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Meinung: Rechtsruck im Pop Der Mainstream-Pop biedert sich dem Faschismus an – kein Wunder

Popkultur als Bollwerk gegen Faschismus? Das ist ein Trugschluss. Unerwartet unstabil zeigen sich zum Beispiel US-Stars wie Kim Kardashian oder Gwen Stefani. Und auch in Deutschland wird Pop rechter. Verwunderlich ist das nicht. Ein Kommentar.

Von: Ferdinand Meyen

Stand: 01.04.2025 | Archiv

Kim Kardashian posiert mit Tesla-Roboter | Bild: Instagram/Kim Kardashian/Steven Klein

Ein Besuch auf dem Instagram-Profil von Kim Kardashian erinnert aktuell an eine überfüllte Herrensauna. Man kommt schnell ins Schwitzen und wenn man sich verguckt, erspäht man etwas sehr Unappetitliches. Im Fall Kardashian genügt ein Blick nach unten rechts – auf einen Post vom 14.03.2025.

Kim Kardashian auf Tesla-Cybertruck

Für eine Fotostrecke des "PERFECT MAGAZINE" macht Kardashian Werbung – Achtung – für Tesla. Leicht bekleidet streckt sie ihre Brüste in die Kamera, lasziv-lehnend auf einem schwarzen Cybertruck. Neben ihr ein goldener Tesla-Roboter, den Kardashian auf weiteren Fotos anflirtet. Der Höhepunkt der Foto-Story: Arm in Arm liegen Kardashian und der Tesla-Robo auf einer weißen Matratze im Sonnenuntergang am Strand.

Gwen Stefani macht auf Gloria von Thurn und Taxis

Der Kardashian-Tesla-Pakt ist kein Einzelfall. Der Mainstream-Pop ist längst nicht mehr das Bollwerk gegen den Faschismus, für den er noch immer gerne gehalten wird. Nachdem Beyonce bei den Grammys abgeräumt hat und Kendrick Lamar den Superbowl gerockt hat, las man ja, wie woke und links der Pop sei. Aber es gibt auch die andere Seite – und die wird stärker.

Beispiel zwei: Die ehemals feministische Punk-Ikone Gwen Stefani. Auch die flirtet derzeit mit dem rechten Milieu. Zum Beispiel – darauf verweist die Kulturhistorikerin Annika Brockschmidt – indem sie immer wieder für Gebets-App "Hallow" wirbt. In die auch J.D. Vance und der Milliardär Peter Thiel investieren. "Finde den Frieden Gottes im Gebet, bete jeden Tag auf Hallow, der Nummer 1 Gebets-App der Welt", heißt es auf der Website. Für Experten ist die App der Vorbote des post-liberalen Amerikas. Gwen Stefanis Entwicklung erinnert ein bisschen an Gloria von Thurn und Taxis. Auch die galt früher als Punk, und ist heute Fan von Trump. Noch tritt Stefani zwar nicht wie die Fürstin bei "Achtung Reichelt" auf – in ihrem neusten Musikvideo gibt die No-Doubt-Sängerin inklusive Pferd und Cowboy-Hut in bester Yellowstone-Manier jedoch schon das Country-Tradwife. Von der Punkerin mit blauen Haaren zur traditionellen Ehefrau in der poshen Villa.

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Gwen Stefani - Somebody Else's (Official Music Video)

Von wegen links-grüne Meinungsmacht im Pop

Kein Wunder: Wenn rechte Positionen im Diskurs salonfähiger werden, erlebt auch rechte Musik einen Boom. Nicht nur in den USA, sondern auch hier in Deutschland. Kürzlich ist zum Beispiel der Song "Patriot" von CASHMO erschienen. Der Rapper, der sich selbst "Alman" nennt, singt hier über seine Vaterlandsliebe für die ihn der Staat angeblich "zum Feind macht". Gegen Linke, Feministinnen, das SEK und die Regierung rappt Cashmo an. Mal im Trainingsanzug vor der Frankfurter Skyline, dann wieder im schwarzen SUV. Innerhalb der ersten sechs Tage hat es schon 123.000 Klicks. 

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Cashmo - Patriot (Official Video) prod Milez & StanTuned

Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen

Der Name CASHMO verweist dabei auf das zugrunde liegende Problem. "Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen", sagte einst Max Horkheimer. In einer Zeit, in der die neuen Rechten selbst Milliardäre sind, und rechte Politik auf Gangster-Kapitalismus setzt, ist der Spruch aktueller denn je. Auch die neue Rechte ist profitabel, kombiniert Vaterlandsliebe, Geldverdienen und Verschwörungstheorien. Was Alman-Rapper wie CASHMO und eiskalt berechnende Popstars wie Gwen Stefani und die Kardashians ausnutzen. Und die neue Rechte braucht den Mainstream Pop als Grundlage für ihre Ideologie. Mit der eigenen Peer-Group macht man sich sonst nur zur Lachnummer.

Nostalgie-Futurismus als rechte Kulturstrategie 

In Italien setzt Giorgia Meloni beispielsweise auf eine Renaissance des nationalistischen Futurismus aus dem 20. Jahrhundert, der Avantgarde-Bewegung, die schon dem italienischen Faschismus unter Mussolini nahestand. Meloni fördert entsprechende Kunstprojekte massiv. Auch in Russland wird musikalischer Retro-Futurismus gefeiert. Dort hat sich zum Beispiel das Genre "Z-Pop" gebildet. Der Sänger "Shaman", der als Putins Liebling gilt, spaziert in einem Video, das dem von Gwen Stefani erschreckend ähnlichsieht, zum Beispiel ebenfalls durch‘s Kornfeld und singt: "Ich bin Russe, ich gehe bis zum Ende".

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SHAMAN ‐ Я РУССКИЙ музыка и слова - SHAMAN

Wo ist die Gegenbewegung im Mainstream? 

Eine wirkliche Gegenbewegung im Mainstream bleibt dagegen aus. Stattdessen ertränkt man den Frust wohl lieber in Alkohol und Eskapismus. In "Wackelkontakt", dem aktuellen Nummer-eins-der-Charts-Song heißt es: "Wär‘ ich ein Möbelstück, wär‘ ich eine Lampe aus den Siebzigern. Ich glüh gern vor, ich geh gern aus, mir haut’s die Sicherungen raus." Ist das auch schon ein Hauch Retro-Futurismus? In jedem Fall wünscht man sich glatt in die überfüllte Herren-Sauna zurück.