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100 Jahre Bergwacht Bayern Neue Trends und neueste Technik der Bergretter

In unserer Rucksackradio-Serie zum 100-jährigen Bestehen der Bergwacht haben wir in den vergangenen Wochen über die größten Rettungsaktionen der Bergwacht-Geschichte berichtet. Wir haben die Arbeit von Bergrettern im Bayerwald beobachtet und uns die Rolle der Frauen in der Bergwacht angeschaut. Zum Abschluss der Serie geht es nun in den Bereich der Digitalisierung und um die Frage, wie Einsatz- und Patienten-Daten künftig schneller und sicherer erhoben und weiterverarbeitet werden können.

Von: Sebastian Nachbar

Stand: 25.07.2020

Trends und neueste Technik der Bergretter | Bild: BR

Bislang füllen die Einsatzkräfte nach jedem Einsatz noch ein Papier-Formular aus. Das aber könnte sich bald ändern, denn Studierende der TU München haben für die Bergwacht eine App für Bergretterinnen und Bergretter vorgestellt – vorerst nur ein Prototyp.

Mit dem Start-Screen öffnet sich die App und zeigt einen Überblick über die vergangenen Einsätze in Garmisch und Lenggries. Lara Osing steht in der großen Trainingshalle der Bergwacht in Bad Tölz und präsentiert ihr neues Projekt. Eine App, die Bergretterinnen und Bergrettern schon bald die Arbeit erleichtern könnte. In der App kann sie einen neuen Einsatz anlegen, dabei gibt es die Möglichkeit, zwischen Sommer- und Winter-Einsatz zu differenzieren. Danach kommt man auf die Seite der Patientendaten.

Zentrum für Sicherheit & Ausbildung

Lara Osing und ihre Gruppe von Studierenden der TU München tüfteln an der Zukunft der Bergwacht. Human Factors Engineering heißt der Studiengang, zu Deutsch: Ergonomie. Es geht um Mensch-Maschine-Schnittstellen, Sportgeräte-Entwicklung und Medizintechnik. Was hier passiert, ist ein Test-Szenario: Ein Teilnehmer mimt einen Verletzten. Er hat sich den Arm gebrochen und wird von einer Bergretterin versorgt. Für die Abrechnung müssen am Ende des Einsatzes die Personaldaten aufgenommen werden: Vorname, Nachname, Adresse, Geburtsdatum, Krankenkasse. Im Ernstfall dauert das und nervt, erst recht, wenn Patient*innen Schmerzen haben oder wenn sie, wie zum Beispiel häufig bei einem Skiunfall, eine andere Sprache sprechen. Dann müssen die Rettungskräfte niederländische, russische oder arabische Namen und Adressen aufschreiben. Bislang ist das ziemlich mühsam. Mit der neuen App könnte das bald einfacher gehen, weil der Ausweis eingescannt wird.  

Gleitschirmbergung im ZSA

Die allermeisten Einsatzkräfte haben immer ihr Handy dabei. So wäre es möglich, die komplette Einsatzerfassung und Dokumentation in der Bergwacht elektronisch abzuwickeln. Statt des alten Einsatzbelegs auf Papier könnte es bald ein digitales System geben. Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht hätten dabei oberste Priorität. Die Daten müssten zugangsbeschränkt sein, verschlüsselt übertragen werden und einiges mehr. Das wäre noch alles auszuarbeiten, aber den Prototypen für so eine digitale Einsatzerfassung haben die Studierenden um Lara Osing jetzt vorgelegt. Ziel ist es, der Bergwacht ein Tool an die Hand zu geben, mit dem sie die Patientendaten oder überhaupt die Datenaufnahme im Akuteinsatz einfacher und effizienter für sich gestalten. Gerade in Sachen Datensicherheit bietet die Idee eine echte Chance: Anstatt Dokumente per Handy abzufotografieren, weil es schnell gehen muss, könnten die Bergretter bald automatisiert eine Maske ausfüllen. Die würde sich nach Beendigung der Eingabe dann schließen und keinen Zugriff mehr bieten. Wie bei allen technischen Weiterentwicklungen gibt es zwar immer auch Befürworter und Gegner, doch die Bereitschaft der Bergwacht, etwas Neues auszuprobieren, hat sich als hoch erwiesen.

Was jetzt vorliegt, ist der Prototyp für eine praxisnahe Software-Anwendung, die den Einsatzkräften draußen bei Schnee, Dunkelheit und Wind gute Dienste leisten könnte. Nun muss daraus eine richtige App entwickelt und programmiert werden, von der letztlich vor allem die Patientinnen und Patienten am Berg profitieren. Die Chance ist jedenfalls da, sagt Projektleiter Dörg Stephan von der Bergwacht Immenstadt, zumal das Projekt in der Bergwacht entwickelt worden und nicht extern irgendwo hergekommen ist. Von Anfang an wurden die Einsatzkräfte mit einbezogen. Somit ist das Potential für eine Umsetzung und Anwendung in der Praxis draußen vorhanden.