Wunder über Wunder Mirakelbücher und Wachsvotive
Zu jeder anständigen Wallfahrtskirche gehörten Wunder und Heilungen. Daher wurden in "Mirakelbüchern" detailliert die wunderbaren Folgen von Gebeten und Gaben aufzeichnet - als Belege für die Wirkungsmacht der angerufenen Heiligen.

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Hier lagen sie, die Beweise für die Kraft der himmlischen Mächte: Schwarz auf Weiß verzeichneten die Pfarrer von Wallfahrtskirchen in den „Mirakelbüchern“ jene Wunder, die auf Gebete und Opfergaben folgten.
"Ein Mirakelbuch ist eine Ansammlung von aufgeschriebenen Gut-Taten. Es sind die Wunder der damaligen Zeit. Man hat ein Verlöbnis gemacht und hat gesagt, wenn man dann diese Gnade erhält, dann geht man in die Kirche, wo man sich verlobt hat und bringt ein Opfer dar und lässt es auch aufschreiben."
(Hans Hipp, Buchautor und Sammler alter Wachsvotive)
Das „wächserne Händl“ brachte Schmerzlinderung
„Ursula Kneislin von Niederscheyern hatte so große Schmerzen am Finger, dass jedermann vermeint, sie müsse gar um ihn kommen. In dieser großen Not verlobt sie sich Maria mit einem wächsernen Händl und hat auch völlige Besserung erlangt.“
So heißt es in einem der Scheyerner Mirakelbücher, die heute im Archiv des Klosters liegen.
Das „wächserne Händl“, eine kleine Hand aus Wachs, besorgte sich Ursula Kneislin wohl aus dem nur sechs Kilometer entfernten Pfaffenhofen, wo es solche Stücke in der Wachszieherei Hipp noch bis in die 1970er Jahre zu kaufen gab.
"Alle Kerzen, alle Votivgaben, alle Wachsstöckl, alles wurde damals nach Gewicht verkauft, weil Wachs war so teuer - also das Zehnfache teurer als Fleisch!"
(Hans Hipp)
Ein fast vergessenes Stück Kulturgeschichte
Hans Hipp hat das Handwerk seiner Vorfahren in der Jugend noch selbst erlernt. Heute ist er profunder Kenner und Sammler der alten Wachsvotive wie auch der Model, in denen sie gegossen wurden. Mit seinem Buch „Wachs zwischen Himmel und Erde“ hat er ein fast vergessenes Stück Kulturgeschichte erschlossen. In der Sendung berichtet er von alten Texten und von der Herstellung und Verbreitung dieser „Kultfiguren“, anrührenden Zeugnissen früherer Nöte, aber auch des Glaubens an Gott.
Buchtipp: Wachs zwischen Himmel und Erde
- Autor: Hans Hipp
- Herausgeber: Hirmer; 1. Edition (1. Oktober 2020)
- Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
- ISBN-10: 3777436720
- ISBN-13: 978-3777436722
Sie sind Zeugnisse tiefster Not oder Dankbarkeit, kunstvoll gestaltet und von vergänglicher Schönheit: Aus Wachs gearbeitete Opfergaben stellen rare Schätze dar, wie man sie heute kaum mehr sieht. Hans Hipp, der dieses Handwerk selbst in einem traditionsreichen Lebzelter- und Wachszieherhaus erlernte, spürt in diesem Band den wächsernen Kultfiguren nach.
Das Darbringen kunstvoll gefertigter Votivgaben in Wallfahrtskirchen, tief im Christentum verankert, erfuhr im Barock einen Höhepunkt. Mittels hölzerner Formen, der Model, entstanden oft hauchdünn gegossene Wachsobjekte, die Tiere, Menschen oder Körperteile darstellten, um den Bitten der Votanten sowie ihrem Dank für gewährte himmlische Unterstützung bildlich Ausdruck zu verleihen.
Anhand kirchlicher Aufzeichnungen in Mirakelbüchern der Wallfahrtstätte Niederscheyern erschließt Hans Hipp ein beinahe vergessenes Kapitel der Kulturgeschichte und beeindruckt mit der Reproduktion einmaliger Exponate.