Bayern 2


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Tragant und Schokolade Süßes Biedermeier

Bereits in 16. Jahrhundert waren kunstvolle Zuckerdekorationen die Krönung höfischer Tafeln; im Biedermeier dann erlebte die Zuckerbäckerkunst ihren Höhepunkt. Cornelia Oelwein folgte den Spuren der biedermeierlichen Naschkatzen und fand Zuckersüßes aus vergangenen Tagen.

Von: Cornelia Oelwein

Stand: 10.12.2017 | Archiv

Schokoladen-Pralinen | Bild: colourbox.com

"Verzuckerte Griechen,
Zigeuner mit ihrer Präciosa,
Studenten,
Helden der Geschichte,
ja ganze Krippen,
Billards und Kasernen von Zucker sind bereit zum Kaufe!"

(historischer Werbetext, 1830)

Weihnachtlicher Konditorstand, Nürnberg um 1825

So wurden einst süße Meisterwerke in der Vorweihnachtszeit angeboten. Doch im Biedermeier hatten Zuckerbäckerläden auch in den übrigen  Jahreszeiten Hochkonjunktur. Süßigkeiten waren damals äußerst beliebte Geschenke. Die "sinnreichsten und Scherze machende Figuren" wurden sogar in den Zeitungen besprochen. Ganze Familien zogen durch die Konditoreien, die in der Adventszeit extra Räume für die Ausstellung der süßen Leckereien eingerichtet hatten und bewunderten die Köstlichkeiten.

K. u. K. Hofzuckerbäckerei, Wien

"Im heurigen Jahr wurde von Seite der Zuckerbäcker Alles aufgeboten, ihre Läden mit der wahrhaft geschmackvollsten Auswahl der schönsten Conditor-Arbeiten auszuschmücken.

Herrn Teichleins Laden in der Kaufingergasse, welchen auch Ihre Majestäten der König und die Königin besuchten, glich einem Zaubersaal aus der Feenwelt. Und der Chokoladefabrikant Mayerhofer, welcher mit seinen Produkten eine neue Gattung von Weihnachtsgeschenken an das Tagslicht beförderte, erfreute sich eines zahlreichen Absatzes seiner in der That gelungenen und sinnreichen Arbeiten."

(Zeitungsartikel, 1830)

Zuckersüße Geschenke

Christbaumschmuck aus Tragant ("Salzburger Weihnachtsmuseum")

Nicht nur zur Weihnachtszeit war Zuckerwerk als Geschenk begehrt. "Scherze machende" und "sinnreiche Figuren" aus Tragant und Schokolade wurden im 19. Jahrhundert das ganze Jahr über in heute kaum mehr vorstellbaren Mengen gekauft.

Um Zucker zu filigranen und beständigen Kunstwerken zu formen, bedurfte es eines geeigneten Bindemittels, des Tragants. In Wasser aufgeweicht und mit Zucker versetzt, ergibt er eine leicht formbare, feine Modelliermasse, die getrocknet steinhart wird.

Griechischer Tragant (Astragalus graecus)

"Tragant: Aus dem Saft mehrerer Tragant-Arten (botanisch: Astragalus, Gattung der Schmetterlingsblütler) gewonnenes Gummiharz, das aus einem komplexen Gemisch verschiedener Polysaccharide besteht, in Wasser aufquillt und einen trüben, schlüpfrigen Schleim bildet.
In 1-2prozentiger Lösung dient Tragant u. a. als Klebstoff, als Verdickungsmittel und Emulsionsstabilisator in der Lebensmittelindustrie und Kosmetik sowie als Bindemittel bei der Herstellung pharmazeutischer Produkte."

(So der neueste Brockhaus)

Im Biedermeier erlebte die Zuckerbäckerkunst einen letzten Höhepunkt

"Der Konditor", Holzstich (1841)

Kunstvolle Zuckerdekorationen kannte man bereits in der Barockzeit auf höfischen Tafeln; im Biedermeier erlebte die Zuckerbäckerkunst einen letzten Höhepunkt, die Figuren (oder "Darstellungen") waren so ausgefeilt und so lebensnah, dass es sogar zu juristischen Nachspielen mit porträtierten Zeitgenossen kam. Ein Zeitungsjournalist behauptete, man werde wohl bald von Professoren der Zuckerbäckerei hören, die Kurse an der Akademie für alle anböten, die "als Conditor oder Canditor promovieren" wollten. 

Christbaumschmuck aus Tragant

Weihnachtsbaum um 1845, geschmückt im Stil der Biedermeierzeit mit Essbarem, Tragant-Schmuck und Kerzen

Die Grenze zwischen Genussmittel und Dekoration ist beim Tragant fließend, und so überrascht es nicht, dass die sehr viel besser schmeckende und weichere Schokolade ihm bald den Rang ablief. Farbig-glänzend verpackt zierte sie seit den 1830er Jahren neben den bemalten Tragantfigürchen den Christbaum.

Die biedermeierlichen Kunstwerke sind längst dahin

Kleine Kutschen und Brautpaare aus Tragant auf Hochzeitstorten oder Schokolade-Weihnachtsmänner sowie in buntes Stanniolpapier gewickelte Täfelchen für den Christbaum sind nur klägliche Überbleibsel einer heute kaum mehr praktizierten Zuckerbäcker- und Chocolatierkunst.


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