Bayern 2 - Zündfunk

Musiker Acid, Milch & Honig "Ich finds cool, wenn es ein bisschen kratzt und knarzt"

Der Leipziger Musiker und Prouzent Acid, Milch & Honig ist ein Handwerker. Ein Tüftler. Jemand, der sich konzentrieren möchte. In den letzten 20 Jahren avancierte er mit seinem Stil zur Legende des Leipziger Underground. Jetzt kommt sein Debut-Album. Ein Interview über Sound, Social Media und Schüchternheit.

Von: Ann-Kathrin Mittelstraß

Stand: 06.06.2023

Der Leipziger Musiker und Produzent Acid, Milch&Honig | Bild: OWTF Entertainment, Andreas Hornoff

Acid, Milch & Honig will einfach nur Musik machen. Live. Auf Raves. So wie die letzten 20 Jahre, in denen er die Leipziger Techno-Szene mitprägte. Er klingt ein bisschen nach PeterLicht, ein bisschen nach den 90er Ravern Dune, ein bisschen nach Mediengruppe Telekommander. Nachdem er 20 Jahre nur ein Live-Mysterium war - kommt jetzt sein erstes Album.

Zündfunk: Du giltst bereits als Legende des Leipziger Undergrounds. Wie kam es denn dazu?

Acid, Milch & Honig: Ich hab mich schon als Kind für Musik interessiert. Damals noch zu DDR-Zeiten. Ich war 12 als die Wende kam, bin also im Osten groß geworden. Als Kind habe ich alte Instrumente aus dem Sperrmüll gefischt. Alte Lauten oder Zittern. Alte Instrumente, die die Leute weggeworfen haben, habe ich neu zusammengebastelt. Irgendwann bin ich dann zu Synthesizern gekommen. Als dann irgendwann das Internet und Ebay kamen - ging's richtig los. Da konnte ich mir dann aus allen Bundesländern alte Klassiker günstig schießen. Eigentlich bin ich ja Handwerker, aber ich überlege umzuschulen. Ich würde gerne Musikpädagoge werden. Das Handwerk ist nicht wirklich dankbar behandelt. Aber jetzt habe ich mich erstmal um die Musik gekümmert. Mein Album ist eine Zusammenfassung der ganzen Lebenskrisen, die ich hatte. Musikmachen ist ja auch immer eine Kompensation. Der Frust den ich rausgespielt habe, die Freude der Partys die ich hatte.

Als Du dann in den 90ern endlich Zugang zu Synthesizern hattest, hast Du dir dann alles selber draufgeschaufelt, hast Du drauf los getüftelt?

Ja, ich war immer leidenschaftlich bei der Musik und der Rest war mir egal. Dieses Mediengedöns drum herum, das hat mich nicht interessiert. Dadurch hatte ich viel Zeit und hab einfach meine Synthesizer selber programmiert. Und das Album ist am Ende auch damit entstanden hauptsächlich. Fast 90 Prozent der Sounds kommen von eigenen Plug-Ins, die ich mir programmiert habe.

Gab es Künstler, die dich beeinflusst haben - oder hast du einfach immer dein eigenes Ding gemacht?

Ich bin damals ziemlich auf die Mediengruppe Telekommander abgefahren. Bei aktuellen Sachen habe ich immer ein bisschen Kummer. Was ich im Radio höre ist oft sehr verhallt und so weich produziert. Selbst harte Sachen klingen so zusammengematscht und in Watte gepackt. Ich finds cool, wenn es ein bisschen kratzt und knarzt. Eine ganz alte, ästhetische Inspiration ist tatsächlich Dune. Das ist zwar Rave, aber es war halt so unglaublich trocken. Das Album kam Mitte der 90er heraus und ich höre es bis heute. Weil es von der Klangästhetik her sehr filigran ist - und nicht so weichgezeichnet.

Nochmal zurück zu deiner Entwicklung. Du hast also getüftelt und geschraubt - und dann bist du auf Raves aufgetreten. Hast du dich dann eines Tages also einfach getraut - oder gabs da nichts zu trauen, und man hat einfach gemacht?

Ich bin zunächst auf Uni-Partys in Leipziger Clubs aufgetreten. Oder bei Demos, wo es um Studiengebühren ging. Und dann halt auf privat organisierten Partys. Unangemeldeten Partys. Spontan entstandenen Raves in Industriebrachen, mit Generator und Soundsystem.

Bislang gab es deine Musik weder zu kaufen noch zu streamen. Jetzt wagst du dich raus. Was ist passiert?

Ich habe lange überlegt was ich da antworten soll, warum ich jetzt nach 20 Jahren Musikmachen ein Album veröffentliche. Ich hab meinen Handwerksberuf gehabt. Ich hab mein Privatleben gehabt. Die Musik war für mich Kompensation. Das Motto von Acid, Milch & Honig war, soziale Brennpunktthemen anzusprechen und daraus Party zu machen. Meine Texte sind ja eher nachdenklich, aber auf der Party soll es richtig Spaß machen. Ich wollte das Negative in etwas Positives verwandeln. Und die Notwendigkeit, unbedingt ein Album aufzunehmen, bestand für mich nicht, weil ich immer genügend Auftritte hatte. Ich habe aber auch gesehen, wie viele Bands gescheitert sind an den Major-Verträgen und an den zu hohen Erwartungen, die sie an sich selbst hatten. Aber dann kam die Corona-Krise, mit der mir das abhanden ging, was mein Motor war, nämlich die Live-Auftritte. Dann hatte ich plötzlich viel Zeit. Und dann kamen immer mehr Aufforderungen aus meinem Umkreis nach einem Album. Dann habe ich das Album aufgenommen. Eigentlich ist das die Wahrheit. Es gab vorher schlicht keine Notwendigkeit für mich.

Jetzt startet also deine zweite Karriere, wenn man so will, nach 20 Jahren live Auftritten gehst Du jetzt auf ein neues Level und wirst im Radio gespielt. Wie fühlt sich das an für dich?

Ich trinke gerade einen Beruhigungstee.

Social Media bespielst du gar nicht. Du betreibst lediglich einen kleinen Online-Shop. Verweigerst Du dich Social Media?

Nein, nicht direkt. Aber wenn ich auf Social Media wäre, hätte ich keine Zeit mehr zum Musikmachen, glaube ich. Und wenn ich mich für Social Media entscheide, kann ich ja nicht nur einen Kanal nehmen. Es gibt ja etliche. Da fiele mir die Entscheidung schwer. Ich fühle mich da wie so ein Cyber-Punk, oder Elektro-Punk. Ich weiß noch, bei MySpace war ich damals ganz vorne mit dabei. Oder YouTube. Ich war bei diesen Dingen früher mal der Erste. Aber jetzt ist Social Network längst Mainstream, und es reizt mich nicht mehr so. Wobei ich mich jetzt schon extrem gefreut habe, Resonanzen für mein Album zu bekommen. Vielleicht muss ich dann die Deckung auch mal aufgeben. Mal gucken, wann der richtige Zeitpunkt kommt. Ich bin nicht komplett dagegen, aber ich bin der Meinung, dass die Leute sich da auch mächtig überfordern mit den ganzen Kommunikationskanälen. Thema Burnout - das sehe ich bei vielen. Und die Nutzer suchen sich ja immerhin selbst aus, welchem Kanal sie folgen. Wenn ich aber als Künstler dasitze, dann kommen ja alle auf mich zu. Ich sammele da erstmal noch Kräfte, bevor ich mich da rein wage.

Jetzt wollen wir nochmal wissen, woher eigentlich dein wunderschöner Bandname kommt: Acid, Milch & Honig.

Ich meine, dass es Walter Ulbricht war, der mal sagte: „Wenn der nächste Fünf-Jahres-Plan in die Tat umgesetzt wurde, dann werden aus unseren Leitungen Milch und Honig fließen.“ Milch und Honig stehen ja für Luxus. Wenn Wasser aus den Leitungen fließt, ist das ja das Notwendige, Milch und Honig stehen dann für die Wohlstandsgesellschaft und den Pop, der uns umgibt. Und ich fand den Pop schon cool, aber da fehlte mir immer was. Dann habe ich ein paar Zerrer reingejagt und den Pop damit etwas zerstört. Und dann habe ich nach einem Synonym dafür gesucht. Und Acid House ist ja immer etwas härter und rotziger als House, so wie Acid Jazz auch immer etwas dreckiger ist als Jazz. Milch und Honig steht also für das Poppige, für die Melodien, und Acid für die Verzerrung.