Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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24. Dezember 1705 Sendlinger Mordweihnacht

Bayerische Bauern gegen österreichische Kavallerie. Das ist wie David gegen Goliath. Dazu kommt ein Held - der Schmied von Kochel. Und ein besonderes Datum: Der Weihnachtsabend 1705.

Stand: 24.12.2013 | Archiv

24 Dezember

Dienstag, 24. Dezember 2013

Autor(in): Birgit Magiera

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Julia Zöller

Ganz nüchtern betrachtet ist die Geschichte von der Sendlinger Mordweihnacht schnell erzählt: Der Winter 1705 ist in Bayern besonders hart. Nach einem verlorenen Krieg gegen das habsburgische Österreich ist das Land verwüstet und besetzt.

Vor allem die Bauern leiden unter unerträglich hohen Steuern, sie müssen zusehen, wie feindliche Soldaten die Vorräte plündern, das Vieh schlachten, und wie die Söhne zum Dienst in der österreichischen Armee gezwungen werden.
Es kommt zum Aufstand gegen die Besatzer. Der scheitert in der Weihnachtsnacht 1705 vor den Toren Münchens, in dem Dorf Sendling. Es gibt über tausend Tote, nur wenige Aufständische überleben. 

Ein bayerisches Nationaldrama

Damit könnte man den 24. Dezember 1705 als grausame kleine Fußnote der bayerischen Geschichte abtun. Tragisch, aber militärisch unrühmlich, und für den weiteren Gang der Welt eher unbedeutend. Stattdessen wird dieser Bauernaufstand gegen die österreichische Besatzung zum Symbol für alpenländischen Revolutionsgeist und patriotischen Kampfesmut: Die Sendlinger Mordweihnacht - ein bayerisches Nationaldrama.

Die Ereignisse jener Nacht erfüllen die uralte Regel für jedes Drama: die Einheit von Zeit, Ort und Handlung. Auch in anderen Gegenden Bayerns wurde gegen die Besatzer gekämpft, oft militärisch erfolgreicher, mit sehr viel mehr Aufständischen. Die Kämpfe zogen sich über Wochen hin und flammten an verschiedenen Orten auf. Trotzdem spricht über diese Revolten heute niemand mehr. Der Aufstand der Bauern aus dem Alpenvorland dagegen konzentrierte sich auf München, und dauerte nur wenige Tage - damit wird die Geschichte greifbar.

Noch dazu spielt sie am Weihnachtsabend, das steigert in der Rückschau die Dramatik: rotes Blut im weißen Schnee - ein grausames Gemetzel am friedvollen Christfest. Die feindliche Kavallerie richtet ein Blutbad unter den Kämpfern an, obwohl die sich eigentlich schon ergeben hatten. Die Österreicher schießen und stechen auf jeden, der sich noch bewegt.

Dass die Ereignisse später so romantisch-patriotischen verklärt wurden, liegt außerdem an den Aufständischen selbst: Sie alle waren Bauern und Handwerker aus dem Alpenvorland und damit Bilderbuch-Bayern. Später haben Künstler die Sensen- und Knüppel-schwingenden Kämpfer gern folkloristisch mit Lederhose und Trachten-Stopselhut ausgestattet: perfekte Patrioten aus dem Volk, bayerisch-bodenständiger David gegen habsburgisch-kaiserlichen Goliath.                            

Natürlich mit einem Helden

Zu guter Letzt braucht jedes Drama einen alles überstrahlenden Helden:
Hier war es der Schmied von Kochel. Auf Gemälden sieht man ihn als gut gebauten Hünen mit grauem Bart und nackter Brust, er stemmt mit reiner Muskelkraft ein Münchner Stadttor auf, er hält auf dem Schlachtfeld als Letzter die bayerische Flagge hoch. Unbezwingbar, bis ihn der Feind feige von hinten erschießt, passend zur Parole des Aufstandes: "Lieber bairisch sterben, als kaiserlich verderben" Diesem aufrechten ur-bayerischen Helden wurden später Denkmäler errichtet. Dass es den Schmied von Kochel so wahrscheinlich nie gegeben hat, dass er mehr Sagengestalt als reale Person war, spielt für die patriotische Botschaft der Sendlinger Mordweihnacht keine Rolle: wie gesagt - jedes gute Drama braucht seinen Helden.


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