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Totentänze in Bayern "Der Köcher ist noch voll, der Pfeile mangelt's nicht"

Der Tod gehört zum Leben. Zu allen Zeiten haben Menschen versucht, die Vergänglichkeit des irdischen Daseins bildlich darzustellen. So sind Mitte des 14. Jahrhunderts die Bilderserien der Totentänze entstanden, gemalt auf Friedhofsmauern, an Kapellenwänden und auf Holztafeln.

Von: Birgit Fürst

Stand: 17.11.2021 | Archiv

Es war die Zeit der Pestepidemie in Europa. Der Schwarze Tod raffte etwa ein Drittel der Bevölkerung dahin. Schätzungen schwanken zwischen 20 und 50 Millionen Toten. Wo die Seuche besonders wütete, machte sich eine fatalistische Grundhaltung breit. Wenn das Schicksal schon unausweichlich war, konnte man sich auch ganz dem Vergnügen hingeben. Der Totentanz verbindet die irdischen Freuden mit dem Ende der Existenz auf Erden.

Kloster St. Mang in Füssen

Etwa 30 Totentänze sind in Bayern erhalten. Zu den ältesten Darstellungen gehören die Bilderszenerien im Kloster St. Mang in Füssen und in der Friedhofskapelle St. Peter in Straubing. Sie sind nicht nur ein Spiegel ihrer Zeit. Sie sind auch eine Quelle für kulturgeschichtliche Forschungen. Immer ist der Tod ein Knochenmann, ohne Mitleid, egal ob sein Opfer ein Baby oder ein Reicher ist. Die Bildtafeln zeigen einen Querschnitt der Gesellschaft und ihrer Stände. Dazu gehören die Kirchenmänner, die Amtsleute, auch die Jungfrauen. Gegenüber befinden sich die unehrlichen Stände: Hexen und Spieler.

Kritik am Klerus und der Obrigkeit

Haselbach

Es gab große Unterschiede, welcher Künstler mit der Schaffung eines Totentanzes beauftragt wurde. Der Maler Hans Holbein der Jüngere war Protestant. Er hatte keine Scheu, sein Missfallen an der katholischen Kirche öffentlich zu demonstrieren. In seinem Totentanzreigen aus dem 16. Jahrhundert malte er einen Mönch, der vor dem Sensenmann das Kostbarste zu retten versucht, was er hat - seine Spardose. Wenn allerdings katholische Äbte und Pfarrer die Auftraggeber waren, sahen die Szenen gleich anders aus.

"Wenn wir das Bild vom Abt anschauen. Beim Hans Holbein ist der total gwampert. Die leben da ganz toll in ihren Klöstern und können sich vollfressen. Und wenn wir jetzt unseren Haselbacher Abt anschauen: ganz schlank und schmal, eher der asketische Mönch. Das Bild, das man eigentlich von einem Mönch haben sollte."

Elisabeth Vogl, Historikerin und profunde Kennerin der Totentanzdarstellung in der Friedhofskapelle im niederbayerischen Haselbach

Der entscheidende Aspekt in allen Totentänzen ist die Erinnerung an die eigene Sterblichkeit. Memento mori - gedenke des Todes. Oder wie es der Tod in der Straubinger Friedhofskapelle formuliert: "Der Köcher ist noch voll, der Pfeile mangelts nicht."

Gevatter Tod - einst und jetzt

Eine moderne Fassung des Straubinger Totentanzes hat Hans Vicari geschaffen. Über viele Jahre schrieb der frühere Lehrer und Altbürgermeister der Stadt an der Geschichte über den „Doud vo Schtraubing“, die 2017 als literarischer Totentanz erschien. Als Bub war der heute über 80jährige Vicari mit seinen Freunden oft auf dem Friedhof St. Peter, aber nicht zum Beten.

"Dann haben wir die Tür (zum Beinhaus) aufgemacht. Da lagen lauter Totenköpfe drin mit Boana, also Oberschenkel, Armknochen, Finger. Da bin ich da hinein und hab einen Totenkopf raus und hab ihn den Deandln vor die Füße geworfen. Die haben gekreischt und geschrieen … die waren fix und fertig. Dann hab ich ihn wieder abgeputzt und wieder hingelegt."

Hans Vicari, Autor und Chronist in Straubing

In der Vicari-Erzählung ist der Tod ein Niederbayer. Er denkt und spricht wie die Straubinger. Aber wie seine mittelalterlichen Vorgänger kennt auch der Tod von Straubing weder Mitleid noch Gnade. Aber er hat zumindest einen guten Rat an die Lebenden:

"Wem blosda do de letzte Melodei, da schiache Boandlmo? Schnei is as Leben vorbei. Mach deshoab ja koa Gschrei. A jeda kommt am End no dro. Drum leb! Solangst no konnst und mach das schee. Oafach aufrecht steh und geh. Gfrei di am Leben an jedm Dog. Des is des Wichtigste, wenna das sog."

aus dem Buch 'Da Doud vo Schtraubing'


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