Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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6. Januar 1658 Pfälzischer Kurfürst heiratet aus Liebe

An Luxus hat es nicht gefehlt, aber in der Liebe hatte es der Adel schwer. Immer diese Zwangsehen! Außer man kannte die Tricks. Karl I. Ludwig, pfälzischer Kurfürst, heiratete am 6. Januar 1658 seine große Liebe. Zur "linken Hand".

Stand: 06.01.2015 | Archiv

06 Januar

Dienstag, 06. Januar 2015

Autor(in): Birgit Magiera

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Julia Zöller

Am 6. Januar 1658 heiratete Karl I. Ludwig, Kurfürst und Pfalzgraf bei Rhein, die hübsche junge Marie Luise Freiin von Degenfeld. Sie liebten sich sehr und bekamen 13 Kinder. Damit wäre normalerweise das Wesentliche erzählt. Wenn nicht der Pfalzgraf schon eine Ehefrau gehabt hätte - Charlotte, Prinzessin von Hessen-Kassel.

Appetit auf die Hofdame

Also nochmal von vorn: Da gibt es den Pfalzgrafen bei Rhein, Karl I. Ludwig.
Den Gemälden nach ein gutaussehender Mann. Ein Kontroll-Freak soll er gewesen sein, der sich in alles einmischte, aufbrausend und starrsinnig. Es ist die Zeit nach dem 30jährigen Krieg, und Karl Ludwig steckt all seine Energie in den Wiederaufbau seines verwüsteten Landes, der Kurpfalz. Standesgemäß heiratet er in Kassel die dortige Prinzessin Charlotte. Eine politische Entscheidung der Eltern, wie damals üblich. Erlaubt waren nur Bräute von dunkelblauem Blute,
man blieb unter sich in Europas Herrscherhäusern.

Karl Ludwig und Charlotte also. Zunächst. War er ein Sturkopf, stand sie ihm in nichts nach: ungehorsam, launisch und widerspenstig soll sie gewesen sein, zumindest eine Frau von starkem Willen. Bereits nach drei Jahren war die Ehe zerrüttet, das Ehebett kalt.

Auftritt der Nebenbuhlerin: Marie Luise von Degenfeld dient Charlotte als Hofdame. Der Ehemann,  Kurfürst Karl Ludwig, bekommt Appetit auf die deutlich jüngere, schüchterne Marie. Er verliebt sich in sie und macht sie zu seiner Mätresse, auch das üblich an den Herrscherhöfen, und oft genug zähneknirschend geduldet von Madame Nummer eins. Nicht so Charlotte.

Folgende Szene ist von Zeugen verbürgt und niedergeschrieben wie ein Theaterstück: Vorhang auf, wir befinden uns in Maries Gemächern. Kurfürstin Charlotte durchwühlt die Kommoden ihrer Hofdame und findet Liebesbriefe und Schmuckgeschenke ihres eigenen Ehemannes. Außer sich vor Zorn ruft sie als Zeuginnen für den Verrat die zwei Schwägerinnen herbei. Marie wiederum, völlig verängstig, schickt nach ihrem Liebhaber, dem Kurfürsten. Der wirft sich männlich dazwischen, als die rasende Ehefrau auf die Konkurrentin losgeht. Wütend hält Charlotte die Schmuckstücke den Anwesenden unter die Nase und schreit etwas von Huren-Lohn. Als Karl sie auffordert Marie die Kostbarkeiten zurückzugeben, schleudert die Betrogene die Juwelen quer durchs Zimmer.

Abgang der Ehefrau. Aber noch nicht ganz. Karl lässt sich zwar wenig später von ihr scheiden. Als überzeugter Protestant ist er - wie praktisch - oberster Kirchenherr in seinem Fürstentum und kann kirchenrechtlich seine eigene Ehe auflösen, wenn Noch-Ehefrau Charlotte zustimmt. Doch das tut sie nicht.
Im Gegenteil, sie bleibt sogar noch jahrelang wohnen, in einem Seitenflügel des Schlosses, immer hoffend die Konkurrentin zu überdauern.

Eheliche Grauzone

Aber wozu ist der Kurfürst Mann und Herrscher?! Karl I Ludwig erklärt die Ehe mit Charlotte einseitig für  beendet und heiratet Marie. Einzig der Standesunterschied ist noch ein kleines Problem: Marie ist aus niederem Adel. Somit bleibt nur die Eheschließung zur "linken Hand", eine sogenannte morganatische Ehe. Das bedeutet, Marie wird nicht Kurfürstin und die gemeinsamen Kinder sind von der Thronfolge ausgeschlossen. Damit das blaublütige Gefälle innerhalb der Familie nicht ganz so steil ist, erhebt Karl Marie, die Tochter eines einfachen Freiherrn,
zur Raugräfin zu Pfalz.

Für die Nachwelt sind die bigamistischen Umtriebe des Kurfürsten von unschätzbarem Wert: denn mit beiden Ehefrauen zeugte er Töchter und zwei dieser Halbschwestern pflegten ein Leben lang einen sehr intensiven freundschaftlichen Briefwechsel. - heute für Historiker das wichtigste noch erhaltene Zeugnis höfischer barocker Alltagskultur.


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