Bayern 2 - Zum Sonntag


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Zum Sonntag Was kostet die Welt?

Wenn etwas falsch ist, soll man es nicht machen. Das ist jedenfalls die traditionelle Vorstellung von Moral. Aber von der haben wir uns irgendwie entfernt. Heute fragen viele eher so: Wenn etwas falsch ist, aber ich will es trotzdem machen: Was kostet mich das?

Author: Antje Schrupp

Published at: 24-5-2023

Zigaretten auf der Straße austreten kostet 20 Euro, zu schnelles Fahren ab 50 Euro aufwärts, und wenn die eigene Firma mehr CO2 ausstößt als die Erde verkraftet, kauft man sich eben mit Zertifikaten frei.  Das neueste Beispiel für dieses "Alles hat seinen Preis"-Prinzip ist die Idee, von Menschen, die ohne Überweisung in die Notaufnahme kommen, zwanzig Euro zu verlangen. Die Grenzen zwischen Strafe und Bepreisung werden immer fließender. Tatsächlich hat beides eine ähnliche soziale Funktion: Ein hoher Preis soll, ebenso wie eine abschreckende Strafe, unerwünschtes Verhalten verhindern oder zumindest unwahrscheinlicher machen. Aber funktioniert das wirklich?

Krankenhäuser sind oft mit der Nachfrage überlastet

Nehmen wir doch das Beispiel der Notfallambulanzen. Fakt ist: Die Krankenhäuser sind mit der Nachfrage überlastet, dagegen muss man etwas unternehmen. Ich würde ja erstmal fragen, warum es in einem reichen Land wie Deutschland nicht möglich sein soll, dass Menschen auch bei kleineren Wehwehchen medizinisch versorgt werden, wenn sie Angst haben, es könnte was Schlimmeres sein, aber gut. Gehen wir mal davon aus, dass die Ressourcen tatsächlich knapp sind. Dann müssten wir den Ansturm auf die Notaufnahmen doch eigentlich so steuern, dass Menschen ohne akute und gefährliche Gesundheitsprobleme möglichst nicht mehr kommen, damit die vorhandenen Kräfte denen zur Verfügung stehen, bei denen es wirklich um Leben und Tod geht oder die sehr starke Schmerzen haben.

So mancher Herzinfarkt bleibt womöglich unerkannt

Ob eine Bepreisung mit zwanzig Euro dieses Ziel erreicht, ist aber mehr als fraglich. Wem zwanzig Euro im Haushaltsbudget richtig weh tun, der wird sich dann dreimal überlegen, ob er mit Brustschmerzen ins Krankenhaus fährt, und so mancher Herzinfarkt bleibt womöglich unerkannt. Aber viele Leute können zwanzig Euro aus der Portokasse bezahlen. Und die könnten sich ermutigt fühlen, mit einer noch größeren Anspruchshaltung jedes kleinen Wehwehchen sofort in die Ambulanz zu tragen - das ist doch ihr gutes Recht, sie bezahlen ja schließlich dafür! Denn das ist eben der Unterschied zwischen einem Verbot und einem Preis. Bei einem Verbot ist klar: Was man da tut, ist etwas Schlechtes, es ist egoistisch und schadet der Allgemeinheit, und deshalb wird man bestraft, wenn man es tut. Ein Preis sendet eine ganz andere Botschaft, nämlich: Wer es sich leisten kann, der darf.

Verhalten am besten vom Markt regeln lassen ist problematisch

Die Idee, dass gesellschaftlich erwünschtes Verhalten am besten vom Markt geregelt wird, ist mehr als problematisch. Schon im Bereich von Wirtschaftsgütern funktioniert das Prinzip von Angebot und Nachfrage nicht immer, sondern nur, wenn alle Menschen eine ungefähr ähnliche Kaufkraft haben. Dann können sie mit ihren Kaufentscheidungen beeinflussen, was hergestellt wird und was nicht. Das ist eine gute Sache. Wenn aber die einen sehr viel Geld haben und die anderen sehr wenig, dann wird das Prinzip auf den Kopf gestellt. Denn dann produziert der Markt Luxus für die Reichen, weil sich da was verdienen lässt, aber nicht mehr das, was die Mehrheit der Menschen braucht. Denn das rechnet sich nicht, wenn diese Mehrheit kein Geld hat, um zu bezahlen.

Gesundheit von Menschen hängt vom Geldbeutel ab

Schon jetzt hängt die Gesundheit von Menschen in Deutschland extrem stark von ihrem Geldbeutel ab. Reiche Männer leben hierzulande im Schnitt 15 Jahre länger als arme, bei den Frauen beträgt der Unterschied immer noch 10 Jahre. Es ist also ein Gebot der Humanität, dass wir alle Anstrengungen unternehmen, um diese Schere zu schließen. Gerade Menschen mit wenig Geld muss der Zugang zu medizinischer Versorgung erleichtert werden, nicht erschwert.


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