Bayern 2 - Zündfunk

Trans Aktivistin über Humboldt-Uni-Debatte "Ich persönlich finde die Absage des Gender-Vortrags mehr als richtig"

„Warum es in der Biologie nur zwei Geschlechter gibt.“ Das war der Titel eines Vortrags von Marie-Luise Vollbrecht, der von der Humboldt Universität abgesagt wurde. Warum die Entscheidung aus ihrer Sicht genau richtig war, verrät trans Aktivistin Julia Monro im Interview.

Author: Bärbel Wossagk

Published at: 4-7-2022

Trans Aktivistin Julia Monro | Bild: Hans Blumenthal & Julia Monro

An der Humboldt-Universität in Berlin ist ein Vortrag abgesagt worden, von der Uni selbst. Der Titel: "Geschlecht ist nicht gleich Geschlecht. Sex, Gender und warum es in der Biologie nur zwei Geschlechter gibt”. Die Vortragende: Marie-Luise Vollbrecht, eine Biologin, die an der Uni gerade an ihrer Promotion arbeitet. Sie ist Mitautorin eines Artikels, der vor einem Monat in der Welt erschienen ist, und der die queere und trans-Szene in Aufruhr versetzt hat. “Wie ARD und ZDF unsere Kinder sexualisieren und umerziehen”, war der Titel, Anlass war eine Episode in der Sendung mit der Maus, wo erzählt wurde, dass aus dem Mann Erik die Frau Katja wurde.

Als der Name und der Vortrag publik wurden, gab es Aufrufe, den Vortrag zu sprengen. Die Uni hat reagiert und die Veranstaltung abgesagt, aus Sicherheitsbedenken, man wollte nicht die ganze lange Nacht der Wissenschaften mit vielen anderen Themen und Vorträgen und vielen Gästen gefährden. Die Meinungen dazu gehen auseinander: “Geschlossen gegen Transfeindlichkeit”, rufen die einen. “Erbärmlich feige” sei die Absage, twittert dagegen Deniz Yücel. Ob Die Aktivistin Julia Monro gehört zu denjenigen, die die Absage eher richtig finden. Sie setzt sich seit einigen Jahren auf vielen Ebenen und in vielen Organisationen für die Rechte von trans Personen ein. Im Zündfunk-Interview erklärt sie ihre Haltung zum Thema.

Zündfunk: Was halten Sie von der Absage des Vortrags in Berlin?

Julia Monro: Ich persönlich finde die Absage des Gender-Vortrags mehr als richtig. Wir erleben immer wieder, dass trans feindliche Positionen sich versuchen, wissenschaftlich zu betätigen und dabei eigentlich die Wissenschaft komplett igonrieren. Allein, wenn schon da drinsteht: „Es gibt nur zwei Geschlechter“, damit hat ja schon jemand alle wissenschaftlichen Erkenntnisse völlig ignoriert und versucht damit Stimmung zu verbreiten, die eigentlich nur einem Ziel dient. Und deshalb finde ich das mehr als richtig.

Also ist es aus Ihrer Sicht ein Erfolg, dass dieser Vortrag abgesagt wurde?

Ich finde es gut, dass die Verantwortlichen sich dem Thema angenommen haben. Aber die Art und Weise, wie am Ende darüber gesprochen wurde, dass man da mit „Gefährdungslage“ argumentiert hat, das geht in die völlig falsche Richtung. Damit werden trans Personen als Täter*innen dargestellt und das ist es ja nicht. Wir kämpfen ja immer nur um unsere Anerkennung. Wir wollen ja in den Medien seriös wahrgenommen werden. Und wenn wir versuchen, mal eine Presseerklärung rauszugeben, hört uns niemand zu. Aber sobald dann eine bekannte Persönlichkeit, wie zum Beispiel Alice Schwarzer, sich dazu äußert, dann hören alle zu und die Medien berichten in allen möglichen Kanälen darüber. Aber nur mit reißerischen Mitteln und das wird der ganzen Thematik irgendwie nicht gerecht.

Es gab ja auch Drohungen, diesen Vortrag zu sprengen und nicht zuzulassen. Halten Sie das für ein gutes Mittel?

Das finde ich sehr radikal. Ich habe es aber selber nicht mitbekommen und nur am Rande erfahren. Ob es da zu Störungen kommen sollte, weiß ich nicht. Ich finde es gut, dass man in eine Debatte einsteigt, aber nicht mit radikalen Mitteln. Da sollte man mit den Verantwortlichen angemessen darüber sprechen, um das entsprechend einzuordnen, damit die Verantwortlichen da eine richtige Entscheidung treffen können.

Wie hätte man die Sache Ihrer Meinung nach vielleicht retten können? Wie hätten Sie sich die Debatte gewünscht? Eine Universität wäre ja eigentlich ein gutes Forum gewesen.

Ich hätte mir von der Uni eine klare Haltung gewünscht, wie man zu trans Themen allgemein steht. Wie man mit ihnen umgeht, und wie man mit ihnen in Zukunft umgehen möchte, wie man zu dieser Wissenschaftlerin auch steht. Sie ist ja in der Vergangenheit schon öfter mit solchen Thesen aufgefallen. Sie hat ja auch an diesem Dossier mitgewirkt, was dann in diesem Welt-Beitrag verlinkt wurde. Wir wünschen uns einfach von der Uni oder den Organisator*innen, dass die eine klare Haltung haben und sagen, wie sie zu trans Themen und zur Geschlechtervielfalt stehen.

Marie-Luise Vollbrecht, die den Vortrag hätte halten sollen, hat sich auch geäußert. Sie hat gesagt: Nein, nein, sie sei ganz linksliberal und will nur darauf hinweisen, dass biologisches und soziales Geschlecht zwei unterschiedliche Dinge sind.

Das sind typische Mechanismen, die wir auch in Großbritannien zum Beispiel beobachten. Dass man sich da irgendwie zum Opfer hochstilisiert. Das ist eine typische Masche von denen.

Haben Sie selbst auch schon mal erlebt, dass man in den Fokus gerät, richtig Wut abbekommt, sozusagen der Shitstorm über einen hereinbricht?

Ich kriege das regelmäßig. Gerade in den sozialen Medien. Wenn man sich irgendwo äußert, dann kommt immer: „Gendergaga, ihr seid doch alle psychisch krank!“ Es kommen Kommentare: „Früher hätte man euch vergast.“ Für trans Menschen sind das Alltagssituationen und wenn sich dann noch Leute aus der wissenschaftlichen Ecke dazu noch verhalten wollen und dazu große Veranstaltungen planen – das befeuert die Debatte ja nur noch mehr. Es hilft uns in keiner Weise. Uns geht es darum, in den Medien seriös dargestellt zu werden, dass wir nicht immer die Problemseite sind. Wir sind diejenigen, die diskriminiert werden, wir sind diejenigen die Unterstützung brauchen. Von Politik, Gesellschaft und besonders den Medien. Da brauchen wir einfach mehr Leute, die uns beistehen und solidarisch mit uns sind.

Mittlerweile hat Marie-Luise Vollbrecht ihren Vortrag trotzdem halten können. Der österreichische Youtube-Kanal donnasdottir gab der Biologin in einem moderierten Livestream die Möglichkeit, sich dazu zu äußern. Das Video wurde inzwischen über 40.000 Mal abgerufen.