BR Heimat


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Die BR-Volksmusikplattform wird zehn Von der Dating-Seite zum "Ur-Spotify für Volksmusik"

Vor zehn Jahren ist mit der BR-Volksmusikplattform ein digitaler Pionier der Volksmusikszene online gegangen. Von Fans wird sie bis heute eifrig genutzt, nicht nur zum Hören, sondern auch für die Veröffentlichung eigener Stücke. Und für manche wird die Plattform auch zum Sprungbrett ins klassische Radio.

Von: Michael Peer, Unternehmenskommunikation

Stand: 03.11.2020

BR Volksmusikplattform | Bild: BR

Wer hat's erfunden? Auch im Fall der BR-Volksmusikplattform lautet die Antwort: die Schweizer. Zumindest lieferten Sie das Software-Gerüst für die Plattform, die vor zehn Jahren, am 3. November 2010, an den Start gegangen ist.

Zur damaligen Zeit galt Volksmusik im Bayerischen Rundfunk eher als ein Nischenthema, erinnert sich Stefan Frühbeis, bis heute zuständiger Redakteur für die Plattform und seit 2015 Leiter der digitalen Volksmusikwelle "BR Heimat". Damals hatten sich diese Nischen zwar etwa im reichweitenstarken linearen Programm Bayern 1 (Sendung "Bayern 1 Volksmusik") etabliert, eine Ausweitung auf ein 24-Stunden-Programm wie BR Heimat lag damals aber noch in weiter Ferne.

Der Macher hinter der Volksmusikplattform: Stefan Frühbeis, im Hauptberuf Leiter von BR Heimat.

Freunde der Volksmusik waren mit diesem Umstand seinerzeit nicht wirklich glücklich, erinnert sich Frühbeis. Und so erreichten den damaligen Hörfunkdirektor Johannes Grotzky immer wieder Beschwerdebriefe, für die der Radio-Chef eine Lösung suchte.

Diese Lösung hatten eines Tages zwei Kollegen des Schweizer Radio DRS (heute SRF) im Gepäck, als sie ihre Volksmusikplattform Mx3 vorstellten, auf der Gruppen ihre Stücke selbst hochladen konnten. Technisch hatten die Schweizer sie auf einer Dating-Plattform aufgebaut. Auch in der bayerischen Variante spielt das "Kennenlernen" bis heute eine wichtige Rolle: sie bringt Volksmusikanten und Volksmusik-Interessenten auf einfache Weise zusammen.

Nach einem "weiß-blauen Umstrich" und einigen Anpassungen ist ein einzigartiges und bis heute lebendiges Biotop für die bayerische Volksmusikszene entstanden. Rund 1000 aktive Künstler haben sich auf der Plattform angemeldet und veröffentlichen eigene Stücke in Rubriken wie "Blasmusik", "Gesang" oder "Tradimix“. Die Zahl der passiven Nutzer, die nur zuhören wollen, liegt deutlich höher.

Die Bedienung mit Stil-Filtern ist bis heute ein schlagendes Argument für viele Nutzer. "Freunde der Blasmusik können in der Regel gern auf Tradimix verzichten – und umgekehrt", weiß Frühbeis. Sein Tipp: das Genre "Andere". "Da finden sich oft die interessantesten Sachen, zum Beispiel in Richtung Klezmer oder Jazz".

Bis heute eine "One Man Show"

Die Betreuung der Volksmusikplattform ist bis heute eine "One Man Show", aber eine, die großen Spaß macht, erzählt Frühbeis. "Ich schaue regelmäßig rein und mich freut, dass es auch nach zehn Jahren noch immer jede Woche Leute gibt, die neue Stücke hochladen." Jedes der Stücke wird von ihm geprüft, denn die Stücke müssten schon "irgendwie" mit Volksmusik zu tun haben. Die Aufnahmequalität sei dabei aber kein besonderes Kriterium. "Wir nehmen zum Beispiel auch hörbar in Wirtshaus-Atmosphäre aufgenommene Stücke, weil das Wirtshaus eben ein Ort ist, wo Volksmusik stattfindet", so Frühbeis. 

Volksmusikplattform | Bild: BR

Volksmusik nach Lust und Laune hören und vielleicht sogar selbst Stücke hochladen - das geht mit der BR Volksmusikplattform.

Auch für Nachwuchs-Musiker ist die Plattform ein idealer Ort, eigene Stücke der Öffentlichkeit vorzustellen und sich zu entwickeln. Sie ist gerade für Musikerinnen und Musiker interessant, die nicht oder noch nicht so professionell produzieren, noch kein Musiklabel haben und schon deshalb nicht im Radio gespielt werden könnten.

Von der Plattform ins Radio

In den letzten Jahren sind die hochgeladenen Stücke trotzdem immer professioneller geworden. Nicht zuletzt deshalb, weil es immer leichter und günstiger geworden ist, entsprechende Aufnahmetechnik einzusetzen. Damit bekommen Künstlerinnen und Künstler grundsätzlich die Chance, auch im Programm von BR Heimat gespielt zu werden. Auf der Plattform sind diese Stücke, die den Sprung geschafft haben, extra gekennzeichnet, quasi als exklusives Gütesiegel der Volksmusikplattform.

Und weil die Plattform treue Fans hat und auch nach zehn Jahren nichts an ihrer Attraktivität verloren hat, möchte Frühbeis das Erfolgsmodell trotz BR Heimat und externen Musikanbietern unverändert weiterführen. "Die Plattform tut was sie soll, sie ist optisch attraktiv, leicht zu bedienen, man muss sich nicht registrieren, wenn man eine bestimmte Form von Volkmusik sucht, die man woanders nicht findet. Und man kann sich eigene Playlisten anlegen und so sein eigenes Programm zusammenstellen – quasi ein Ur-Spotify für bayerische Volksmusik. Das gibt es so kein zweites Mal."

"Die BR-eigene User-Generated-Content-Plattform, das ist die höchste Kunst in Social Media. Mit allen Herausforderungen bis hin zum Rechtemanagement bei den Uploads. Wir konnten es uns ja nicht leisten – wie es damals Konkurrent YouTube dreist tat – dass haufenweise Raubkopien publiziert werden würden. Da gab es viele Bedenken zu klären und die Plattform klug z.B. mit Abfragen beim Upload zu steuern. Zum Glück kann man fast nicht besser 'social' in der Szene vernetzt sein, als die Volksmusik-Redaktion – vor allem auch im Real Life. Das ist noch besser als jeder Algorithmus."

Stefan Primbs, Social-Media-Beauftragter des Bayerischen Rundfunks und einer der 'Geburtshelfer' der Volksmusikplattform

"Der Kick für diese Plattform kam letztlich von unserem multimedialen Jugendangebot on3, dem Vorläufer von Puls. Wir haben sehr intensiv mit dem Jugendprogramm der SRG zusammengearbeitet, die uns mit dem Plattformbetreiber zusammengeführt haben. Wir haben schnell gemerkt: Für die sehr internetaffine Volksmusik-Szene ist das eine tolle Sache. Ein solches Projekt braucht aber zwingend einen offenen, kreativen, neugierigen, pragmatischen, gelassenen, kommunikativen, zuverlässigen und in der Volksmusikszene weithin bekannten und geschätzten Programmkollegen. Bei dem genügte ein Anruf…"

Rainer Tief, Leiter der Hauptabteilung Archive, Dokumentation, Recherche; damals Mitentwickler der Plattform


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