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Faszination Bart Eine haarige Geschichte

Die Pharaonen trugen ihn. Unter Fürsten war er ein Machtsymbol. Und als David Beckham ihn hatte, wollten ihn auf einmal alle: den Bart. Autor Matthias Holthus-Rüd hat seinen Bart aus Leichtsinn verloren – und folgt nun den Auswüchsen und Wirbeln dieser ebenso verehrten wie verhassten Gesichtsbehaarung.

Von: Matthias Holthus-Rüd

Stand: 13.03.2023 | Archiv

Drei Minuten Rasur verwandeln mich von einem Teddybären mit hübschem Fell unter der Nase in einen glattrasierten Vollmond.

Autor Matthias Holthus-Rüd - glattrasiert.

Mein optisches Alter hat sich halbiert, mein Doppelkinn dagegen unter der Vollbart-Tarnung weiter zugelegt. Das alles ist keine Überraschung, denn ich weiß mit mehr als 40 Lebensjahren eigentlich, dass mir Vollbart steht, dass ich mich glattrasiert nicht mag. Aber alle vier bis sechs Jahre vergesse ich das in den entscheidenden Minuten – mein Hirn funkt lautstark Veränderung!

Wäre ich jetzt ägyptischer Pharao, ich würde mir einfach einen Zeremonienbart ans Kinn binden, denn Pharaonen waren tatsächlich gleichzeitig glattrasiert und bärtig. Sie ließen sich einen künstlichen Spitzbart mit dünnen Riemen am Kinn befestigen. Aber ich bin nun mal kein Pharao und deswegen muss ich wohl Geduld haben.

Kapitel 1: Riskanter Vollbart mit Goldrausch

Zwei Tage nach meiner Rasur. Ich bin optisch zurück in meinem Kinderzimmer. Meinen Vater kenne ich nur mit Vollbart. Bei mir selbst wuchs bis in meine späten 20er Jahre hinein aber nichts. Doch irgendwann kamen die Barthaare und blieben. Im Hier und Jetzt bin ich aber weiter ziemlich glatt und es geht zu meinem ersten Gesprächspartner. Er ist mein Endziel, mein Vorbild. Er hat, was ich nicht mehr habe: Armin Dauwalter, 65 Jahre alt, seit 40 Jahren Bart-Träger.

Der Flur von Armin Dauwalter in Fürth ist eine Art Bart-Galerie. Links und rechts hängen Familienbilder. Die Kinder darauf werden immer größer, Frisuren verändern sich, doch eines bleibt konstant: Der Familienvater trägt Bart. Bis Mitte seiner 20er Jahre war Armin Dauwalter bartlos, hatte ihn sich dann aber auf einer Reise wachsen lassen. Keine einfache Entscheidung, denn er ging damit das Risiko ein, sein Zuhause zu verlieren.

"Mein Bart ist für mich eine Selbstverständlichkeit geworden. Ich hatte als Jugendlicher keinen Bart, oder als junger Mann durfte ich keinen Bart haben, weil meine Eltern bei den Alt-Mennoniten sind. Und dort ist ein Bart verpönt, man darf da keine Bärte tragen. Und ich hab dann mit 25 mir einen Bart wachsen lassen und seitdem trage ich einen Bart, mit einer Unterbrechung."

Armin Dauwalter, Bartträger

Glaubensbekenntnis Gesichtsbehaarung

Alt-Mennoniten gehören einer strenggläubigen evangelischen Freikirche an. Sie orientieren sich strikt an der Heiligen Schrift und spalteten sich im 19. Jahrhundert von den Mennoniten ab. Die waren ihnen zu progressiv.

"Alle neueren Dinge, werden da nicht akzeptiert, dazu zählen auch alt-neue Dinge, dazu gehört der Bart bei den Männern, dazu zählen Hosen bei den Frauen, dazu zählen lange Haare offen bei den Frauen. Solche äußerlichen Dinge dürfen nicht verwendet werden."

Armin Dauwalter, Bartträger

Orthodoxe Juden tragen dagegen oft lange Bärte. Der Talmud führt aus, dass die Schönheit eines Mannes ihren Ausdruck im Bart findet. Jüdische Kabbalisten sind sogar davon überzeugt, Barthaare seien Antennen für göttliche Signale. Strenggläubige Muslime stutzen sich ihren Oberlippen-Bart und lassen unter dem Kinn mindestens eine Faustlänge Bart stehen. Islamische Rechtsschulen leiten das aus Sprüchen des Propheten ab. So sollen sich Männer auch optisch von Frauen unterscheiden. Katholischen Päpste sind und waren bis auf wenige Ausnahmen glattrasiert, russisch-orthodoxe Priester tragen dagegen oft lange Vollbärte. Sie sollen an die russische Landbevölkerung und die russische Vergangenheit erinnern.

"Ja durchaus, es gibt durchaus andere Eltern, die haben ihre Kinder verstoßen, wenn sie nicht regelkonform sich verhalten haben. Das war bei meinen Eltern nicht so der Fall. Die waren etwas offener. Zum Glück."

Armin Dauwalter, Bartträger

Armin Dauwalter behielt also sein Zuhause und seinen Bart.

Kapitel 2: Der Bart – ein Fall fürs Museum

Drei Wochen nach meiner Glattrasur. Ich bin die zweifelhaften Komplimente meines Umfelds satt. Ja, ich darf schon Bier kaufen. Danke! Unschön: Die nachgewachsenen Stoppel-Barthaare machen mein Doppelkinn eher noch prominenter. Schön: Auf der Oberlippe reicht es bereits für einen Tom Selleck-Gedächtnis-Schnurrbart – Ich sehe aus wie Fernsehkommissar Magnum.

Ich bin ein Kind des Internetzeitalters, bin unterwegs in Social-Media-Kanälen, lebe den Narzissten in mir aus, poste eifrig Bilder auf Instagram und Facebook. Bartlos war es in meiner Chronik zuletzt sehr ruhig. Jetzt zeige ich mich wieder und stehe damit in der Tradition vieler Barträger vor mir. Viele Kunstwerke in Galerien und Museen tun das, was Bilder auf Instagram auch tun. Sie halten das Leben und die Mode der jeweiligen Zeit fest. Und so sind Museen und Galerien auch so etwas wie auf Leinwand festgehaltene Bart-Geschichte.

Kunsthistoriker Lukas Maier wurde mir von seiner Chefin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg empfohlen, weil er selbst einen Bart trägt. Eine gute Wahl! An seinem Küchentisch erteilt er auf dem Laptop eine Lektion in Kunst-Bart-Geschichte, so gut das eben geht, denn tatsächlich ist Gesichtsbehaarung bisher kaum Gegenstand der Forschung. Dabei gibt es mehr als genug Material.

Porträt von Charles I. - mit Bart.

Lukas Maier ist besonders fasziniert von Karl dem Ersten, König von England. Auf einem Gemälde ist er aus drei Perspektiven zu sehen. Von links, rechts und der frontal. Besonders prominent in Szene gesetzt ist sein zu beiden Seiten gezwirbelter Oberlippenbart und der lange schmale Kinnbart. Er ist heller und detailreicher gemalt als der Rest des Gesichtes. Der Maler dieses Portraits kannte den Bart gut, denn er trug den gleichen: Er hieß Anthonis van Dyke und gab ihm seinen bis heute bekannten Namen: Van Dyke-Bart. Sein Modell Karl, Charles der Erste, war Bart-Fanatiker - bis in den Tod.

"1642 bricht der englische Bürgerkrieg aus. Charles kämpft mit den Royalisten gegen das englische Parlament. Am Ende verliert er, wird gefangen genommen und in Gefangenschaft wird sein Barbier entlassen. Und er weigert sich aber auch, dass jemand mit einer Klinge oder Rasiermesser in seine Nähe kommen darf und lässt sich seinen Bart wachsen. Ja, 1649 wird er in London hingerichtet und interessanterweise auch wieder von Henkern, die falsche Bärte tragen, eben um ihre Identität nicht preis zu geben."

Lukas Maier, Kunsthistoriker

Männer und später auch Frauen mit aufgeklebten Bärten waren zu dieser Zeit keine Seltenheit. Ein Wurfzettel aus dem 16. Jahrhundert zeigt einen Krämerladen, in dem 36 verschiedene Arten von Klebe-Bärten angepriesen werden.

Lukas Maier klickt weiter durch die Bildergalerie. Immer wieder hielten Maler auf ihrer Leinwand besondere Momente der Bart-Geschichte fest. So etwa Rafael im Jahr 1511. Er malte Papst Julius den Zweiten mit weißem Rauschebart. Den ließ sich der Papst damals stehen, weil er Krieg führte und ihn erst nach einem Sieg abnehmen wollte. Das tat er dann auch.

"Und als er den Bart abgenommen hat, hat Julius der Zweite allen Geistlichen verboten, Bärte zu tragen. Und in der Zeit ist es generell interessant, wir befinden uns im Italien der Renaissance. Im 15. Jahrhundert, tragen die Männer auf den Portraits keinen Bart. Im 16. Jahrhundert dann auf einmal jeder."

Lukas Maier, Kunsthistoriker

Der Bart bewegt Künstler, Könige und nicht nur die. Lukas Maier kommt in Fahrt, springt von einem Bild zum anderen.

Eine kleine Bartreise durch die Zeit - mit Kunsthistoriker Lukas Maier

Bart und Bayern haben nicht nur das B gemeinsam. Im 19. und 20. Jahrhundert trugen fünf von sechs bayerischen Königen Bart. Ludwig der Erste und Maximilian der Zweite einen Schnauzer, Ludwig der Zweite, der Märchenkönig einen verlängerten Schnauzbart, der in einen Kinnbart überging. Luitpold von Bayern und Ludwig der Dritte, der letzte König von Bayern, volle Rauschebärte. Aber auch Künstler wie Albrecht Dürer malten sich selbst mit Haaren über der Lippe und unter dem Kinn. Die Geschichte des Bartes reicht aber natürlich noch viel, viel weiter zurück.

"Also wenn man dann bei der Antike anfängt. In Griechenland hat der Bart zunächst eine große Rolle gespielt. Ja, wir kennen auch noch diese Darstellungen der Philosophen Sokrates, Platon. Die haben diese Büsten, die in der Renaissance eine große Rolle gespielt haben. Ja, die tragen Bart. Alexander der Große hingegen, König von Makedonien, hat das größte Reich der Antike erobert. Er hat keinen Bart getragen und seinen Soldaten befohlen, auch den Bart zu rasieren. In Rom spielt der Bart dagegen erst einmal keine Rolle. Also die sind alle glattrasiert, bis Kaiser Hadrian sich anknüpfend an Griechenland einen Bart stehen lässt."

Lukas Maier, Kunsthistoriker

Bart war in all der Zeit nicht nur Herrschaftszeichen, sondern auch ein Symbol für Dazugehörigkeit. So trugen und tragen etwa viele bayerische Trachtler nicht nur den Gamsbart am Hut, sondern auch oft kunstvoll gestaltete Vollbärte am Kinn. In Oberammergau gehört zu den Passionsspielen, wer dem Rasierer entsagt und die Haare wild sprießen lässt.

"Ich denke gerade auch eigentlich an die Französische Revolution im 19. Jahrhundert. Um nochmal einen ganz anderen Sprung woanders hin zu machen und interessant in dieser Zeit ist es auch, dass Bärte politische Zugehörigkeit signalisieren konnten. Also je nachdem, wie man welchen Bart im Gesicht getragen hat, hat man eine Aussage über sich getroffen. Wem man politisch nahesteht: Royalisten, Parlament, Arbeiter. Im Militär wurde der Bart auch sehr wichtig, also besonders in Kavallerie-Regimentern in Europa. Sie haben das richtig als Symbol, besonders dass als Offizier ein ordentlicher Schnauzer zu tragen ist. Ja, und dann: 20. Jahrhundert. Bartlos. Man trägt keine Bärte. Der moderne Mann trägt keinen Bart. Bis es losgeht mit den 68ern, Hippies, das Unangepasste auch wieder. Und dann in den 80er Jahren ist der Schnauzer auch wieder hoch populär."

Lukas Maier, Kunsthistoriker

Den trug etwa Mode-Designer Rudolph Moßhammer - als Markenzeichen. Auch von Fußballlegende Paul Breitner oder Fredl Fesl, dem Erfinder des bayerischen Musikkabaretts, gibt es kein Bild ohne Bart im Gesicht.

Kapitel 3: Von falschen Damenbärten und echtem Bartfetisch

Sieben Wochen nach meiner Glattrasur. Endlich! Mein Doppelkinn versteckt sich wieder hinter einem noch nicht sehr dichten, aber doch vorhandenen Baby-Vollbart. Ich gehöre wieder dazu: Hier auf dem Nürnberger Christopher Street Day, dem Hochfest für Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender. Der alljährliche CSD ist ein lebendiger Tummelplatz, auf dem auch alle möglichen Fetische offen zelebriert werden. Der Bart als Symbol der Männlichkeit ist etwa das Einlass-Ticket in die schwule Bärenszene. Hier mögen behaarte Männer behaarte Männer. Wer dazu gehören will hat Bauch und Bart.

Die einen zelebrieren hier ihren Bart, andere bekämpfen ihn vor jedem Auftritt aus Neue: Drag-Queens. Männer, die der Weiblichkeit huldigen, sie überhöhen mit viel Schminke, großen Perücken, Glitzerkleidern. Dazu müssen diese Männer vorher erst einmal ihre Männlichkeit verbergen. Im Intimbereich hilft Klebeband. Oben im Gesicht der Rasierer.

Wurzelkunde: Ein haariges, sekundäres Geschlechtsmerkmal

Das Androgen Testosteron lässt Barthaare bei jungen Männern ab der Pubertät sprießen. In der Regel zuerst über der Lippe, dann an den Schläfen, später folgen Kinn, Hals und zuletzt die Wangen. Auch Frauen kann ein Bart wachsen. Stark ausgeprägter Damenbart wird in Fachkreisen als "Hirsutismus" bezeichnet. Ursachen dafür gibt es viele, etwa genetische Veranlagung oder hormonelle Störungen. 

Dragqueen Susi Sendling (Mitte)

"Damenbart finde ich einfach nicht toll", sagt Susi Sendling. Sie ist aus München zum CSD nach Nürnberg gekommen. Susi bezeichnet sich selbst als bodenständige Dragqueen. Ihre Markenzeichen: eine schwarze, halblange Mireille Mathieu-Perücke, eine dicke Brille auf der Nase, knallroter Lippenstift und ein leichtes, blasses Tagesmakeup. Susi kommt aus München, der Mann dahinter, Matthias, aus Unterfranken. Matthias liebt Bart, trägt ihn gerne selbst. Susi darf keinen Bart haben.

Stück für Stück verwandelt sich Matthias in Susi. Manche Dragqueens bauen in stundenlanger Arbeit vor Auftritten ihr Gesicht völlig neu, verstecken die glattrasierte Männerhaut unter dicken Schichten Make-Up. Susi ist vergleichsweise schnell zum Leben erweckt. Wichtigstes Accessoire: der Theater-Abdeckstift und eben der Rasierer.

"Also natürlich fängt es mit der Rasur an, zwei, dreimal, dass auch jedes Haar weg ist. Weil, ich hab das Talent, da bleibt öfter mal was stehen und das schaut dann einfach nicht gut aus, wenn du die erste Lage Make up drauf hast und du dich dann abschminken musst und dann noch a mal rasieren musst. Deswegen zwei, drei Mal. Und dann ein Gläschen Prosecco und ein Zigarettchen zur Beruhigung und dann fang ich an, die erste Schicht Make Up aufzulegen und dann geht es weiter mit Puder und Rouge und das längste sind die Augen, da tu ich meist drei, vier Farben drauf und gegebenfalls Wimpern auch noch."

Susi Sendling, Dragqueen

Spätestens seit Conchita Wurst, die mit Bart und im Goldkleid den Eurovision Song Contest gewonnen hat, bauen viele Dragqueens Bart in ihre Kunstfigur ein. Susi Sendling bleibt klassisch.

"Also wenn schon Drag, dann richtig und mit Bart schaut das bei Conchita Wurst natürlich super aus. Aber für mich wäre das noch ein bisschen mehr Aufwand, weil der Bart müsste ja auch noch irgendwie in Szene gesetzt werden. Ich kenn da welche, die tun da extrem viel Glitzer rein. Och, einmal Glitzer in der Wohnung gehabt, kriegst du in nie mehr raus. Nein."

Susi Sendling, Dragqueen

Mit ihrem bartlosen Look hat es Susi schon zur Münchner Maikönigin gebracht, ziert aktuell das Etikett einer Bierflasche. Immer wieder genießt sie es aber auch den Rasierer liegen zu lassen, wieder Mann zu sein.

"Vor allem in den Wintermonaten, wo nix los ist, da wächst der Bart natürlich auch ein bisschen länger und das gefällt mir dann auch so und das gefällt auch dem Gegenüber, wenn ich dann mal privat unterwegs bin und mit Leuten flirte. Man merkt schon, die meisten von uns Homosexuellen mögen schon Männer mit Bart."

Susi Sendling, Dragqueen

Kapitel 4: Die vollbärtige Vollendung

Zwei Monate nach meiner Glattrasur. Mein Kinn ist mittlerweile wieder zugewuchert, muss nun in Form gebracht werden, von Friseurmeister Thorsten Staudt – in Jimmy Rays Barbershop. Als der Salon in der Nürnberger Innenstadt 2001 aufmachte, standen Männer und ihre Haarschnitte noch ganz unten, als Fußnote auf der Preisliste klassischer Friseursalons.

"Zu Beginn der Zeit, da war der Bart überhaupt kein Thema. Es war eher der klassische Männerhaarschnitt ein Thema und ich wollte einfach raus aus dieser Unisex-Nummer und wir haben einen Bereich geschaffen, der die Männer wieder von den Frauen trennen sollte."

Thorsten Staudt, Friseurmeister

Staudt wollte keinen Friseursalon für alle mehr. Der Mann sollte seinen eigenen Beauty-Bereich haben. Der enorme Hype um den Bart des Mannes kam erst Jahre später.

Holzfäller im Gesicht – Alle Männer wollen David Beckhams Bart

Autor Matthias Holthus-Rüd - nur bärtig happy.

Anfang der 2000er war der Mann noch glatt. Bis er kam. Im Jahr 2003 ließ sich Fußball-Idol David Beckham erstmals einen 3-Tage-Bart stehen. 2014 legte er mit einem Vollbart nach. Auf einmal sprießte es in allen Modezeitschriften. Wer hip, Hipster, angesagt sein wollte, mottete den Rasierer ein. Stadtmenschen frönten dem gern auch zotteligen Holzfäller-Look. Zeitgleich schossen Barbershops wie Pilze aus dem Boden, füllten sich die Regale der Drogerien mit Bart-Pflege-Produkten.

Thorsten Staudts Barbershop war der erste dieser Art in Deutschland, machte Schlagzeilen, weil er eben nur für Männer war. Auch heute noch stehen Männer hier im Mittelpunkt und nicht nur auf dem Friseurstuhl. Im ersten Stock hat sich der Friseurmeister ein Separee eingerichtet, mit riesigen Comic-Bildern an der Wand, Spielkonsolen unter dem großen Flachbild-Fernseher, einer Bar mit Getränken. Ein Refugium der Männlichkeit. Hier spielten in den 2010er-Jahren bärtige Männer gegeneinander, tranken Whisky und waren unter sich. Das Spielzimmer gibt es weiter, richtige Vollbärte tragen hier aber nur noch wenige, denn im jahrhundertealten Auf und Ab der Gesichtsbehaarung – von Plato über Alexander den Großen, Julius Caesar und Ludwig den Zweiten bis Susi Sendling – da schwingt das Pendel aktuell wieder in Richtung glatt.

"Ich denke, es gibt immer wieder Veränderungen. Es gab die Zeit ohne Bärte, dann wieder die mit Bart und dem folgt natürlich wieder eine Zeit mit weniger oder reduzierten Bärten. Weil das alles in der Mode immer wieder kommt und geht."

Thorsten Staudt, Friseurmeister

Angesagt, oder nicht. Ich bin nach all der Zeit einfach nur bärtig happy. Mein Gesicht ist wieder vollständig, hat Kontur, Format. Und so soll es auch bleiben. Stand heute. Und sollte ich in vier bis sechs Jahren wieder Lust auf Veränderung haben, dann habe ich ja jetzt diese Sendung – als Mahnung. Lass die Haare im Gesicht, Holthus-Rüd. Denn da gehören sie bei dir einfach hin.


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