Bayern 2 - Zündfunk

Marco Pogo über das Ende der Bierpartei Kann man als Punksänger mehr bewirken als in der Politik?

Die österreichische Bierpartei tritt nicht mehr zur Wien-Wahl oder anderen Wahlen an. Im Interview erklärt Parteigründer und Punksänger Dominik Wlazny alias Marco Pogo, welche Vorteile Punks in der Politik haben und warum es mit "Politik im klassischen Sinn" vorbei ist.

Von: Ferdinand Meyen

Stand: 22.04.2025 | Archiv

Marco Pogo, Sänger der Band Turbobier, auf der Bühne | Bild: picture alliance / FLORIAN WIESER / APA / picturedesk.com | FLORIAN WIESER

Im Jahr 2022 belegte Dominik Wlazny noch den dritten Platz bei der Wahl zum österreichischen Bundespräsidenten. Trotzdem schließt seine Bierpartei das Kapitel Partei "im klassischen Sinn" ab. Wlazny, den man als Marco Pogo auch als Sänger der Punkband Turbobier kennt, will das Projekt wieder anders weiterführen. Im Interview erklärt er, warum es mit der Politkarriere erstmal vorbei ist – und inwiefern man als Punksänger vielleicht sogar mehr bewirken kann als in der Politik.

Zündfunk: Die Bierpartei tritt dieses Jahr nicht mehr bei der Wien-Wahl an. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Marco Pogo: Wir haben die letzten fünf Jahre an drei sehr großen Wahlen im Land teilgenommen: bei der Wien-Wahl 2020, bei der Bundespräsidentenwahl 2022 und bei der Nationalratswahl 2024. Somit haben wir die heilige Dreifaltigkeit der heimischen Innenpolitik durchgespielt und haben uns jetzt gegen einen weiteren Antritt in Wien entschieden.

Auf der Website der Bierpartei heißt es, sie schließt das Kapitel als "klassische Partei". Was heißt das konkret für die Zukunft?

Für uns ist Politik nicht unbedingt von einem Mandat abhängig. Man kann sich auch so äußern, abseits davon, dass man in irgendeiner Bezirksvertretung oder einem Gemeinderat sitzt. Wir haben im letzten Jahr bei der Nationalratswahl mit wirklich begrenzten Ressourcen das Bestmögliche für uns rausgeholt. Das können wir jetzt auf die Schnelle nicht nochmal machen, weil dafür sind wir in Wahrheit auch viel zu klein. Das Team ist überschaubar. Das geht sich, wie man bei uns sagt, einfach nicht aus.

Wie schaut die Bierpartei zurück auf die letzten fünf Jahre im Bezirksrat in Wien und auf die letzten zehn Jahre als Partei?

Es war eine total spannende Zeit und es war wirklich sehr, sehr lehrreich. Wir haben in den fünf Jahren, wo wir in der Bezirksvertretung gesessen sind, hunderte Anträge eingebracht, die das Leben der Menschen im Bezirk verbessern sollten und das auch getan haben. Und wir haben erreicht, die österreichische Politlandschaft ordentlich durchzuschütteln und die Bierpartei von einer Mini-Idee in die heimische Champions League der Politik hochzufahren. Ich bereue keine Sekunde davon. Wir haben ja als reines Satireprojekt begonnen. Aber zu dem Zeitpunkt, wo klar war, dass wir wirklich in elf Bezirken vertreten sind, war auch klar: Jetzt müssen wir was Gescheites damit machen. Sonst ist es schade darum, da jetzt wirklich nur blöde Witze zu reißen. Blöde Witze gehören auch dazu in der Politik und vieles in der Politik ist auch ein blöder Witz an sich.

Welche Anträge haben das Leben der Menschen denn konkret verbessert, die die Bierpartei gestellt hat? Gibt es da ein oder zwei Beispiele?

Zum Beispiel einer der letzten Anträge, die wir gemacht haben über die Gratisabgabe von Hygieneartikeln für Frauen in den Bezirken. Wir haben eine Menschenrechtsfahne in einem Kreativwettbewerb von Schülern und Schülerinnen entwerfen lassen. Wir haben uns für öffentliche Proberäumlichkeiten eingesetzt. Wir haben uns in der Zeit der Pandemie für konsumfreie Räumlichkeiten in den Bezirken eingesetzt, wo man nicht unbedingt beim Wirt was bestellen muss, sondern wo sich junge Menschen auch so treffen können. Bis hin zur besseren Beleuchtung von Bushaltestellen in den Bezirken, was für viele Leute auch ein wichtiges Thema ist. Das klingt jetzt ein bisschen profan, aber in Wahrheit hat das auch dazu beigetragen, dass der Bezirk ein Stück weit besser geworden ist.

Marco Pogo war kein Politprofi, als er in die ganze Sache reingegangen ist. Wie schaust du auf das politische Geschäft zurück? Hättest du es dir so vorgestellt, wie es letzten Endes gelaufen ist? Oder gab es auch Dinge, die überraschend und krass waren?

Vielleicht war es genau dieser frische Zugang, den die Politik eigentlich auch braucht. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Menschen engagieren müssen, sich einbringen müssen in Zeiten wie diesen. Das muss nicht immer über eine Partei sein, sondern das können auch zivilgesellschaftliche Initiativen sein. Wir haben es halt als Partei probiert und nachdem ich kein Politprofi bin, war das alles in Wahrheit totales Neuland. Und wenn ich gewusst hätte, wie es ist, hätte ich es wahrscheinlich auch nicht gemacht. Wie rau dieser Ton oft ist. Und was einem da an Feindseligkeiten, vor allem von den anderen Parteien, entgegenschlägt.

Geht es zu viel um den eigenen Machterhalt und nicht so sehr um die Probleme der Menschen?

Am Ende des Tages geht es sehr vielen nicht darum, wirklich etwas besser zu machen, sondern um den Erhalt der Wählerstimme. Deswegen war auch jedes Mal, wenn ich irgendwo kandidiert habe, immer nur die Rede von diesen "Stimmen wegnehmen".

Es war auch relativ rasch klar, dass die Bier-Partei für das etablierte Parteiensystem schon eine Gefahr darstellt. Das haben mir auch andere hochrangige Politiker im Land gesagt. Das war schon heftig manchmal. Damit hätte ich einfach nicht gerechnet.

Vielleicht bin ich dahingehend auch etwas naiv. Ich denke, in der Politik soll es nicht darum gehen, jemandem etwas wegzunehmen, sondern für die Menschen ein bisschen was besser zu machen. Das ist die Kernaufgabe.

Gibt es da ein Beispiel, an dem man das konkret festmachen kann? Ich kann mir das schwer vorstellen, wenn man da irgendwo durch so ein Parlamentsgebäude läuft und dann wird einem ein böser Spruch zugeworfen oder wie läuft das?

Nein, nein. Das spielt sich im Internet ab. Sofort, wenn man irgendetwas vor sich gibt, gibt es die Gegenreaktion des politischen Mitbewerbers. Wenn ich in einer TV-Diskussion sitze, dann kann ich die Uhr danach stellen, dass der Generalsekretär von einer Partei, die mit uns in Konkurrenz steht, sofort eine Presseaussendung macht, was das für ein Auftritt eigentlich war und so weiter. Es geht sehr oft darum, den anderen runterzumachen. Ich glaube auch nicht, dass das die eigene Basis mehr mobilisiert, sondern dass es eher dazu beiträgt, dass sich immer mehr Menschen angewidert von der Politik abwenden. Das sollte es eigentlich nicht sein. Ich muss eigentlich niemanden schlecht dastehen lassen, nur um mich selbst besser dastehen zu lassen. Die Parteien sollten mehr miteinander arbeiten und sich nicht permanent derart in die Goschen hauen.

Jetzt bist du auch Punksänger. Welche Vorteile hat man denn als Punksänger oder als Musiker gegenüber einem Politiker?

Alle! Einfach alle Vorteile. Ich war nie ein Berufspolitiker. Ich habe damit nie meine Rechnungen bezahlen können. Das war immer nur eine Leidenschaft, der ich nachgegangen bin oder der Wunsch, sich einzubringen. Natürlich hast du als Punk-Sänger tausendmal mehr Freiheiten als als Politiker. Das ist leider so. Wenn du als Politiker was von dir gibst, dann kannst du sicher sein, das ist am nächsten Tag in allen Zeitungen. Das raubt ein bisschen die Freiheit, Dinge ganz offen auszusprechen, wie du sie jetzt gerade denkst. Man verkopft sich, und als Sänger auf der Bühne muss man sich überhaupt nicht verkopfen. Das ist eigentlich etwas Schönes.

Kann man dann auch mehr bewirken als Sänger auf der Bühne?

Ich habe das eigentlich nie gemacht, von der Bühne heruntergepredigt. Ich finde auch nicht, dass ein Konzert eine Art Kundgebung sein sollte. So wie ein Fußballer sich politisch äußern darf, wie jeder Mensch seine Meinung kundtun darf, darf es natürlich auch ein Musiker. Das ist auch notwendig. Ich glaube, bei der derzeitigen Situation in der Welt sollte jeder, wenn er ein Unrecht sieht, es auch laut aufzeigen dürfen.

Aber gerade die Songs werden doch auch politischer. Wenn man an den Turbobier-Hit "Arbeitslos" denkt, das Helene-Fischer-Cover. Wenn man das in Deutschland aufführt…

Bürgergeld!

Das wird doch immer politischer, obwohl es schon zehn Jahre alt ist.

"Arbeitslos" würde ich genauso nochmal spielen, nochmal aufnehmen.

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TURBOBIER - Arbeitslos (OFFIZIELLES VIDEO)

Geht das auch besser auf den Konzerten? Auch dieses "Wir müssen alle mehr arbeiten" ist ja etwas, was sich politisch in den letzten Jahren wahnsinnig gesteigert hat.

Vielleicht singen die Leute heute noch lauter "Arbeitslos" mit als vor zehn Jahren, weil sie eben merken: "Okay, das könnte zum Problem werden." Der Wunschtraum ist für viele in weite Ferne gerückt. Aber die Nummer wird immer ein Hit sein. Da muss ich Helene Fischer echt dankbar sein. Aber Turbobier ist immer eine sehr exzessive Nummer gewesen. Wir lieben den Exzess und wir lieben das Augenzwinkern. Ich liebe es zu kokettieren, auch etwas zu sagen, was ein bisschen über die Grenzen hinausgeht. Das ist der Sinn und Zweck einer Punkband, einer satirischen Punkband. Da muss man nicht alles so ernst nehmen. Das Leben ist eh relativ ernst, da kann man zumindest bei einem Konzert ein paar Stunden den Kopf aufs Durchzug schalten. Und dafür stehen wir.

Die Bierpartei soll auch weiterhin, heißt es, einen "Beitrag leisten, dass in Österreich weiter kritisch gedacht wird" und "der Stachel im Fleisch sein". Was wären denn aktuell wichtige Punkte, wo man der Stachel im Fleisch sein kann?

Bis vor wenigen Wochen hätte Österreich eine Kanzlerschaft unter der FPÖ gedroht. Und das Vorbild Ungarns stand immer im Raum, auch für die FPÖ. Man sieht es in Ungarn, welche illiberalen Kräfte über die Justiz vorherrschen, die ausgehöhlt wird. Die freie Medienwelt, die sukzessive beschnitten wird, Oppositionelle, die keinen Fuß mehr auf den Boden bringen. Das kann man in "real life" in Ungarn sehen. Das ist unser Nachbarland. Das hätte in Österreich auch gedroht, hätten sich die demokratischen Kräfte nicht irgendwie zusammengerauft. Da braucht es eine wachsame Zivilgesellschaft, die ganz genau hinschaut und laut aufschreit, bevor die liberale Demokratie, wie wir sie kennen, ausgehöhlt wird. So gesehen sehe ich unsere Aufgabe, uns weiter mit dem Stillmittel des Humors zu äußern.