Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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4. Juli 1950 Gottfried Benn darf keine Rosen mehr bedichten

Die Bedeutung der einstigen Königin der Blumen hat sich wohl etwas verschliffen. Sind Frauen noch zu beeindrucken mit einem langstieligen Exemplar? Braucht es einen ganzen Strauß? Oder gar keine mehr? Dichter Gottfried Benn bekam jedenfalls von seiner Gattin dereint Rosenverbot.

Stand: 04.07.2014 | Archiv

04 Juli

Freitag, 04. Juli 2014

Autor(in): Astrid Mayerle

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Die "Allgemeine Deutsche Rosenreinheitenprüfung" verleiht alljährlich neue Prädikate für Zuchtrosen. Natürlich, es gibt Qualitätsstandards. Robust sollte sie sein, die Edelrose und frostsicher. Handfeste Kriterien und Empfehlungen gibt es dann zu Zucht und Pflege. Allerdings findet man eben solche Handreichungen nicht für die Betitelung der edlen Gewächse. Denn viele der verliehenen Namen erscheinen doch etwas rätselhaft.

Sebastian Kneipp trifft Sexy Rexy

Häufig sind die - manchmal mehr oder weniger duftintensiven - Neuzüchtungen nach bekannten männlichen Persönlichkeiten benannt: Konrad Adenauer, Prince Charles, Christopher Kolumbus und ja, auch das: Shogun - eine Abkürzung für "Unterwerfer der Barbaren und großer General". Die weiblichen Namen werden meist etwas bescheidener gewählt: wie Ännchen von Tharau oder Pippi Langstrumpf. Manchmal ergibt die Benennung einen End- oder Stabreim wie bei Mercie Cherie, Sexy Rexy und Lady Like.

Aber: Was nur muss eine Rose auszeichnen, damit sie den Namen des Wasserwellnessexperten Sebastian Kneipp verdient - besondere Winterhärte? Oder welche Eigenschaften mag wohl jenes Gewächs charakterisieren, das nach Napoleons Ehefrau, Josephine de Beauharnais, benannt ist, die ihren Gatten dazu bewog, die Sklaverei in den Kolonien wiedereinzuführen? - Möglicherweise besonders spitze Dornen? Der Namenspatron der orange-gelben "Adolf Horstmann", die im botanischen Garten zu Augsburg des Sommers erblüht, war übrigens der Chef der Großgärtnerei Horstmann & Co. So so.

Frauen gegen Rosen

Die Gedanken stürzen ins Grundsätzliche: eignet sich die in der griechischen Antike noch als "Königin der Blumen" verehrte Prachtblüte überhaupt noch als Bekenntnismetapher für Liebespaare? Wer möchte schon eine einzelne "Sebastian Kneipp" oder einen Strauß "Prinz Charles“ verehrt bekommen?
Und kann man übrhaupt noch Rosen schenken oder sie gar bedichten, wie es etwa der Lyriker Gottfried Benn besonders häufig getan hat?

Er beschrieb nicht nur ihr Knospen und Verblühen, sondern vollzog auch verschiedene Ortswechsel mit ihr - vom Garten in die Wohnung, in die Vase. Wenn er über einen Liebesabschied berichtete, entblätterte er dafür schon mal eine Rose. So manche Frau soll wegen des häufigen Gebrauchs der Liebesmetapher bei Benn Zweifel ob der Bedeutungstiefe bekommen haben. Jedenfalls wurde dem Dichter ein Rosenverbot auferlegt: Am 4. Juli 1950 schrieb er an einen Freund: "Die Rosen, ja die Rosen! Meine Frau hat mir verboten, noch in einem Gedicht das Wort Rosen zu verwenden - schade, es ist so ein schönes Wort."

Anbei: bislang wurde noch keiner Zuchtrose der Name Gottfried Benn verliehen.


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