Bayern 2 - Zündfunk

Pulp kehren nach 25 Jahren mit neuem Album zurück "Es hatte damals etwas von ganz schlimmer Darmverstopfung"

Fast 25 Jahre nach ihrem letzten Studioalbum, melden sich Pulp zurück – auch wenn die Widerstände in der Band gegen ein neues Album sehr groß waren. Jarvis Cocker aber dachte sich: "Jetzt oder nie".

Von: Amy Zayed

Stand: 02.06.2025

Die Band Pulp sind wieder mit einem neuen Album da | Bild: Tom Jackson

Zündfunk: Jetzt habt ihr dieses tolle Album fertig gemacht. Aber verdammte Hacke: 25 Jahre! Hat das jetzt ein paar Jahre in euren Köpfen gereift, und dann habt ihr gesagt: Wir machen ein neues Album. Oder dachtet ihr plötzlich: Hey, wir machen es jetzt einfach? Was ist passiert? 

Candida Doyle: 25 Jahren war es definitiv noch nicht geplant, ein neues Album zu machen. 

Jarvis Cocker: Deshalb haben wir ja auch aufgehört. Es hatte damals etwas von ganz schlimmer Darmverstopfung. Wir haben 2023 wieder angefangen, zu touren und einen neuen Song während der Soundchecks zu proben. Und den haben wir dann in Sheffield einfach gespielt. Der Song hieß… 

Candida: Hymn of the North. 

Jarvis: Der ist ganz gut angekommen und wir hatten Spaß ihn zu spielen. Das war wahrscheinlich die erste Inspiration. 

Candida: Dann bin ich misstrauisch geworden und hab Jarvis gefragt: Du willst Doch nicht etwa, dass wir ein neues Album machen, oder? Ich war überhaupt nicht überzeugt und dachte: Bitte nicht! Und Jarvis meinte: ach, quatsch. Ich probiere nur neue Songs aus!  

Jarvis: Dabei dachte ich schon genau zu dieser Zeit: Wenn wir ein Album machen wollen, dann jetzt oder nie! Ich wollte es noch nicht laut aussprechen, weil ich wusste, dass die anderen Bandmitglieder von den beiden letzten Alben noch traumatisiert waren. Keiner hatte Lust, zwei Jahre seines Lebens damit zu verbringen, ein Album zu machen. Dann haben wir ein paar Probentermine vereinbart, jeder hat ein paar Ideen mitgebracht und am Ende hatten wir plötzlich 15 Songs. Unsere Managerin meinte: Ich hör es mir am Wochenende an und sage euch, ob es sinnvoll ist, ein neues Album zu machen. Das war das längste Wochenende meines Lebens. Weil man sich nicht vorstellen kann, dass es wirklich gut genug ist. Oft redet man sich ein, etwas sei gut, auch wenn es einfach nicht gut ist. Das tut man nicht nur in der Musik.  

Mein Lieblingstrack auf der Platte ist "Grown-ups".  

Jarvis: Das ist der älteste Track auf dem Album. Als ich die Lyrics gehört habe, war ich total berührt, weil es so krass reflektiert, was man sich damals unter Erwachsenwerden vorgestellt hat, was man heute mit dem Erwachsensein verbindet, und wie man sich dabei fühlt. 
Das erste Demo des Instrumentals gab es schon 1996, als wir "This is Hardcore" gemacht haben. Ich wußte, der Song sollte "Grown-ups" heißen, aber ich hatte keinen Peil, worüber ich eigentlich schreiben wollte. 2011 auf Tour hab ich dann irgendwelche Lyrics geschrieben, aufgenommen, und es unserem mittlerweile verstorbenen Bassisten Steve Mackey vorgespielt. Der sah mich nur an und meinte: Warum willst du den alten Kaffee wieder aufwärmen? Als wir dann beschlossen haben, das Album zu machen, dachte ich: Jetzt ist wohl die letzte Chance für diesen Song wirklich zu entstehen. Auch die Anderen mochten ihn anfangs nicht. Aber zu dem Text: Ich kann mit dem Älterwerden besser umgehen als früher. Wir haben den Song "Help the Aged" geschrieben als ich 33 Jahre alt war. Ich weiß nicht warum, aber ich fühlte mich damals schon alt, so als hätte ich eine Art Verfallsdatum überschritten. Ich wollte nie älter werden. Als Kind wollte ich immer Kind bleiben. 

Peter Pan also. 

Jarvis: So wurde ich von meinem Französischlehrer genannt: "Du kannst doch nicht dein Leben lang den Peter Pan spielen", hat er gesagt. "Warum denn nicht?", habe ich ihm entgegnet. Ich fand Erwachsenwerden einfach sinnlos. Warum sollte man Verantwortung übernehmen? Mir ist klar geworden, dass man sich mit dem Älterwerden natürlich verändert, aber dein Wesen verändert sich nicht. Du bist immer noch die gleiche Person, aber du hast einfach viel mehr gesehen und getan.  

Ich habe gelesen, dass Du sagst, dass Du auf diesem Album das erste Mal über Deine Gefühle sprichst. Dabei empfinde ich es gar nicht so. Wenn wir zum Beispiel uns "Different class" angucken, da gibt’s den Song "Feeling Called Love". Und hier haben wir auf diesem Album vielleicht die Weiterführung des Songs mit "Got to have love", wo Du übrigens genau wie auf "Feeling called love" das Wort Liebe andauernd buchstabierst. 

Jarvis: Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Aber bei "Feeling Called Love" beschreibe ich Liebe als etwas Zerstörendes, etwas, wovor ich panische Angst habe. Dieses Gefühl, wenn man sich verliebt, und es dein Leben verändert, in Stücke reißt. Bei "Got to Have Love" dagegen ist die Liebe eine Art Fundament, auf der man aufbauen kann.  

Vielleicht ist es ja beides, Teil 2 des ersten Songs. 

Jarvis:  Absolut. Bloß habe ich beim Schreiben darüber bewusst nicht nachgedacht, weil ich wollte, dass es spontan passiert. Man kann ja zuerst einfach mal machen, und dann herausfinden, warum man es gemacht hat. Denn das Zu-viel-drüber-nachdenken hat unseren beiden letzten Alben nicht gutgetan.  

"More" von Pulp erscheint am 6. Juni 2025 bei Rough Trade