Pia Lamberty im Interview Warum Deutschlands Verschwörungsideologen Putin supporten - und wieso wir das nicht hinnehmen dürfen
Angesichts der Nachrichten und Bilder aus Butscha und Charkiw fällt es schwer zu verstehen, dass es tatsächlich Menschen gibt, die Putin für eine Art Retter halten. In der rechten Verschwörungsideologie ist das aber eine weit verbreitete Überzeugung. Und die ist brandgefährlich, sagt die Sozialpsychologin Pia Lamberty.

Pia Lamberty vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) ist Expertin für Verschwörungsideologien. Gerade ist der zweite CeMAS-Report „Q vadis? Zur Verbreitung von QAnon im deutschsprachigen Raum“ erschienen.
Zündfunk: Wie hat die verschwörungsideologische Szene in Deutschland auf den Krieg in der Ukraine reagiert?
Pia Lamberty: Wenn man sich das verschwörungsideologische Milieu anschaut, sieht man, dass da doch relativ eindeutig Position für Russland bezogen wird. Man glaubt, es handle sich um eine großangelegte Verschwörung: Russland würde jetzt gegen den Deep State kämpfen. Also gegen den geheimen, den tiefen Staat. Ich sehe dort auch immer wieder die Verbreitung der sogenannten Bio-Laborhypothese – also diese Idee, dass angeblich biologische Kampfstoffe in der Ukraine hergestellt würden. Da bekommt man schon wirklich den Eindruck, dass da mehr oder weniger direkt Kreml-Propaganda verbreitet wird.
Warum positionieren sich so große Teile der Szene pro Putin?
Die Pro-Putin-Position ist ja nicht neu im verschwörungsideologischen Milieu. Wenn man ein paar Jahre zurückgeht – nach 2014, als der Krieg in der Ukraine begann – war das ja schon so, dass diese ganzen sogenannten „Montagsmahnwachen für den Frieden“ stark verschwörungsideologisch geprägt waren. Ken Jebsen wurde da ein bekannter Name in diesem Milieu. Das hat auch etwas mit den Feindbildern zu tun. Es wird also gerade auch gegen die USA gewettert, die man als das Böse ausgemacht hat, die angeblich hinter der Verschwörung stecke. Da stehen dann häufig auch antisemitische Anleihen dahinter. Und Russland verkörpert dort eben das Gute, das bessere Zeitalter, das angeblich brüderliche Miteinander. Man hat einen starken Mann, den man als Vorbild nimmt. Das haben wir ja auch schon bei Trump gesehen. Und das zeigt sich bei Putin eben genauso.
Gleichzeitig ist das Netzwerk voll von schrecklichen Bildern, von russischen Angriffen auf Wohngebiete, von toten Zivilist:innen. Kommen dann nicht dem einen oder anderen Zweifel in der Szene?
Wenn man sich das Protestgeschehen der letzten Monate anschaut, würde ich schon sagen, dass es unterschiedliche Positionen gibt. Und manch einer, der bis jetzt eben mit diesen Menschen zusammen protestiert hat, merkt auf einmal, mit wem er da eigentlich auf die Straße gegangen ist. Und wieviel Menschenverachtung in Querdenken und Co. steckt. Auf Telegram sieht man tatsächlich relativ wenig Gegenstimmen. Ein Akteur, der sich anders positioniert hat, ist Boris Reitschuster, der war ja auch selber in Russland tätig. Da hieß es dann aber auch direkt, ob der nicht vielleicht ausgetauscht worden wäre. Was denn da jetzt los sei, ob irgendwer anderes in seinem Namen schreiben wurde. Man konnte also gar nicht glauben, dass sich wirklich jemand für die Ukraine positioniert.
Erst haben wir die Coronakrise erlebt und jetzt den Ukraine-Krieg. Haben wir es mit einer Szene zu tun, die ab jetzt bei jedem großen Ereignis einfach aus Prinzip das Gegenteil von dem behaupten wird, was die Medien berichten und was die Politik sagt?
Ich denke, dass wir uns damit auseinandersetzen müssen, dass die Rhythmen, die wir vorher hatten – dass es alle paar Jahre zu einer Krise kommt und es mit jeder Krise auch zu einer rechtspopulistischen, verschwörungsideologischen Mobilisierung kommt – dass diese Taktung jetzt einfach enger sein wird durch die multiplen Krisen, mit denen wir umgehen lernen müssen. Dementsprechend finde ich es auch wichtig, dass man jetzt nach wie vor auch hinschaut, was denn da eigentlich passiert: Denn die Gruppe ist tatsächlich nicht so klein. Es gab jetzt eine erste Studie von Cosmo, das ist ein Forschungsprojekt unter anderem vor Cornelia Betsch, die ja auch als Psychologin im Expertenrat der Bundesregierung sitzt. In dieser Studie wurde gefragt, inwiefern Menschen denn zum Beispiel glauben würden, dass der Krieg in der Ukraine nur der Ablenkung der Corona-Pandemie dienen würde. Bei Menschen, die mindestens einmal geimpft sind, waren das elf Prozent. Bei Menschen, die noch nicht geimpft sind, waren es 43 Prozent. Das ist schon ja fast die Hälfte eben derer, die nicht geimpft sind und damit auch eine größere Gruppe der Mobilisierung.
Was können wir denn als Gesellschaft aus ihrer Sicht dagegen tun, dass diese Szene immer weiterwächst?
Ich glaube, als erstes ist es wichtig hinzuschauen. Als die Proteste in Deutschland anfingen, als es zu dem sogenannten Sturm aufs Kapitol kam, wurde er sehr, sehr viel über Qanon berichtet. Danach hat man aber nicht mehr so genau hingeguckt. Unsere Daten zeigen aber: Diese Szene war nie weg. Dieses Monitoring, das genaue Hinschauen, finde ich, ist erst einmal die Grundlage. Nur dann hat man auch eine Datenbasis, mit der man weiß, wird das schlimmer oder nicht. Dann, denke ich, ist es wichtig, dass man Strategien entwickelt. Dass man als Gesellschaft in der Lage ist, mit Desinformationen, mit Verschwörungserzählung besser umzugehen. Und ich muss auch sagen, dass mir das Thema Impfpflicht Sorgen macht: Wenn die Impfpflicht jetzt nicht kommen sollte, wird das in diesem Milieu einfach als Erfolg gewertet und lässt sie noch mal mehr aufleben.