Bayern 2 - Zündfunk

Rassismusvorwürfe "Die Reaktion der Polizei ist häufig allergisch und mit Abwehr"

Bahar Aslan, Dozentin an der Polizeihochschule Duisburg, twitterte über ihre Angst vor rassistischen Polizeikontrollen - danach wurde sie entlassen. Polizeiforscher Tobias Singelnstein über den Fall, Hetze und rassistische Strukturen in der Polizei.

Von: Oliver Buschek

Stand: 24.05.2023

Tobias Singelnstein, Professor für Kriminoloie und Rechtswissenschaft schaut vor dunklem Hintergrund in die Kamera | Bild: Uwe Dettmar, Goethe Universität Frankfurt

Dieser Tweet sollte Bahar Aslan ihren Job an der Polizeihochschule in Duisburg kosten:

"Ich bekomme Herzrasen, wenn ich oder eine Freund*in in die Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die vieler Menschen in diesem Land #Polizeiproblem"

- Bahar Aslan

Medial und in Sozialen Netzwerken schlägt Bahar Aslan nun viel Kritik entgegen. Am Montag entschloß sich ihr Arbeitgeber, die Hochschule der Polizei Duisburg, ihren Vertrag nicht zu verlängern. Die Kölnerin unterrichtet dort das Fach "Interkulturelle Kompetenzen". Die Hochschule begründete den Schritt in einem Statement damit, die Dozentin sei "aufgrund ihrer aktuellen Äußerungen ungeeignet sowohl den angehenden Polizistinnen und Polizisten als auch den zukünftigen Verwaltungsbeamtinnen und -beamten eine vorurteilsfreie, respektive fundierte Sichtweise im Hinblick auf Demokratie, Toleranz und Neutralität zu vermitteln“. Doch viele Stimmen verteidigen Bahar Aslan in ihrer Kernaussage. Gerade in Straßenkontrollen würden Menschen migrantisch gelesene Personen viel häufiger von der Polizei kontrolliert.

Zündfunk-Moderator Oliver Buschek hat Tobias Singelnstein gefragt, in wie weit Bahar Aslans Aussagen ernst genommen werden sollten. Singelnstein ist Jurist und Kriminologe an der Frankfurter Goethe-Universiät. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Polizeigewalt und rassistischen Strukturen.

Zündfunk: "Wer Hass und Hetze verbreitet, muss gehen" hat Gregor Golland von der CDU-Fraktion im Nordrheinwestfälischen Landtag gesagt. Michael Mertens von der Gewerkschaft der Polizei hat gefordert, Bahar Aslan sowohl "straf-, als auch arbeitsrechtlich" zu prüfen. Und die Polizeischule Duisburg hat nach dem Tweet die Zusammenarbeit aufgekündigt - sind das Belege dafür, dass sie mit ihrere Behauptung zu weit gegangen ist?

Tobias Singelnstein: Ich würde sagen Nein. Die Äußerungen werden jetzt sehr unterschiedlich interpretiert. Ich glaube, wenn man sich den Text des Tweets anschaut, sieht man, dass sie weder die Polizei insgesamt gemeint hat, noch das konkret auf Menschen bezogen hat. Sondern eben auf Rassismus und Rechtsextremismus, den es in der Polizei gibt. Ich glaube, es ist wichtig, da ganz genau hinzuschauen. Ich kann auch nicht Hass und Hetze erkennen und wüsste nicht, in welchen rechtlichen Gesichtspunkten das strafbar sein sollte oder arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte.

Bahar Aslan

Dann reden wir doch mal über den Inhalt der Äußerungen. Ist es wirklich so, dass Migrant*innen heute Angst haben müssen in Polizeikontrollen Rassismus oder gar Gewalt zu erfahren? Sie haben dazu geforscht: Wie groß ist die Angst und wie berechtigt ist sie?

Man muss verschiedene Perspektiven auf das Thema unterscheiden. In der Forschung sehen wir, dass fremd gelesene Menschen, rassifizierte Menschen, oder mit unsichtbaren Migrationshintergrund, häufig die Erfahrung machen, dass sie regelmäßig von der Polizei kontrolliert werden. Es gibt zum Beispiel den "Afro Zensus", das ist eine Befragung von Schwarzen Menschen in Deutschland, aber auch auf EU-Ebene verschiedene groß angelegte quantitative Untersuchungen. Die belegen alle, dass es in diesen gesellschaftlichen Gruppen viele Menschen gibt, die sagen, dass sie häufig oder sogar sehr häufig von der Polizei kontrolliert werden, ohne dass es dafür einen ersichtlichen Anlass gibt. Wir sehen außerdem in unserer Forschung zur polizeilichen Gewaltausübung auch, dass solche Situationen in gewaltvolle Eskalationen umschlagen können. Insofern muss man sagen, dass die Wahrnehmung von diesen Menschen schon sehr lange und sehr konstant gibt und wissenschafltich belegt ist. Und das muss man ernst nehmen.

Sie sagen umschlagen können. Heißt das, das sind immer noch Ausnahmefälle, dass dann Festgenommene rassistisch beleidigt oder gar rassistische Gewalt erfahren? Oder ist das ist das Teil eines strukturellen Problems?

Wie häufig es vorkommt, können wir anhand unserer Daten nicht sagen. Aber wir sehen, dass es unterschiedliche Formen von Rassismus und Diskriminierung in der Polizei gibt. Rassismus ist ein Problem, das es nicht nur in der Polizei gibt, sondern was ein Problem in der Gesellschaft insgesamt ist. Aber es zeigt sich auch in der Polizei. Unsere Daten zeigen, dass es durchaus so etwas wie bewusste rassistische Einstellungen gibt, also ideologische Abwertung aus Ungleichheit. Diese Vorstellungen schlagen sich nieder in Beleidigungen oder Erniedrigung. Über die Häufigkeiten können wir aus unseren Daten wenig sagen. Aber es gibt auch andere Formen von Rassismus, also unbewusste stereotype Vorurteile, die zu Pauschalisierungen führen können, die sich im dienstlichen Handeln niederschlagen. Dann gibt es noch strukturellen Rassismus. Das heißt, wenn die Rahmenbedingungen der Organisation, die rechtlichen Grundlagen, die Aufgaben und Tätigkeiten, das Wissen, was in der Polizei weitergegeben wird, wenn diese Bedingungen dazu führen, dass es zu diskriminierenden Praktiken kommt, ohne dass die handelnden Beamtinnen und Beamten solche Einstellungen haben.

Nun ist ja Rassismus bei der Polizei ein seit Jahren diskutiertes Thema. Es gab rechtsextreme Chats von Polizeibeamten, es gab die Weigerung des damaligen Bundesinnenministers Horst Seehofer, eine quasi offizielle Studie über Rassismus bei der Polizei in Auftrag geben zu lassen. Mittlerweile gibt es so eine Studie und die ersten Zwischenergebnisse sind nicht sehr beruhigend. Die zeigen in eine ähnliche Richtung wie die Studie, aus der Sie gerade zitiert haben. Was ist denn nun Ihr Eindruck, wie die Polizei selbst mit diesem Thema umgeht?

Die Polizei tut sich sehr schwer mit dem Thema. Ich glaube, das sieht man in den Reaktionen auf Bahar Aslan und ihren Tweet. Die Reaktion ist häufig allergisch und mit Abwehr. Das gilt nicht für die Polizei insgesamt. Es gibt auch Teile in der Polizei, die erkannt haben, dass das wirklich ein Probleim ist. Für die Polizei, auch für die polizeiliche Arbeit und dass man sich damit auseinandersetzen muss. Aber besonders die Gewerkschaften, die jetzt hier auch wieder laut geworden sind, die reagieren auf solche Vorwürfe immer noch recht allergisch. Da stellt sich dann natürlich schon die Frage: wie weit ist es her mit der Bereitschaft sich wirklich damit auseinanderzusetzen.

Es macht gerade ein Tucholsky-Zitat die Runde. Zum einen mit Blick auf die Razzia bei der letzten Generation, aber eben auch mit Blick auf die Debatte um Bahar Arslan. Das Tucholsky Zitat lautet "In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht". Würden Sie zustimmen?

Ich finde es jedenfalls bemerkenswert, wie die Reaktionen auf diesen Tweet ausfallen. Er wird so negativ wie irgendwie möglich ausgelegt. Es wird mit aller Vehemenz reagiert, nicht nur im Netz, sondern mit realen Folgen. Anstatt sich die Frage zu stellen, wie es eigentlich dazu kommt, dass Menschen mit Migrationshintergrund oder rassifizierte Menschen, die Polizei als Problem wahrnehmen und nicht als ihren Freund und Helfer. Und wie man vielleicht in einen Austausch kommen könnte, für den Bahar Aslan ja gerade angestellt war an der Hochschule. Das finde ich schon sehr problematisch.