Bayern 2 - Zum Sonntag


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Zum Sonntag ChatGPT - Wird der Schöpfer zur Maschine?

Ein neues Programm namens ChatGPT sorgt derzeit für Aufregung. Das US-amerikanische Medienunternehmen Buzzfeed hat bereits angekündigt, 12 Prozent seiner Journalist*innen zu entlassen und stattdessen eine Lizenz für den ChatGPT zu kaufen. Aber was ist das eigentlich, fragt Antje Schrupp.

Author: Antje Schrupp

Published at: 10-2-2023

Ein neues Programm namens ChatGPT sorgt derzeit für Aufregung. Das US-amerikanische Medienunternehmen Buzzfeed hat bereits angekündigt, 12 Prozent seiner Journalist*innen zu entlassen und stattdessen eine Lizenz für den ChatGPT zu kaufen.

Aber was ist das eigentlich? ChatGPT "ist ein künstliches Intelligenz-Modell, das speziell dafür ausgelegt ist, menschenähnliche Dialoge zu führen. Das Besondere an ChatGPT ist, dass es auf Fragen und Aussagen des Gesprächspartners eingehen und entsprechend antworten kann, ohne dass es dafür explizit programmiert wurde."

Ich sage dem Bot: "Schreibe eine religiöse Andacht fürs Radio über künstliche Intelligenz"

Diese Beschreibung habe nicht ich, die Autorin dieses Beitrags formuliert, sondern der Chatbot selbst. Wow. Bin ich vielleicht tatsächlich überflüssig?

Na gut. Ich stelle dem Bot eine weitere Aufgabe: "Schreibe eine religiöse Andacht fürs Radio über künstliche Intelligenz". Das Ergebnis ist in fünf Sekunden fertig, und klingt so:

"Liebe Hörerinnen und Hörer: heute möchte ich über das Thema künstliche Intelligenz sprechen und wie wir als gläubige Menschen damit umgehen können. Künstliche Intelligenz ist ein relativ neues und schnell entwickeltes Technologiefeld, das viele Möglichkeiten aber auch Herausforderungen mit sich bringt. Als gläubige Menschen sollten wir darauf achten, dass wir künstliche Intelligenz verantwortungsbewusst und ethisch einsetzen und dass sie nicht zu Lasten anderer geht. Wir sollten uns auch bewusst machen, dass sie kein Ersatz für menschliche Beziehungen und emotionale Verbundenheit ist. Gleichzeitig sollten wir uns aber auch nicht von der Angst leiten lassen und uns von ihren Möglichkeiten nicht abschrecken lassen. In unserem Glauben finden wir die Ermutigung, offen und neugierig auf die Welt und ihre Entwicklungen zu blicken."

Ehrlich gesagt: Ich habe schon schlechtere Andachten gehört.

Texte per Algorithmus werden unsere Kultur verändern

Keine Frage: Die Möglichkeit, Texte automatisch von einem Computer-Algorithmus schreiben zu lassen, wird unsere Kultur verändern. Hausarbeiten, Referate, Sonntagspredigten - schon jetzt ist es schwer zu unterscheiden, ob ein Text künstlich generiert, oder von einem Menschen geschrieben wurde. Oder auch ein Bild, ein Musikstück was auch immer. Je mehr Daten der Algorithmus bekommt, umso besser wird er werden.

Aber ist deshalb unsere Kultur bedroht, wie viele meinen? Ist der Chat-Bot herz- und seelenlos und kann uns sowieso nicht geben, was wir brauchen?

Ich bin nicht so sicher. Ein Grund, warum es wegen dem ChatBot so eine Aufregung gibt, ist sicher der, dass der Autor – meist männlich gedacht – für uns eine so überaus wichtige Figur ist. Der Schöpfer, das originelle Genie des Ursprungs. Fast wie Gott.

Als Kinder der westlichen Moderne glauben wir, Dinge dann zu verstehen, wenn wir ihren Ursprung kennen. Wenn wir ihnen auf den Grund gehen. Wenn der Schöpfer bloß ein Automat ist, ohne Seele, ohne Plan, ohne Gloria, sind wir verunsichert.

Es kommt nicht nur drauf an, wer einen Text schreibt, sondern auch wer ihn liest

Aber man kann das auch anders sehen. Nämlich so, dass es bei einem Text nicht nur darauf ankommt, wer ihn geschrieben hat, sondern auch, wer ihn liest. Was das Publikum daraus macht.

Heilige Texte zum Beispiel. Sie funktionieren schon immer nach diesem Prinzip. Was der Bibel ihre Bedeutung gibt, das sind ja nicht ihre meist unbekannten Autor*innen, sondern dass so viele Menschen in aller Welt diese alten Texte immer wieder lesen. Im Islam ist das Rezitieren von Koransuren, also das bewusste Sprechen des Textes, sogar eine eigene Kunstform.

Wenn man es so sieht, dann sind wir gewissermaßen Co-Autor*innen der Texte, die wir rezipieren. Der Kunstwerke, die wir betrachten. Der Musik, die wir hören.

Ich finde, das ist eine spannende Perspektive. Und auch eine ent-spannende, was die Furcht vor Algorithmen betrifft. Denn eines weiß ich ja sicher: Ich bin kein Computer, ich bin ein Mensch.


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