„Pamela: A Love Story“ Wie Prominente uns mit als Dokus getarnten Image-Filmen einlullen
Pamela Anderson tut, was Harry und Meghan, Paris Hilton oder Janet Jackson vorgemacht haben: Sie erobert sich mit einer „Doku“ die Deutungshoheit über ihre Geschichte zurück. Ein Befreiungsschlag – aber auch ein gutes Geschäft.

Pamela Anderson setzt sich auf ihre weiße Couch im Landhausstil und scherzt: „Wie wäre es, wenn ich alle Interviews nackt mache?“ Nacktheit gibt es keine, ein Kleid trägt sie dann doch. Aber Anderson verspricht dafür die nackte, ungeschminkte Wahrheit. Was sie noch dadurch unterstreicht, dass sie kaum geschminkt ist.
Dieser Moment auf der Couch verdichtet in wenigen Sekunden, welches Bild Pamela Anderson in der Netflix-Produktion „Pamela: A Love Story“ von sich zeichnen will: nahbar, offenherzig, selbstironisch. Mit Punchlines wie: „Ich sage ja immer: Meine Brüste hatten eine Karriere – und ich hing dran.“ Und mit Szenen, in denen sie mit ihrer Mutter Maultaschen anbrät oder im Supermarkt vor dem Regal mit den Haarfärbemitteln erzählt, sie färbe sich in nur 20 Minuten die Haare selbst: „Skandinavisches Blond für fünf Dollar die Packung, ich komme!“
Bilder wie aus der Margarine-Werbung
So erfrischend die Selbstironie ist, so bekannt kommen einem die Bilder vor. Einerseits weil sie genau das suggerieren sollen: Schaut her, ich bin genauso normal wie ihr (oder wie das, was uns die Margarine-Werbung als normal verkauft). Auch Pamela Anderson muss den Müll rausbringen, den Rasen mähen und den Hund füttern.
Andererseits sind die Szenen einem deshalb so vertraut, weil es zuletzt einen regelrechten Boom von sogenannten „Dokus“ über Stars und Personen des öffentlichen Lebens gab. Von „Janet Jackson“ (auf Sky Documentary) über „This Is Paris“ (auf Paris Hiltons YouTube-Kanal) bis zu den Netflix-Produktionen über Taylor Swift, Prinz Harry und Meghan Markle – und jetzt eben Pamela Anderson. Das Wort „Doku“ ist hier aber immer in Anführungszeichen zu setzen, weil der Preis dafür, dass die Stars darin offen plaudern und nie zuvor veröffentlichte Tagebuchauszüge, Homevideos und Liebesbriefe (oder Liebeschatnachrichten) herausgeben, ist, dass es eigentlich gar keine Dokus sind.
Auch Harry & Meghan lieben Rosen, Hunde und ihre weiße Couch
„I want to take control of the narrative for the first time“, sagt Pamela Anderson folgerichtig in ihrem Netflix-Film. Sie will ihre Geschichte endlich selbst erzählen. Ein Satz, der auch von Harry & Meghan stammen könnte. Auch sie haben eine Netflix-„Doku“ gedreht. Auch sie pflücken darin Rosen im Garten und sind ganz verrückt nach ihren Hunden. Und auch sie sitzen (wenn auch verkrampft-zugeknöpfter als Anderson) auf einem weißen Sofa und kommentieren ihr eigenes Leben: „Niemand kennt die ganze Wahrheit – außer uns“, sagt Harry. „Ist es nicht sinnvoller, unsere Geschichte von uns zu hören?“, fragt Meghan.
„Nicht wirklich“, möchte man antworten. Sinnvoll wäre es, euch zuzuhören – und trotzdem unbequeme Nachfragen zu stellen. Wie passt es zum Beispiel zusammen, dass ihr (zu Recht) Respekt für eure Privatsphäre einfordert, aber dann selbst intime Details über andere preisgebt, die dem sicherlich nicht zugestimmt haben? Wie sehr profitiert ihr von der euch so verhassten royalen Rolle? Wie lebt es sich ganz ohne Geldsorgen? Und ist die Setzung eines eigenen Narrativs wirklich nur Befreiungsschlag – oder auch ein verdammt gutes Geschäft?
„Love, Pamela“
Wie Harry veröffentlicht auch Pamela Anderson nun parallel zur Netflix-Produktion eine Autobiografie. „Love, Pamela“, heißt sie. Immerhin, das klingt weniger larmoyant als der Buchtitel „Reserve“ des Prinzen, der sich als ewiger Ersatzmann sieht. Und diese Haltung passt wiederum zum Grundton ihres Filmes: „Ich bin kein Opfer“, resümiert Anderson darin. „Ich habe mich in verrückte Situationen begeben und sie überlebt.“
Was nicht bedeutet, dass hier nicht ähnlich eindrücklich wie in den anderen Schein-Dokus aufgezeigt würde, wie frauenverachtend Talkmaster, Tabloid-Blätter oder auch Anwälte mit ihr umgesprungen sind. Zum Beispiel, als ein aus ihrem Haus gestohlenes Sextape ohne ihre Einwilligung veröffentlicht und zu Geld gemacht wurde. Oder als Anderson sich als junge Mutter nach einer Party von ihr auf die Pelle rückenden Papparazzi ernsthaft anhören musste: „Du Junkie! Wo ist dein Kind um diese Uhrzeit?“
Pamela Anderson wurde zum Sexsymbol erhoben – und zugleich dafür verachtet
„Pamela: A Love Story“ legt die Doppelmoral nicht nur der amerikanischen Gesellschaft offen, die eine Frau zum Sexsymbol erhebt und sie zugleich dafür verachtet. Wer sich einmal ausgezogen hat, so der Mechanismus, verdient keinen Respekt mehr. Dabei ist der entscheidende Unterschied zwischen einem freiwilligen Playboy-Cover (oder auch rekordverdächtigen 14 Stück wie bei Anderson) und einem illegal veröffentlichten Sexvideo: die Einwilligung.
Das ist eine der zentralen Botschaften von Andersons filmischem Selbstportrait. Und das ist durchaus emanzipatorisch. Der andere rote Faden, der sich durch den Film spinnt, kommt dagegen spießig-konventionell daher. Eigentlich sei es ihr immer nur um die Liebe gegangen. Ein Haus, ein Mann, zwei Kinder und der Familienhund – mehr braucht Pamela Anderson nicht. So weit, so Harry-&-Meghan-mäßig. Doch gerade als Anderson umgeben von Kerzen in einer Badewanne voller Schaum ihrer verlorenen Liebe nachtrauert und man ausschalten möchte, da kriegt der Film doch noch die Kurve.
Die Pointe von „Pamela: A Love Story“ ist nämlich, dass Anderson am Ende doch noch einmal die Konventionen bricht. Ihr Glück findet sie nicht in einem Mann in schillernder Rüstung, der auf dem Ross auf sie zureitet (kein Witz, genau das hat der Rockstar Tommy Lee, mit dem sie zwei Kinder hat, einmal getan). Nein, sie packt ihre Koffer und verlässt die Häuslichkeit, um am Broadway auf der ganz großen Bühne zu stehen.
Die Liebe, die Pamela Anderson in ihrer „Liebesgeschichte“ am Ende wählt, ist die Liebe zu sich selbst. Ein schönes Fazit – das umso schöner wäre, wenn nicht, wie bei allen Schein-Dokus, die Frage bliebe: Wenn man so gern im Scheinwerferlicht steht und von der Bühne in die Menge schaut, warum scheut man sich dann vor jemand Unabhängigen, der zurückblickt und Fragen stellt?
„Pamela: A Love Story“ (114 Minuten, Regie: Ryan White) ist seit dem 31.01. bei Netflix zu sehen. Trailer hier.