Bayern 2

     

6

Bayern genießen Wünsche(n) - Bayern genießen im Dezember

Der Advent, das Wähnen, also das Herbeisehnen, die Liebesgöttin Venus aber auch der Wahn oder unsere Wörtchen wann, wenn - alles hängt mit dem Wünschen zusammen und dem erfüllten Wunsch, dem Wunder.

Von: Gerald Huber

Stand: 30.11.2022 | Archiv

Hier unsere Genuss-Themen aus den bayerischen Regionen rund ums Motto "Wünsche(n)"

Oberbayern: Wunschzettel und Lebenswünsche. Eine Wanderung im Eichstätter Figurenfeld von Alois Wünsche-Mitterecker. Von Daniela Olivares
Niederbayern: Verwünschungen. Mit dem Sagenforscher Sepp Probst aus Regen an verwunschenen Orten. Von Birgit Fürst
Oberpfalz: Alles nach Wunsch. Der Wünschelrutenlehrpfad in Neunburg vorm Wald. Von Angelika Schüdel
Oberfranken: Wo das Wünschen noch hilft. Der Wünschebaum im oberfränkischen Coburg. Von Anja Bischof
Mittelfranken: Erfüllte Wünsche. Die Wunschringlein am Schönen Brunnen in Nürnberg. Von Tania Palamkote-Schneider
Unterfranken: Wie gewünscht. Heinerle, das Wunsch-Weihnachtskonfekt aus Würzburg. Von Wolfram Hanke
Schwaben: Kinderwünsche. Die Bruderschaft vom Heiligen Nikolaus in Missen-Wilhams im Allgäu. Von Doris Bimmer

Wo das Wünschen noch hilft. Der Wünschebaum im oberfränkischen Coburg

Der Coburger Wunschbaum

In den alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat heißt es bei den Brüdern Grimm. Nun, die Grimms waren Kinder der Aufklärung und entsprechend skeptisch. Im Mittelalter war es noch sonnenklar, dass man Gott und sein Schicksal nur inniglich bitten muss, um erhört zu werden. Erst mit dem Beginn der sogenannten Aufklärung in der frühen Neuzeit und dann vor allem zur Zeit der Brüder Grimm vor rund 200 Jahren, argwöhnt man allmählich, dass das, was man jahrtausendelang als sicher angenommen, vielleicht doch nicht sicher ist, dass das Wünschen vielleicht doch nicht immer hilft. Und plötzlich galt das Wähnen, das innigliche Herbeisehnen und das Erwähnen, also das Formulieren eines Wunsches indem man ihn bei Namen nennt, der Wahn als etwas Negatives und wahnhaft als krank. Womit schließlich auch der Wahnsinnige auf einmal krank war und behandelt werden musste. Noch im Mittelalter, wie all die Zeiten zuvor hatten die Wahnhaften als Glückskinder gegolten. Von Gott geliebt, auserwählt, weil sie die göttliche Wahrheit verkünden - wie die Kinder und alle Narren. Und als solche kommen sie eben auch im Märchen vor und sind mit ihrem Wähnen durchaus erfolgreich. Aber die Brüder Grimm haben eben nicht mehr dran geglaubt. Sie haben einen Argwohn gehegt. Auch das argwöhnen, also das schlecht vermuten hängt mit dem Wähnen zusammen und liegt damit gleichfalls nah am Wahn. Wer hat recht - das wahnsinnige Glückskind des Mittelalters oder der argwöhnische vermeintliche Vernunftmensch von heute? Ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht so recht sicher. Und offenbar viele meiner Mitmenschen auch nicht. Tief im Herzen hegen viele, vielleicht sogar wir alle in uns die Idee, dass das Wünschen eben doch hilft. Ist nicht das positive thinking aus den modernen Motivationsseminaren genau dasselbe? Wie sonst kämen wir auf die Idee, unsere Wünsche aufzuschreiben und an einen Baum zu hängen? In Coburg beispielsweise kommen an den Baum durchaus konkrete, von den Mitmenschen sofort erfüllbare Wünsche. Aber natürlich gibt’s auch Wünsche, von denen man weiß, dass sie momentan noch nicht erfüllbar sein werden. Entweder, weil ihre Zeit noch nicht gekommen ist, oder weil die Macht der Menschen noch nicht dazu ausreicht. Im niederbayerischen Ering gibt’s dafür einen Wunschbaum.

Alles nach Wunsch: Der Wünschelrutenlehrpfad in Neunburg vorm Wald

Rutenmeister Karl Dietl auf dem Wünschelrutenlehrpfad in Neunburg vorm Wald

Die Brüder Grimm waren bekanntlich nicht bloß Märchensammler, sondern auch die Sprachpäpste, die den Bedeutungen der deutschen Wörter auf den Grund gegangen sind. Sie haben durchaus gewusst, dass der Wunsch eine indoeuropäische Wurzel hat: uen-, was soviel bedeutet wie streben, begehren, lieben. Und was erstrebt, begehrt, liebt, wünscht der Mensch? Selbstverständlich das, was er als angenehm empfindet. Vom Argwöhnen hab ich ja schon erzählt. Aber natürlich gehören auch das Verwöhnen und das Wohnen in die uen-Familie. Mit dieser uen-Familie verwandt wiederum ist die Wurzel uel- wie in englisch well=gut, im Wohl oder im Wollen. Man will halt nur dort wohnen, wo man sich wohl fühlt. Nun, bekanntlich ist das Leben nicht immer, ja tatsächlich, eine Wonne. Manche fühlen sich unwohl, da, wo sie wohnen, sie argwöhnen Schlimmes und wünschen sich Aufklärung. Den richtigen Platz zu finden für Wohnhäuser, für Häuser, in denen die Götter wohnen sollen, war in alten Zeiten Sache der Priester. Und dafür haben sie Hilfsmittel benutzt. Astronomisch-astrologische Instrumente zum Beispiel aber auch geomantische. Wie etwa die Wünschelrute. Und auch die ist trotz unserer so aufgeklärten Zeiten noch nicht ausgestorben. Auf dem Rutenpfad in Neunburg vorm Wald können sie das Wünschelrutengehen lernen: Schnupperkurs, Aufbau- und Meisterkurse. Aber auch woanders, zum Beispiel in Beilngries, Bad Heilbrunn oder Bernau am Chiemsee gibt’s solche Lehrpfade.

Verwünschungen. An verwunschenen Orten um Grafenau im Bayererischen Wald

Kapelle am Singenden Stein

Wenn das Wünschen vielleicht wirklich hilft, hilft dann auch das Verwünschen? Viele überall auf der Welt glauben dran. Der Heimatforscher Sepp Probst aus Regen im Bayerischen Wald hat sich über alles rund ums Wünschen schon viele Gedanken gemacht. In vielen Mythen, Sagen und Legenden des Bayerischen Waldes geht es um verwunschene Orte und Gestalten oder um Wünsche, die in Erfüllung gehen - oder auch nicht. Diese Geschichten und mystischen Plätze sind die Leidenschaft des 47jährigen Familienvaters. Sepp Probst hält Vorträge drüber und führt an Wanderungen zu verwunschenen Plätzen.

Lebenswünsche: Eine Wanderung im Eichstätter Figurenfeld

Eichstätter Figurenfeld

Die uralte Wortwurzel uen- hat ganz erstaunliche Begriffe hervorgebracht: Neben dem Wahn und der Wonne auch den Wein, den Wonnebringer, lateinisch vinum. Altnordisch vin heißt die grüne Weide. Als der Wikinger Leif Eriksson um das Jahr 1000 herum nach Amerika kam, hat er es Vinland genannt. Die dortigen Wiesen und Weiden, französisch prairie sind die Wonne des Viehs. Der Ochs mags Gras, i mogs net. Ein alter Spruch, der zeigt, dass das, was der eine sich wünscht, beim andern durchaus auf Ablehnung stoßen kann. Was sich der eine wünscht, ist dem andern unangenehm - darüber entstehen Streit und Krieg. Und der Sieger fühlt sich, ja tatsächlich, als Gewinner. Hängt auch mit dem Wunsch zusammen. Für den Gewinner geht der Wunsch Erfüllung. Dagegen steht allerdings die Erfahrung, dass kein Krieg wirklich einen Gewinner kennt. Krieg, Streit, Gefahr sind Urerfahrungen des Menschen, die sich auch im Märchen spiegeln. Viele Märchenfiguren kommen anders aus einer Geschichte heraus als sie hineingegangen sind. Alois Wünsche-Mitterecker ist in den Krieg als überzeugter SS-Mann gezogen - und als noch überzeugterer Pazifist herausgekommen. Und er hat seine Erfahrungen und seinen Wandel in einem wunderbaren und erwanderbaren Figurenfeld bei Eichstätt verarbeitet. Vielen seinesgleichen hat man den Wandel nicht abgenommen. Man konnte und wollte ihnen nicht verzeihen. Dabei sagts schon die Urerfahrung des Märchens: Jeder hat eine zweite Chance verdient und kann aus einer Verwünschung erlöst werden. Meistens brauchts dazu nicht einmal eine Fee.

Kinderwünsche. Die Bruderschaft vom Heiligen Nikolaus im Allgäu

Nikolaus aus Offenburg auf dem Nikolaustreffen im Oberallgäu. Strahlende Augen und Gesichter von Groß und Klein.

Mama, was wünschst Du Dir zu Weihnachten? Dass d brav bist! Es war eine eher unerwünschte Antwort, die ich in meiner Kindheit manchmal gekriegt hab, weil ich schon gewusst hab, dass es mir wahrscheinlich nicht immer gelingen wird den Wunsch meiner Mutter zu erfüllen. Trotzdem ist natürlich am Schluss alles gut geworden. Weil Kinder das Plus haben, dass ihnen im Gegensatz zu Erwachsenen immer verziehen wird. Auch wenn das Tadeln kleiner Verfehlungen natürlich zur Erziehung gehört. Insofern ist der legendäre Kinderfreund St. Nikolaus die ideale Erziehungsfigur. Schon seit dem Mittelalter tritt der Heilige auf, tadelt, lobt aber auch - und am Ende wird eh alles gut, da gibt’s Geschenke. Das alljährliche Nikolaus-Treffen der Nikolaus-Bruderschaft in Missen-Wilhams ist zwar schon vorbei, der Nikolaus aber kommt erst noch - und nicht nur im Allgäu!

Wie gewünscht. Heinerle, das Wunsch-Weihnachtskonfekt aus Mainfranken

Heinerle von Bäckermeister Rainer Klüpfel aus Herschfeld

Gut, wir wissen, dass der Nikolaus höchst selten in eigener heiliger Person an die Tür klopft. Oft genug muss ihn auch der Onkel oder der Nachbar vertreten. So ist es überhaupt mit dem Wünschen und ihrer Erfüllung. Manchmal kommt die gute Fee und es geschieht ein Wunder. Das Wunder, also der erfüllte Wunsch, geht übrigens ebenfalls auf die Wortwurzel uen-, uel- zurück, genauso wie das Wünschen, die Wonne, das Wohl, das Wollen oder unsere Wörtchen wann und wenn. Es fragt sich eben wann sich ein Wunder ereignet, wenn wir uns etwas wünschen, das von Bedingungen abhängt, die wir nicht selbst herstellen können. Wobei sich letztlich herausstellt, dass wir Menschen ganz schön viel Wunder zusammenbringen wenn wir nur wollen. Sei es zum Wohl der Menschheit oder zu unserem eigenen. Plätzl beispielsweis muss man halt selber backen, wenn man welche haben will. Nur wenn man sie sich ganz fest wünscht, kriegt man vielleicht welche geschenkt. Wobei auch hier gilt: Unsere Wünsche sind nicht alle gleich und schon gar nicht dieselben. Für mich beispielsweis ist kein Weihnachten ohne Vanillekipferl nach einem ganz bestimmten Rezept. In Unterfranken schaut die Sach schon ganz anders aus. Da geht’s für viele nicht ohne Heinerle.

Erfüllte Wünsche. Die Wunschringlein am Schönen Brunnen in Nürnberg

Der Messingring am Schönen Brunnen auf dem Hauptmarkt in Nürnberg soll der Sage nach Glück bringen

In alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat - so beginnt das Märchen Der Froschkönig. Zauberhafte Zeiten müssen das gewesen sein. Und es kommt nicht von ungefähr, dass in dem Märchen ein Brunnen eine ganz zentrale Rolle spielt. Ein uraltes Symbol für Verheißung und Erfüllung, für die Tiefe der Erde, aus denen die erwünschten Schätze erwachsen, als Symbol für Liebe und Verlangen. Saubere Brunnen gehören zum kostbarsten, was der Mensch kennt - wir machen uns das bloß nicht mehr so bewusst. Noch bis ins 19. Jahrhundert waren saubere Brunnen in unseren Städten keine Selbstverständlichkeit. Noch wenige Jahrhunderte zuvor konnten nur wenige besonders reiche Städte wie Augsburg oder Nürnberg eine eigene Fernwasserversorgung aufbauen. Sauberes Wasser und damit Gesundheit sind Wünsche, die wir alle teilen. Deswegen hat man die Endpunkte der Wasserversorgung oft so aufwendig geschmückt, wie etwa den Schönen Brunnen in Nürnberg, dort wo derzeit der berühmte Christkindlesmarkt stattfindet. Dass dort auch alle anderen Wünsche in Erfüllung gehen müssen, versteht sich dann ja fast schon von selbst. Am Schönen Brunnen gibt’s nämlich einen Wunschring.

Zum Schluss

Das Wollen und der Wunsch sind das Eine, das Wunder, das Wohl, also die Erfüllung, das andere. Wünsche können wir selbst und sofort erfüllen, wenn wir wollen. Und wenn wir das für andere tun, vielleicht sogar überraschend, dann mag es denen immer noch wie ein Wunder vorkommen. Jetzt am Ende des Jahres gibt es reichlich Gelegenheit dazu. Die Erfüllung manch anderer Wünsche und jeder weiß, welche damit gemeint sein können, steht nicht unmittelbar in unserer Macht. Sie warten darauf, dass ihre Zeit kommt. Da erfüllte sich die Zeit, da sie gebären sollte - heißt es nicht umsonst an zentraler Stelle im Weihnachtsevangelium. Die Zeit, die sich erfüllt, war schon in der Antike ein geflügeltes Wort. Denn das wusste man: Irgendwann kommt sie immer, für alles und alle: Die Fülle der Zeit. Die Erfüllung aller Wünsche. Das Wunder.


6