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Krieg im Sudan Wie die Kunstszene im Sudan den Krieg erlebt

Im Sudan bekriegen sich derzeit Militär und Paramilitär - und die Zivilbevölkerung trägt den Schaden. Bei der demokratischen Revolution 2018/2019 war die sudanesische Kunstszene ganz vorne mit dabei. Auch nach dem Militärputsch 2021 engagierten sich junge SudanesInnen mit künstlerischem Aktivismus - und zeigten, wie lebendig und kritisch die Zivilbevölkerung ist.

Von: Bärbel Wossagk

Stand: 09.05.2023

Der Künstler Galal Yousif 2019 in seinem Atelier. 2019 malten Künstler auf Mauern und Häuserwänden, unter Brücken und auf Straßen, auf den Schauplätzen der Revolution.  | Bild: picture alliance/dpa | Gioia Forster

Seit 3 Wochen herrscht Krieg im Sudan. Im Prinzip bekriegen sich zwei verfeindete Generäle und damit einmal das sudanesische Militär und eine paramilitärische Gruppe. Eigentlich hätte die Macht an eine zivile Regierung übergeben werden sollen und eigentlich saßen die beiden Generäle mal im selben Boot. Die sudanische Zivilbevölkerung hatte vor vier Jahren in einer Revolution den Diktator Omar Al-Bashir vertrieben. Vor allem junge Sudanesinnen waren damals bei den Demos - das Durchschnittsalter im Sudan beträgt 19 Jahre, und der Frauenanteil bei den Protesten betrug 70 Prozent. Jetzt wird die Zivilbevölkerung von Militär und Paramilitär bedroht. Die westlichen Länder haben ihre Staatsbürger*innen bereits aus dem Land gerettet. Und jetzt? Die Ethnologin Valerie Hänsch forscht an der LMU München zum Thema Revolution, Aktivismus und Kunst im Sudan. Sie kennt das Land und pflegt enge Kontakte zur Zivilbevölkerung. Wir haben sie gefragt, was sie gerade von ihren Kontakten im Sudan so hört.

ZÜNDFUNK: Vor vier Jahren gab es eine erfolgreiche Revolution im Sudan. Wo sind heute all diese Menschen, die damals noch protestiert haben?

Valerie Hänsch: Die meisten sind noch in Khartum oder in den Zwillingsstadt Omdurman. Manche konnten nach Ägypten ausreisen oder sind in sichere Kleinstädte auf das Land geflüchtet.

Derzeit müssen ja alle um ihr Überleben kämpfen. Ist der Geist der Proteste noch vorhanden? Wie geht die Demokratiebewegung von damals weiter?

Graffiti in Khartum

Der ist auf jeden Fall vorhanden und es wird auch versucht, den Geist aufrecht zu erhalten. 2021 gab es ja einen Militärputsch, da war ich gerade im Sudan. Da gab es ein Wiederaufbrechen der Revolution durch Proteste auf der Straße. Und durch künstlerische Aktionen wie Graffiti und Wandmalereien, mit denen KünstlerInnen und AktivistInnen versucht haben, ihre Botschaften zu übermitteln. In der jetzigen Situation ist es natürlich schwierig. Jetzt geht es erst einmal ums Überleben. Aber genau diese Praktiken und Handlungen des Überlebens, etwa Medikamente zu organisieren, das machen die Widerstandskomitees. Das sind nachbarschaftlich organisierte Gruppen. Ihre Hilfe ist quasi ein revolutionärer Akt. Einige meiner Freunde und Freundinnen, die Mitglieder in diesen Komitees sind, sagen, wir bleiben hier. Wir gehen auf keinen Fall, sondern unterstützen unsere Leute. Aber damit setzen sie natürlich ihr Leben aufs Spiel.

Du hast Dir damals während der Revolution die Kunstszene im Sudan genau angesehen. Hat diese Szene noch Verbindungen ins Ausland? Was passiert da grade?

Protestierende Frauen in Khartum im Jahr 2019.

Zu Beginn der Revolution kam es damals zu einem Ausbruch von kreativen Praktiken. Damals haben die Demonstrierenden monatelang den Platz vor dem Militärhauptquartier besetzt. Sie haben Wandbilder gemalt, Gedichte gesprochen oder gemeinsam Musik gemacht. Und dieses Repertoire was damals gebildet wurde, das setzt sich jetzt auch weiter fort. Durch Graffiti und Wandmalereien an Hauswänden, die Nein zum Krieg sagen. Und sudanesische KünstlerInnen in der Diaspora beschäftigen sich in Musikproduktionen mit dem Krieg - und dass sie ihn nicht wollen. Da gibt es ein künstlerisches Netzwerk von SudanesInnen im Land und in der Diaspora.

Wie geht es der unbeteiligten Zivilbevölkerung in Khartum zurzeit?

Die Menschen sind am Ende ihrer physischen und psychischen Kräfte. Bombenangriffe hören nicht auf. Die Miliz geht in die Viertel rein und vertreibt Menschen aus ihren Häusern, nistet sich ein, besetzt auch Krankenhäuser - woraufhin dann das Militär wiederum diese Krankenhäuser mit Raketen beschießt. Die Gesundheitsversorgung ist kollabiert. Das heißt zum Beispiel, dass Diabetiker gerade sterben.

Die wichtigste Meldung aus dem Sudan der letzten drei Wochen war, dass die Bundeswehr Menschen von hier retten konnte. War es das dann mit dem Interesse von unserer Seite? Was würdest Du dir wünschen?

Bombenagriffe auf Khartum im April 2023.

Die Anteilnahme und Unterstützung für den Sudan ist bei uns sehr gering. Hilfsmaßnahmen wie medizinische Güter laufen nur langsam an. Sie hätten ja in den Flugzeugen auch zum Beispiel schon Hilfslieferungen mitbringen können. Ein weiteres Problem ist auch, dass ausländische Botschaften geschlossen. Die Botschafter und Sachbearbeiter wurden evakuiert - das bedeutet, dass die Sudanesen und Sudanesinnen, die gerade noch dabei waren, ein Visum zu beantragen, nun hilflos sind. Ihre Pässe liegen gerade in diesen Botschaften - die geschlossen wurden. Diese Menschen können nun nicht legal in Nachbarländer fliehen, da sie de facto keinen Pass haben und auch keinen neuen beantragen können, da alle Ämter zu sind.

Könnte die mangelnde Unterstützung auch daran liegen, dass dieser Krieg so undurchschaubar ist? Mit wem sollte man sich verbünden?

Khartum im April 2023.

Ich denke schon, dass die Lage eigentlich klar ist. Die Bevölkerung beteiligt sich nicht an diesen Auseinandersetzungen, trägt aber den gesamten Schaden. Vielleicht nehmen es viele so wahr, als wäre das wieder einmal ein weiterer Krieg im fernen Afrika. Aber dieser Krieg hat regionale und globale Implikationen und es geht eben nicht nur um zwei Generäle, die sich bekriegen. Sondern auch um Machtinteressen von Nachbarländern. Das große Interesse von Europa ist ja, dass keine weiteren Geflüchteten kommen über den Sudan. Die EU hat damals im Khartum-Prozess Gelder in den Sudan geschickt, damit der Sudan die Grenzen kontrolliert - und das wurde vor allem von der Miliz RSF gemacht, die jetzt Kriegsteilnehmerin ist. Die haben also damals indirekt von den Geldern profitiert - was die EU bestreitet, aber in einem eigenen Dokument sagt sie, dass sie nicht ausschließen kann, dass sie möglicherweise repressive Kräfte unterstützt hat.