote Spritzer auf der Haut. Die alte Erfahrung, dass im Winter verspriztes Wasser leicht zu einer Eisfläche werden kann, machen sich Eisstockschützen in ganz Bayern zunutze, um spiegelglatte Bahnen hinzukriegen, auf denen sich trefflich schieben und schießen lässt. Vorausgesetzt, man hat dafür den richtigen Eisstock. Denn obwohl sich der Eisstocksport wieder zunehmender Beliebtheit erfreut, werden die handwerklichen Eisstockmacher, wie Gerhard Bock aus Chamerau in der Oberpfalz immer seltener. Hier können Sie Gerhard Bock dabei zuschauen, wie er den perfekten Eisstock macht.

Gefroren und stark - Eisbock aus Mürsbach. Von Anja Bischof

Also wieder zurück zum Frieren zum markgefrierenden Frost. Allein schon, wenn man das so sagen hört, fängt man innerlich schon zum Frösteln an, gewissermaßen. Irgendwie sind die Menschen ja seltsam: Vieles, selbst die größten Wohltaten und Reichtümer nehmen sie gedankenlos, wie selbstverständlich hin; und merken erst, wenn sie plötzlich nicht mehr da sind, was eigentlich alles damit verbunden ist. Mit der Wärme zum Beispiel. Aber genauso mit der Kälte. Die künstlich zu erzeugen ist ja prinzipiell viel schwerer und gelingt uns erst seit verschwindend kurzer Zeit. Wärme haben schon unsere steinzeitlichen Vorfahren am Lagerfeuer genossen. Kälte dagegen gibt es flächendeckend erst in der Nachkriegszeit. Ganz wichtig beispielsweis für unsere Brauereien. Wobei der Eisbock, eine fränkisch-frostige Bierspezialität, heute zwar mit künstlicher Kälte hergestellt wird; seine Ursprünge allerdings dürfte er in den bitterkalten Wintern der Kleinen Eiszeit ab dem ausgehenden Mittelalter haben.

Klingender Frost - Der Wasserfall bei Haimendorf. Von Tobias Föhrenbach

Klingender Wasserfall bei Haimendorf

Frieren, Frost, frisch haben also mit Sprühen und Spritzen zu tun. Und kalten Bedingungen, versteht sich. Wenns dann wärmer wird und es spritzt und springt immer noch, dann kann das nur ein Frosch sein. Ja, Frosch und Frost klingen net bloß ähnlich, sie gehören auch zusammen. Vielleicht in Zukunft nicht mehr bloß sprachlich. Aber da reden wir von der dunklen Zukunft, über die wir Menschen uns nicht allzuviel Gedanken machen sollten und vor der wir schon gar keine Angst haben sollten. Auch nicht vor einem Frosch im Januar. Und ich versprech Ihnen: Irgendwann ist sie wieder da, die stein- und beingefrierende Kälte, die aus einem simplen kleinen Wasserfall am Hüttenbach in der fränkischen Alb das Naturdenkmal Klingender Wasserfall macht. Wie Sie hinkommen finden Sie hier.

Schnell aufgetaut - Tiefkühlkostkulinarik. Von Christiane Scherm

Frösteln und frieren gehören zwar zusammen – ganz deckungsgleich sind die Wörter allerdings nicht. Voraussetzung des Fröstelns ist das Frieren. Ganz ähnlich ist es mit dem Frost und dem, was man die Gfrier nennt. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass wir heute Gefriertruhe oder –schrank sagen und der gänzlich neumoderne Froster nicht verleugnen kann, dass er bloß ein englisches Fremdwort ist. Soweit ist es mit dem Frühjahr ja gar nimmer. Wenn dann die Gfrier aus dem Boden geht, dann kann es wohl nochmal starke Fröste geben. Über kurz oder lang taut aber alles auf. Selbst der Inhalt eines Gefrierschranks. Egal, ob man es will oder nicht. Wir machen uns viel zu selten klar, welch gesundheitlichen Luxus das Einfrieren von Lebensmitteln mit sich bringt. So richtig gut freilich ist es nicht, das Image von Tiefkühl-Essen. Aber nicht immer zurecht, vor allem dann nicht, wenn es aus dem heimischen Garten kommt. Einfriertipps der Leiterin der Bayerischen Gartenakademie Marianne Scheu-Helgert gibt’s hier:

Einfrier-Tipps von Gartenexpertin Marianne Scheu-Helgert von der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim bei Würzburg

  • nicht jedes Gemüse eignet sich zum Einfrieren
  • schlecht zB: Möhren, bekommen eine komische Konsistenz
  • gut: Erbsen, Brokkoli, Blumenkohl, Fenchel, Kohlrabi oder Spinat
  • eigentlich alle Gemüse-Sorten vor dem Einfrieren putzen, schneiden und blanchieren – also kurz in heißem Wasser vorgaren und kalt abschrecken
  • Gefrierbeutel statt Dosen verwenden, sparen Platz
  • in Gefrierbeuteln kann man zum Beispiel Himbeeren flach nebeneinander einfrieren, so zerquetschen sie nicht – und sie tauen danach gleichmäßig auf
  • Tipp für Erdbeeren: im Sommer im großen Stil auf dem Erdbeerfeld ernten, mittelgroße Erdbeeren eignen sich am besten, dann im Winter gut für Joghurt oder Quark – wenn sie zu matschig sind, für rote Grütze verwenden
  • Tomaten einfrieren: etwa 15 Minuten, bevor man sie braucht, aus dem Gefrierschrank nehmen – in dem halbgefrorenen Zustand lässt sich die Schale gut abziehen und die Tomaten lassen sich gut schneiden – sie sind zwar etwas matschig, eignen sich aber gut als Belag für Pizza oder Focaccia
  • eingefrorene Lebensmittel nicht im Gefrierschrank vergessen, sondern aufbrauchen

Feiern und Frieren: Das Winterfest in Lindenberg im Allgäu. Von Doris Bimmer

Freilich: Frost und frieren freuen den Menschen, sagen wir mal, nur bedingt. Da trifft es sich, dass es in bäuerlichen Gesellschaften – und das waren sie bis vor gar nicht so langer Zeit nahezu alle menschlichen Gemeinschaften auf der Welt – da also ist es gut, wenns im Winter weniger Arbeit gibt. Da kann man feiern. Von Halloween bis Fasching. Quasi durchgehend. Wovon uns Frieren und Frost noch nie abgehalten haben. Und, besonders interessant, dieses Feiern hat sich noch nie auf die warme Stube beschränkt. Zu keiner Zeit. Der einzige Unterschied: Früher waren die Winterfeste samt und sonders religiös motiviert. Heute langt allein schon die Tatsache der kalten Jahreszeit. Wie beim Winterfest in Lindenberg im Allgäu.

Zum Schluss

Ja, sogar das Frieren und der Frost lassen sich genießen. Vor allem wenn man weiß, dass es hernach taut, lässt sich die Kälte gut verdauen. Sie haben richtig gehört: Tauen und dauen wie in verdauen klingt nicht bloß gleich. Es heißt auch das gleiche: auflösen, schmelzen. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte. Erzähl ich Ihnen gern zu gegebener Zeit. Für heut wünsch ich Ihnen einen frostigfrohen Februar.


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