Bayern 2 - Zündfunk

Münchner Sicherheitskonferenz Warum die Friedensbewegung nicht vom Pazifismus abrückt

Auf der diesjährigen Sicherheitskonferenz in München ist vieles anders: Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wird die Gespräche dominieren. Das Thema spaltet auch das Lager der Demonstrant*innen: Wie soll man sich positionieren, wenn man doch immer klar gegen die NATO und für den Frieden war?

Author: Ferdinand Meyen

Published at: 17-2-2023

19.02.2022, München - Anti-Siko-Demozug durch die Münchner Innenstadt: Teilnehmer der Demonstration gegen die Münchner Sicherheitskonferenz am Stachus mit Totenkopfmaske, Trommel und Kostümen. | Bild: BR/Manuel Rauch

„Verhandeln statt schießen“, „Abrüsten statt Aufrüsten“, „Aktiv werden gegen die NATO-Kriegspolitik“: Mit diesen Slogans wirbt das Aktionsbündnis gegen die Münchner Sicherheitskonferenz dafür, am Wochenende auf die Straße zu gehen. Zehntausende Demonstranten sollen kommen, aus unterschiedlichsten Lagern und mit unterschiedlichsten Gründen.

„Ich demonstriere gegen die Sicherheitskonferenz in dem Bewusstsein, den verbrecherischen russischen Angriffskritik zu verurteilen, aber gleichzeitig auch darauf hinzuweisen, dass mit der NATO und der Sicherheitskonferenz ein Instrument des Westens in der Hand ist, das genauso auf Kriege und Mittel der Ausbeutung setzt“, sagt Kerem Schamberger von der Linken. Er spricht zusammen mit seinen Kolleginnen Emma Lhebib und Laya von München International am Freitagabend im Eine Welt Haus über die „Die NATO und ihre Kriege“. Zum Beispiel die Angriffe der Türkei in Syrien und Nordkurdistan oder die Besetzung der Westsahara durch Marokko. Gegen die Sicherheitskonferenz zu demonstrieren sei wichtig, sagen sie, um angesichts des Kriegs in der Ukraine andere Krisen nicht aus den Augen zu verlieren.

Eine komplizierte Gemengelage

Und doch steht die Friedensbewegung dieses Jahr vor einer komplizierten Gemengelage: Mitten drin in einer Debatte, die die Öffentlichkeit seit Wochen beschäftigt. Wie kann das sein, dass Bündnisse dazu aufzurufen, aktiv zu werden gegen „NATO-Kriegspolitik“? Schließlich war es doch Russland, das die Ukraine angegriffen hat. Und der Slogan: „Frieden schaffen ohne Waffen?“ Kann man den angesichts der aktuellen Lage überhaupt noch skandieren?

Andreas Zumach ist ein Urgestein der Friedensbewegung

Andreas Zumach kommt jedes Jahr zur Sicherheitskonferenz nach München. Er ist ein Urgestein der Friedensbewegung, war über 20 Jahre lang UN-Korrespondent der taz. Er sagt: „Der Slogan ist gültiger und richtiger als je zuvor. Es ist nur ein törichtes Missverständnis zu glauben, ‚Frieden schaffen ohne Waffen‘ hätte immer nur gemeint, in einer konkreten Situation, wo ein Konflikt bereits auf die Gewaltebene eskaliert ist und eine Seite Waffen einsetzt, zu sagen, wir setzen aber unsererseits keine Waffen ein.“

Gegenveranstaltung Münchner Friedenskonferenz

Dieses Jahr hält Zumach einen Vortrag auf der Münchner Friedenskonferenz, einer Gegenveranstaltung, die jedes Jahr parallel zur Sicherheitskonferenz stattfindet. Zumachs Position: Es ist nach wie vor wichtig, gegen Waffenlieferungen und für Verhandlungen zu kämpfen. Aber geht das überhaupt noch mit Wladimir Putin? „Ich bin alt genug, um mich daran zu erinnern, wie häufig bei früheren Gewaltkonflikten das auch über die jeweils andere Seite gesagt wurde. Das ging im Vietnamkrieg los. Bis sich in Washington diejenigen durchgesetzt haben, die gesagt haben, wir müssen mit den Kommunisten, die wir da angegriffen haben, verhandeln, hat es lange gebraucht. Weil es vorher hieß, mit denen kann man nicht.“

Den Schulterschluss mit den Rechten vermeiden

Immer mehr schauen wie Zumach besorgt auf die Waffenlieferungen an die Ukraine. Wie kürzlich der Philosoph Jürgen Habermas in einem Essay in der Süddeutschen Zeitung, oder Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht mit ihrem Manifest für den Frieden, das fast 500.000 Menschen unterschrieben haben. Aber: Darunter sind viele aus dem rechten Lager. Auch zur Sicherheitskonferenz sind Demos aus dem AfD-Bereich und vom rechten Compact-Magazin angemeldet. Das Aus für die progressive, sich als links verstehende Friedensbewegung? Maria Feckl organisiert die Friedenskonferenz. Sie will einen Schulterschluss mit den Rechten vermeiden, auch nicht mit der AfD gemeinsam demonstrieren: „Es ist eine heftige Diskussion. Für mich ist es entscheidend, wer wo am Kopf steht. Wenn wir jetzt das Manifest für den Frieden nehmen von Wagenknecht und Schwarzer: Man muss schauen, wer waren die Erstunterzeichner und was sind die Inhalte. Und wenn dann irgendwo an 120. Stelle auch ein AfD-Mensch unterschreibt, kann er das machen, das zerstört für mich nicht das Manifest“, so Feckl.

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Ihre Kritik an der Sicherheitskonferenz: Auf einer privaten Veranstaltung, die von Rüstungs- und Waffenkonzernen gesponsert wird, entscheiden hochrangige Politiker über die Zukunft der Außenpolitik. Das untergrabe die Demokratie, weil die Waffenkonzerne mitbestimmen können. „Eigentlich alle namhaften Rüstungskonzerne sind Sponsoren der Sicherheitskonferenz: Rhein-Metall, Krauss Maffei, etc. etc. Es ist definitiv kein politisch gewähltes Gremium“, sagt Feckl.

Die Regierung derweil sieht das anders. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder beschreibt die Münchner Sicherheitskonferenz zum Beispiel als „ein Treffen der hellen Seite der Macht“.