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Interview mit Dylan-Übersetzer Gisbert Haefs "Dylan hat Lyrik wieder zum Klingen gebracht"

Bob Dylan gewinnt den Literatur-Nobelpreis! Darüber freut sich Dylan, aber auch Gisbert Haefs.Der Autor hat Anfang des Jahrtausends alle bis dahin erschienenen Songs von Dylan ins Deutsche übersetzt. Wir haben mit ihm gesprochen.

Von: Barbara Streidl und Oliver Buschek

Stand: 13.10.2016

1984 Bob Dylan | Bild: picture-alliance/dpa

Manche mögen ja auch entsetzt sein: Der Literatur-Nobelpreis für einen Musiker! Dann kriegt Lady Gaga wahrscheinlich auch bald einen, wurde heute schon gewitzelt. Aber: Bob Dylan ist in seiner Art mit Text umzugehen, gar nicht so weit weg von z.B. Shakespeare. Wir sprachen mit Gisbert Haefs, er hat sämtliche Songtexte Dylans mühsam ins Deutsche übersetzt.

Zündfunk: Herr Haefs, heute ist ein großer Tag, auch für Sie. Bob Dylan hat den Literatur Nobelpreis gekriegt. Ich schätze mal Sie haben sich mit ihm gefreut, oder?

Gisbert Haefs: Natürlich habe ich mich mit ihm gefreut. Ich war ein Moment  sehr gerührt heute Mittag, als das durchkam. Und da er mich schon seit so vielen Jahren aus der Ferne begleitet, oder ich ihn, habe ich mich natürlich sehr gefreut. Natürlich mit besonderer Verbundenheit, nicht nur als alter Hörer,   sondern auch als Übersetzer.

Ihr großes Werk ist dieser gewaltige Ziegelstein von einem Buch „Bob Dylan. The Lyrics. 1961 bis 2001“. Insgesamt 1183 Seiten. Alle Songtexte, die es bis dahin gab, daneben die in von ihnen verfasste deutsche Übersetzung. Warum haben Sie sich das angetan?

Aus Liebe. Ich hab früher viel Musik gemacht und da war er natürlich einer meiner Hausheiligen. Als dann der Verlag fragte, ob ich jemanden wüsste, der  ihn vielleicht übersetzen könnte, konnte ich natürlich die Finger nicht unten lassen.

Warum muss man Dylan übersetzen? Viele haben ja auch gemosert : „Das braucht es gar nicht. Das muss doch nicht sein.“

Gisbert Haefs

Ja, es gibt doch so viele Leute deren Englisch doch gar nicht so gut ist. Und warum sollten die denn auf ewig abgeschnitten werden. Die gleiche Frage könnte man natürlich stellen: Warum muss man Shakespeare oder Homer oder sonstige übersetzen. Man könnte sie ja auch im Original lesen. Aber wir können nun nicht 100 verschiedene Sprachen sprechen.

Wissen Sie noch bei welchem Song Sie sich am schwersten getan haben?

Das waren wohl die Basement Tapes, mit ungeheuer viel amerikanischer Umgangssprache und Anspielungen, bei denen ich zum Teil überhaupt nicht wusste, wovon er redet.

Haben Sie mal versucht ihn anzurufen und nach dem ein oder anderen Tipp gefragt?

Ne, ich glaub auch nicht, dass man an ihn rankommt. Aber:  Zwei , drei gute Freunde in New York, die konnten mir da sehr helfen.

Nun sind Sie ja eigentlich jemand, der das Werk von Dylan kennt wie kein zweiter. Wer übersetzt, der muss sich da tief reinwurschteln und auch analysieren. Hat er jetzt den Literatur-Nobelpreis eigentlich verdient?

Ich finde ja. Denn was er gemacht, ist, die Lyrik zu ihren Wurzeln zurückzuführen. Lyrik ist eigentlich etwas, das man zur Leier singt, wie das Wort schon sagt. Heines „Buch der Lieder“ heißt nicht „Buch der Lieder“, weil es nicht gesungen werden soll. Und ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Lyrik immer akademischer und zerebraler geworden. Lyrik wieder zum Klingen zu bringen, dass sie eben nicht nur an die Großhirnrinde, sondern auch an Bauch und Herz gerichtet ist – allein das hätte den Preis verdient.

Gibt’s einen Text, von dem Sie sagen: Hier wird seine Kunst zur Perfektion geführt? Wenn man verstehen will, warum der Mann Nobelpreisträger geworden ist, welchen Song sollte man da hören?

Dann solle man eine gute Flasche Rotwein aufmachen, am liebsten einen Burgunder, und sich „Visions of Johanna“ sehr laut anhören.


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