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Bilden, begeistern, begreifen Beobachtungen in der bayerischen Museumslandschaft

In Bayern gibt es gegenwärtig über 1.300 Museen und es kommen immer wieder neue hinzu. Obwohl der Trend der Museumsbesuche immer noch nach oben zeigt, zeichnen sich Umbrüche ab. Wie gehen die Museen damit um?

Von: Horst Konietzny

Stand: 10.05.2019 | Archiv

Der Direktor des Museums für Franken in Würzburg, Erich Schneider, beobachtet die Lage der Museen in Bayern seit vielen Jahren.

"Ich überschaue jetzt 40 Jahre Museumsarbeit.  Schon am Anfang dieser 40 Jahre gab es dieses Bildungsbürgertum nicht. Also die Menschen, die alle 2,3 Monate mal ins Museum gehen, die ihren Lieblingsmaler aufsuchen und dort eine gewisse Zeit verweilen, die gab es damals schon nicht mehr und die gibt es heute auch nicht mehr. Aber es gibt Menschen, die gelernt haben, dass ein Museum ein Ort sein kann wo ich mir wunderbare Anregungen holen kann. Auch für mein eigenes Leben."

Erich Schneider, Direktor des Museums für Franken in Würzburg

Immer mehr Besucher in Bayerns Museen

Sich museal anregen zu lassen ist trotz aller Umbrüche in Folge der Digitalisierung mit ihren neuen Medienangeboten immer noch in. Es gibt sie noch, die Menschen, die ins Museum gehen und es werden sogar immer mehr. 114.375.732 Museumsbesuche zählte das Institut für Museumsforschung im Jahr 2017. Eine Steigerung um 2,2 Prozent gegenüber dem Jahr 2016. Und die Anregungshungrigen verteilen sich in Bayern auf über 1.300 Museen von schier unüberschaubarer Vielfalt.

Vielfältige Museumslandschaft

Es gibt Museen für Orts- und Regionalgeschichte, Volkskunde, Heimatkunde, Bauernhäuser, Mühlen, Landwirtschaft. Für Technik, Verkehr, Bergbau, Hüttenwesen, Chemie, Physik, Astronomie, Technikgeschichte, Humanmedizin, Pharmazie, Industriegeschichte, Kulturgeschichte, Religions- und Kirchengeschichte, Völkerkunde, Kindermuseen, Spielzeug, Musikgeschichte, Brauereiwesen und Weinbau, Literaturgeschichte, Feuerwehr, Musikinstrumente und viele weitere Spezialgebiete.

Neue Museen geplant

Und weil die Palette der Möglichkeiten wohl endlos ist, werden in Bayern immer noch neue Museumsprojekte geplant, gebaut und eröffnet, wie jetzt das "Museum der Bayerischen Geschichte" in Regensburg, ein Haus immerhin aus der Schwergewichtsklasse von rund 90 Millionen Euro. Und weitere Projekte stehen in den Startlöchern, wie das Museum für Franken in Würzburg, das allerdings noch einen gut zehnjährigen Marathonlauf vor sich hat, oder das Christian-Schad-Museum in Aschaffenburg, das kurz vor dem Ziel ist. Oh glückliches Museumsland Bayern!

Digitalisierung führt zu Veränderungen

Doch ganz so einfach wie es zunächst scheint ist die Sache nicht, denn die Besucherzahlen sind natürlich kein verlässlicher Indikator für die Qualität des Museumserlebens. Kritische Stimmen sprechen seit langem von Popularisierungstendenzen im Museumbetrieb. Von einer Eventisierung, die den Anspruch ernsthafter Archivierungs- und Forschungsanstalten verwässern könnte. Aber wir leben in Zeiten, in denen sich die Dinge rasch verändern. Und der Grund heißt eben doch Digitalisierung. Der bayerische Kunstminister Bernd Sibler sieht die Angelegenheit erstmal positiv.

"Veränderung ist ja kein neues Phänomen, Veränderung haben wir immer gehabt und mussten damit umgehen. Ich denke, dass wir im Bereich der Museen mit dem Thema Digitalisierung enorme Chancen haben."

Bernd Sibler (CSU), Bayerns Kunstminister

Woran mag der Minister hier denken? An Museums-User, die ihren Besuch in der Virtual Reality Brille erleben, total eingebettet in ein Museums-Adventure-Game mit historischen Objekten als Product-Placement? Wie macht man das Museum, das ja klassisch "von gestern" ist, fit für die Zukunft? Um Lösungen für solche Fragen kümmert sich in Bayern eine ziemlich einzigartige Einrichtung – mit der Lizenz für museale Hilfestellungen aller Art.

"Gerade die Landesstelle für nicht staatliche Museen hat das Thema Digitalisierung in den Mittelpunkt gestellt. Ich habe als Staatssekretär mit dieser Einrichtung die sieben Regierungsbezirke besucht. Um die oftmals ehrenamtlichen Leiterinnen und Leiter dieser kleinen Museen zu vernetzen, neue Konzepte zu präsentieren und genau da kam raus, dass wir neben mehr Präsenz in der Fläche mit Weiterbildungsmaßnahmen eben auch das Thema Digitalisierung akzentuieren müssen und da hat die Landesstelle einiges getan und nimmt somit auch die Bedürfnisse der Einrichtungen intensiv und zeitnah mit auf."

Bernd Sibler (CSU), Bayerns Kunstminister

Einzigartige Einrichtung in Bayern

Die Landesstelle für nicht staatliche Museen ist dafür da, in allen fachlichen Museumsfragen zu beraten und  zu unterstützen und damit das Potential der Museen zu stärken. Gerade auch im Hinblick auf Zukunftsfragen wie die Digitalisierung, der man im Sommer gleich eine ganze Tagung widmet.

Das Bayerische Nationalmuseum in München

Es ist fast leer. Vereinzelte Besucher schleichen und staunen. Denn hier ist Wunderkammer angesagt. Das zarte Uhrwerk des Münchner Hofuhrmachers Johann Martin Arzt zeigt Stunden, Minute, Kalender, Wochentage und sogar die Mondphasen. Sein sanftes Klingeln begleitet sie vorbei an unglaublich scheinenden Objekten. Den uralten Zauberwerken aus Elfenbein zum Beispiel, die so unwirklich schön sind, dass man sich nicht vorstellen mag, sie sich digitalisiert anzusehen. Hier ist Aura pur.

Der Museumsbesucher als Ko-Kurator?

Die Einbeziehung des Publikums ist so ein Thema, das ganz wesentlich von Verhaltensweisen geprägt ist, die wir in den digitalen Räumen eingeübt haben: Wir  posten, posen, liken und verlinken auf allen verfügbaren Kanälen. Das Bedürfnis, Einfluss zu haben und mit unserem Erlebnis sichtbar zu sein, ist übergroß. Und wie jeder Pädagoge weiß, verstärkt eigene Aktivität die Motivation und damit den Lerneffekt. Im ehrwürdigen Museumsbetrieb ist es allerdings noch gewöhnungsbedürftig, sich den Besucher als Ko-Kurator vorzustellen.

"Jetzt bin ich mal ein bisschen böse. Wie ist es denn mit der Partizipation am OP Tisch? Lässt man sich da nicht lieber vom richtigen Chirurgen operieren oder lässt man da partizipativ die OP Tür offen und sagt, da hat jemand mal ein Anatomiebuch gelesen der darf jetzt auch mit ran. Ich glaube, da gibt es auch Grenzen, sonst bräuchten wir alle Wissenschaften nicht mehr studieren und dann bräuchte man auch diese arbeitsteilige Gesellschaft, die eine Hochleistungsgesellschaft ist und die uns auf dieses Niveau gebracht hat, die bräuchte man dann nicht. Man muss einen guten Mittelweg finden, Menschen mitzunehmen auch davon zu profitieren, dass es diesen neuen Austausch gibt, aber es sind immer noch Fachdisziplinen und ohne die Fachwissenschaft werden wir keine Museen betreiben können."

Frank Matthias Kammel, Kunsthistoriker und Generaldirektor des Bayerischen Nationalmuseums

Fassen wir zusammen: Die Digitalisierung ist ein großes Thema für die Museen. Sie bietet neue technische Möglichkeiten um ein besseres Erleben und eine größere Teilhabe der Besucherinnen und Besucher zu ermöglichen. Aber sie erzeugt auch ein verändertes kulturelles Umfeld mit unabsehbaren Konsequenzen für die Museen.

Mehr in der Zeit für Bayern

Im Gespräch mit Kunsthistorikern, Museumspraktikern und Politikern wirft Horst Konietzny am 18. Mai um 12.05 Uhr auf Bayern 2 einen Blick in die "museale Zukunft" und beobachtet vor Ort, wie Verantwortliche des bald neu eröffnenden "Christian Schad Museums" in Aschaffenburg mit den Herausforderungen umgehen.


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