Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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17. September 1737 Gründung der Universität Göttingen

Am 17. September 1737 wurde die Universität Göttingen gegründet, ausdrücklich mit der feierlichen Garantie, dass die Hochschule auf ewige Zeiten die unbeschränkte Freiheit der Lehre garantiere. Doch die Geschichte mag keine Ewigkeit, und 100 Jahre später kommt es zur ersten Feuerprobe.

Stand: 17.09.2014 | Archiv

17 September

Mittwoch, 17. September 2014

Autor(in): Susanne Tölke

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Ein Student von heute kann nur leise seufzen, wenn er hört, was sich am
17. September 1737 bei der Gründung der Universität Göttingen zugetragen hat: Ganze 147 Studenten und mit ihnen 16 Professoren - man denke, nicht einmal zehn Studenten kommen auf einen Lehrer! - 147 Studenten also lauschen der feierlichen Verlesung der Gründungsurkunde: "An dieser Hochschule sollen für ewige Zeiten die Professoren unbeschränkte Freiheit haben zu lehren."

Solch eine Garantie war damals einmalig und zog alsbald die besten Köpfe an. Göttingen entwickelte sich zur angesehensten Universität Deutschlands, freilich auch zu einem Ort, an dem sich die Studenten Gedanken darüber machen konnten, ob es zwischen dem Intelligenzgrad eines Professors und seinem moralischen Rückgrat irgendeinen Zusammenhang gibt. Eine besonders brisante Gelegenheit ergab sich 1837, als der neue hannoversche König Ernst August gleich nach seiner Thronbesteigung die Ständeversammlung auflöste und die Verfassung für ungültig erklärte, weil sie - so seine königliche Begründung,
"in ihrer allzu großen Liberalität keine hinreichende Gewähr für das Glück meiner getreuen Untertanen bietet."

Sieben auf einen Streich

Mit anderen Worten: Der absolutistische Fürst wollte den Landeskindern das Mitspracherecht verweigern. Gespannt blickten nun die Studenten auf ihre Professoren, die ja immerhin auf die alte liberale Verfassung ihren Beamteneid abgelegt hatten. Und immerhin - sieben von 42, die berühmten Göttinger Sieben, trauten sich, den Mund aufzumachen, obwohl es sie den Lehrstuhl kosten konnte.

"Das Gelingen unserer Tätigkeit", so heißt es in ihrem Protestschreiben, "beruht ja nicht nur auf dem wissenschaftlichen Wert unserer Lehre, sondern auch auf unserer persönlichen Unbescholtenheit. Sobald wir vor der studierenden Jugend als Männer erscheinen, die mit ihrem Eid ein leichtfertiges Spiel treiben, eben sobald ist der Segen unserer Wirksamkeit dahin!"

Nicht nur Segen, sondern Job dahin

Natürlich wurden die Herren umgehend entlassen und zwar mit der Gewissheit, dass der König nichts unversucht lassen werde, um ihre Berufung an eine andere deutsche Universität zu hintertreiben. Dass keiner von den 35 Kollegen seine Stellung riskieren wollte, beschrieben die Brüder Grimm, die zu den sieben Aufrechten gehörten, mit einem poetischen Bild: "Die Welt ist voll von Männern, die das Richtige lehren, aber wenn sie handeln sollen, dann entblättert sich ihr Charakter wie der Herbstbaum nach dem Nachtfrost: Es bleiben nur nackte Äste zurück." Dass übrigens unter den Göttinger Sieben kein einziger Theologe war, hielt Jacob Grimm denn doch "für eine psychologische Merkwürdigkeit".

Sie wiederholte sich übrigens, denn bei der zweiten großen Bewährungsprobe der Universität, als die neue nationalsozialistische Regierung im April 1933 die jüdischen Hochschullehrer zu relegieren begann, da erhob sich auch kein Theologe dagegen. Die Bilanz fiel überhaupt noch viel schlechter aus als im Jahr 1837: Diesmal war es - bei einem Lehrkörper von über 100 Professoren - nur ein einziger, der es wagte, zu protestieren, und der um seine Entlassung als ordentlicher Professor bat: der Physiker James Franck.

Franck wartete vergeblich darauf, dass noch einer den Mut hätte, ihn öffentlich zu unterstützen. Im Gegenteil: Vierzig Professoren unterschrieben ein Memorandum, in dem Francks Rücktritt als ein Sabotageakt gegen die ruhmreiche nationalsozialistische Politik bezeichnet wurde. Die berühmte Universität Göttingen hat sich also im Dritten Reich nicht mit Ruhm bekleckert. Das führt dann wieder zu der eingangs gestellten Frage zurück: Welcher Zusammenhang besteht denn nun zwischen der Intelligenz und dem moralischen Rückgrat? Vielleicht gar keiner?


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