Braune Töne Rechtsrock kommt jetzt teils harmlos daher – das steckt dahinter
Anders als noch in den 1990ern kommt rechtsextreme Musik heute auf Tiktok und Youtube teilweise harmlos daher. Dahinter steckt eine perfide Strategie, die mit Hilfe eines musikalischen Auslaufmodells aufgehen soll.

Woran denkt man, wenn man "Rechtsrock" hört? Stellt man sich einen dunklen Raum vor, mit einer in flackerndes Scheinwerferlicht getauchten Bühne, an aufsteigenden Nebel, aus dem nur die groben Umrisse von großen Männern unscharf zu erkennen sind? An schwarzes Leder, auf dem klebrigen Boden des Raumes trampelnde Springerstiefel? Sieht man vor sich, wie sich die Menge zu düsteren Gitarrenriffs nickend nach vorne bewegt, wie tätowierte Arme salutieren und nur das Gebrülle noch lauter ist als die Drums?
Rechtes Gedankengut findet sich in quasi allen Genres
Zugegeben, das war tief in die Klischeekiste gegriffen. Und doch ist das Bild, das man von rechter Musik hat, oft noch stark von den Rechtsrock-Bands aus den 1990ern und frühen 2000ern geprägt. Im Gegensatz dazu sieht Julia Götz, Künstlername Julia Juls, ganz harmlos aus. Geglättete lange Haare, weißes Basic-T-Shirt, knielanger schwarzer Rock. So streift sie in einem TikTok-Video von HeimatliebeDE auf der Festung Königstein in der sächsischen Schweiz umher und singt:
"Ich bin stolz auf mein Land, so wird es immer sein, die Zeit ist gekommen, uns von Vorurteilen zu befreien, bis in die Ewigkeit schlägt unser Herz vereint, auf dass der Adler wieder in die Lüfte steigt. Ich bin stolz auf mein Land."
- Julia Juls im Song Bis in die Ewigkeit
Die Musik: schlagerartig, einfach und eingängig. Absolute Ohrwurmgefahr. "Das ist eines von vielen Beispielen an Versuchen von extrem rechten Akteur:innen, mit nicht ganz so eindeutigen Textbotschaften trotzdem ihr extrem rechtes Denken in Musik umzusetzen", sagt der Mainzer Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs mit Blick auf das Video. Die Botschaften sind subtil und doch eindeutig. Hindrichs sagt: das habe sich seit der Jahrtausendwende geändert, seither seien Musiker aus dem extrem rechten Lager "sehr darauf bedacht, keine strafrechtlich relevanten Texte mehr zu grölen. Es gibt viele extrem rechte Anwält:innen, die dafür bemüht werden". Bei Julia Juls heißt das ungefähr: Heimatliebe statt Nationalismus, Adler-Emoji statt Reichsadler.
Soundtrack einer Normalisierungsstrategie
Für Thorsten Hindrichs ist das Musikvideo ein gutes Beispiel für die Normalisierungsstrategie rechter Bewegungen. Dahinter steckt das Vorhaben, dass rechtsextremistisches Gedankengut Stück für Stück von anderen übernommen wird, bis es "normal" und mehrheitsfähig scheint.
Der Song "Bis in die Ewigkeit" ist eine Kollaboration mit Bloody32, aka Mike Sievert, der seit 2016 in der Rechtsrap-Szene ist. Der AfD-Kreisverband Mansfeld-Südharz unterlegte ein TikTok-Video mit Musik von Bloody32. Auch Julia Götz ist als Singer-Songwriterin mit Gitarre auf einem AfD-Neujahrsempfang aufgetreten und sang auf einer sogenannten patriotischen Großdemonstration 2019 in Berlin: "Wir werden immer mehr und setzen uns zur Wehr, die Zeiten sind vorbei, mit eurer Heuchelei, Hand in Hand für den Widerstand."
Warum die CD so beliebt ist
Ob im Black Metal oder im Schlager: Rechtsextremistisches Gedankengut und rechte Narrative finden sich in vielen Genres wieder: Hip-Hop, Folk, Klassik, Metal und Techno. Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs beobachtet, dass die Ausspielwege vielfältiger geworden sind: TikTok, YouTube, Instagram: überall kursiert Musik mit braunen Tönen. Für die Finanzierung der rechtsextremen Szene, so Hindrichs, bleiben Konzerte und der Verkauf von Tonträgern aber weiter wichtig. Hier fällt der CD eine wichtige Rolle zu. "Die extreme Rechte setzt nach wie vor ganz massiv auf CDs als physische Tonträger, die sind das Medium Nummer eins", sagt Hindrichs. Das hat aus Sicht der Musiker den Vorteil, dass man CDs und die Musik darauf nicht so leicht zerstören kann, während Social-Media- und YouTube-Profile gelöscht werden könnten, erläutert Hindrichs.
Millionengeschäft Rechtsrock
Der Verkauf von CDs ist eine große, aber nicht die einzige Geldquelle: Im Jahr 2018 lagen die Einnahmen auf rechtsextremen Festivals bei 1,5 bis 2 Millionen Euro. Millionen erwirtschaftet Hindrichs zufolge auch der Verkauf von rechtsextremistischer Musik und Merchandising. Laut des Sächsischen Verfassungsschutzes werden diese Einnahmen unter anderem für den Kauf von Immobilien verwendet. Gab es laut der letzten Bundesregierung 2017 noch 136 Immobilien, die Rechtsextreme für ihre Aktivitäten genutzt haben, waren es 2023 bereits 225 Objekte. Eine Zunahme um 65 Prozent.
Was kann man tun?
Auch in Bayern sind laut des Landesverfassungsschutzes neun rechtsextremistische Bands und zwei Liedermacher aktiv gewesen. Sie veröffentlichen Musik, spielen Konzerte und sind im Netz unterwegs. Einer, der immer wieder damit zu tun hat, ist Markus Schwarz. Er arbeitet für die Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus in der Oberpfalz. Schwarz rät dazu, aktiv zu werden. Online sollte man die Videos melden und in der Kommentarfunktion schreiben, dass man dem Inhalt nicht zustimme. Und wenn man von einem Konzert in seiner Nähe mitbekommt, gelte: "Eine Öffentlichkeit zu schaffen, über die regionale Presse und übers Internet. Und mit den Gaststättenbetreiber:innen sprechen und sie darüber informieren, was da stattfindet", so Schwarz. Auch Hindrichs appelliert an die Zivilcourage. Man sollte auf keinen Fall rechte Musik laufen lassen, ob in einer Bar, auf einer Kirmes oder im Bierzelt. "Einfach zum Chef des Ladens gehen und sagen: Mach das Ding aus!"
Plattformen in die Verantwortung nehmen, Videos zu löschen
Für Schwarz und Hindrichs ist es wichtig, dass die Plattformen, auf denen rechtsextreme Musik läuft, stärker in die Verantwortung genommen werden. "An der Stelle bin ich wirklich für Repression, Repression, Repression", so Hindrichs. Die Betreiber von YouTube, Instagram und Co dürften sich nicht darauf ausruhen, dass rechtsextreme Inhalte unter die Meinungsfreiheit fallen, meint der Musikwissenschaftler aus Mainz. Hier sollten Hindrichs zufolge Deutschland und die EU schärfere Regulierungen auf den Weg bringen.