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Bayern und Südtiroler Ziemlich beste Freunde?

Für viele Bayern ist Südtirol ein bevorzugtes Reiseziel, sei es nun für einen ausgedehnten Wanderurlaub oder auch nur für den Wochenendausflug zum Törggelen, zum Bergsteigen oder Skifahren. Die Bayern und die Südtiroler verbindet aber viel mehr: Eine tiefgründige Freundschaft über zwei Grenzen und viele Jahrhunderte hinweg. Ulrike Zöller begibt sich auf die Suche nach den Ursprüngen einer jahrhundertealten engen Beziehung.

Von: Ulrike Zöller

Stand: 07.10.2017 | Archiv

Törggelen in Südtirol | Bild: picture-alliance/dpa/Udo Bernhart

Irgendwie hängen Südtiroler und Bayern voneinander ab - oder waren zumindest sehr lange auf gegenseitige Hilfe angewiesen: Ziemlich beste Freunde sind die Bayern und die Südtiroler schon seit Jahrhunderten - auch wenn die gegenseitigen Hilfeleistungen nicht immer gleich verteilt waren. Die spezifische Lage ihres Landes zwischen dem Brennerpass und der Salurner Klause, als Grenzgebiet zum heutigen Italien und dem Siedlungsgebiet der Slawen, ist von entscheidender Bedeutung für das politische Schicksal der Südtiroler, die lange Zeit Spielball verschiedener Adelsgeschlechter, Bischöfe und politischer Mächte waren.

Leidvolle Erfahrungen durch die bayerische Besetzung

Reichen die Anfänge dieser besonderen Verbundenheit bis ins Mittelalter zurück, als die Bayern im Land südlich des Brenners Klöster gründeten und Weinberge für den Messwein anlegten? Oder ist sie gar das Ergebnis der leidvollen Erfahrungen jener Zeit, in der bayerische Soldaten unter Napoleon das Land besetzten und versuchten, ihm die kulturelle Eigenständigkeit zu nehmen?

Der legendäre Freiheitskämpfer Andreas Hofer

Andreas Hofer Denkmal

Tiroler Viehhändler durften keine Kühe und Rösser mehr nach Bayern verkaufen - eine Bestimmung, die Andreas Hofer, den legendären Freiheitskämpfer aus dem Passeiertal, besonders hart traf. Er, der Sandwirt, konnte von seiner Gastwirtschaft nicht leben; eigentlich ernährte der Viehhandel seine Familie. Den Tirolern, vor allem den armen Südtiroler Bauern, wurde das genommen, worüber sie sich definierten: Religion, Brauchtum, Kultur. Ein Trauma, so erklärt der Psychohistoriker Hans Karl Peterlini, das sich im kollektiven Gedächtnis vieler Südtiroler Familien manifestiert hat - und das auch die spätere radikale und kompromisslose Haltung der Freiheitskämpfer der 1960er Jahre erklärt. Die sich wiederum auf Andreas Hofer beriefen, auf den legendären "wackeren Sandwirt", der bei der Schlacht am Berg Isel todesmutig den Bayern entgegentrat, später zum Tode verurteilt und in Mantua erschossen wurde.

Italienisierung oder Auswanderung ins Deutsche Reich

Welche Rolle spielten die Bayern in der NS-Zeit, als sich die Südtiroler im Rahmen des zwischen Hitler und Mussolini geschlossenen "Optionsabkommens" entweder für die Italienisierung oder aber für die Auswanderung in das Deutsche Reich entscheiden mussten? Und warum fanden die sogenannten "Bumser", jene politischen Aktivisten, die in den 1960er Jahren Strommasten sprengten, um auf die Diskriminierung der Südtiroler seitens der Regierung in Rom aufmerksam zu machen, in Bayern so viel Verständnis und Unterstützung?

Die "Bumser" wollten die Loslösung Südtirols von Italien erzwingen

Gesprengter Strommast

Die Widerstandsbewegung war ein Zusammenschluss von meist jungen Südtiroler Männern, die sich in den 50er und 60er Jahren gegen die Repressalien der italienischen Regierung auflehnten. Die Arbeitslosigkeit unter den deutschsprachigen Südtirolern war damals sehr hoch: Stellen im Staatsdienst wurden in der Regel mit Italienern besetzt, die mit staatlicher Förderung aus dem Süden des Landes immigrierten. Der "Befreiungsausschuss Südtirol", abgekürzt BAS, forderte die im Vertrag von 1946 zugestandenen autonomen Grundrechte ein. Und er versuchte, mit Bombenattentaten auf symbolträchtige Orte oder Strommasten eine Loslösung Südtirols von Italien zu erzwingen. Den Höhepunkt der Anschlagsserie, bei der streng darauf geachtet wurde, keine Menschenleben aufs Spiel zu setzen, bildete die so genannte "Feuernacht" vom 11. auf den 12. Juni 1961.

Musikalische Freundschaftspflege durch Wastl Fanderl

Bayerische Kinderstunde mit Wastl Fanderl

Durch die vielen Südtirolreisen und Veranstaltungen des Chiemgauer Volksmusikpflegers Wastl Fanderl entwickelte sich eine ganz besondere bayerisch-südtiroler Freundschaft. Fanderl hielt seine legendären Singwochen auf dem Ritten ab, sammelte in diesem abgelegenen, aber weiträumigen Hochplateau über Bozen in Klobenstein seine so genannten "Singwöchner und Singwöchnerinnen" um sich. Intuitiv hatte er diesen Ort gewählt, der für die meisten nur mittels der auf dem Bozner Waltherplatz startenden alten Zahnradbahn erreichbar war - selbst die alte Brennerstraße war damals noch nicht gebaut. So konnten sich die bayerischen Musikanten ganz auf den Lehrgang und die Musik konzentrieren.


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