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Beste Alben der Zehner Jahre "Lonerism" von Tame Impala ist der Defibrillator für psychedelischen Gitarrenrock

Sie haben den Psychrock wiederbelebt. Dazu die verhallte Kopfstimme von Mastermind Kevin Parker, die Gitarren- und Orgeljams. Tame Impala besiegeln das neopsychedelische Revival final. Platz zehn der "Heroes of the decade".

Von: Matthias Hacker

Stand: 29.11.2019 | Archiv

Kevin Parker und Tame Impala auf einem Konzert | Bild: picture alliance / Photoshot

Voll auf Acid. So kann man das Video zur Tame Impala Single "Elephant" beschreiben. Schwerer Bass, schwere Riffs, und die einzelnen Bilder zerspringen immer wieder wie unter einem Kaleidoskop. LSD Ästhetik, Batik-Effekte und Mandalas: Nicht nur klanglich, sondern auch visuell wird die Musik zum bewusstseinserweiternden Trip.

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Tame Impala - Elephant | Bild: tameimpalaVEVO (via YouTube)

Tame Impala - Elephant

Tame Impala lassen Hippies wieder cool aussehen

Sie machen zwar Mukkersound, sind aber keine eklig verschwitzten Altrocker, sondern coole, junge Hipster-Dudes von der Ostküste Australiens. Tame Impalas Sound ist nicht altbacken, sondern Retro oder Vintage – genauso wie die Klamotten ihrer Fans. Auf Festivals trägt man Mitte des Jahrzehnts dann plötzlich wieder Hippie-Kleidung.

Teenies haben Blumenkränze im Haar, kaufen Batik-Shirts und Tame Impala liefern den Soundtrack dazu. Kevin Parker ist dazu der perfekte Posterboy aus Perth. Er bedient sich zwar immer noch – wie schon auf dem Debüt „Innerspeaker“ am Werkzeugkasten der späten 60iger und frühen 70iger, entstaubt sogar Relikte wie den „Flanger“- Gitarreneffekt. Dabei dreht Parker die Hall-Regler gerne auf Anschlag. Aber die Tame-Impala Idee ist auf "Lonerism" im Jahr 2012 nicht mehr nur psychedelisch, Krautrock und Pop spielen eine immer größere Rolle. Durch die Synthesizer bekommen die Songs mehr Schwere und Tiefgang, durch klarer herausgearbeitete Hooks und Refrains werden die Songs tanzbarer und mitsingbar – sozusagen: snackable.

Vom Kritikerliebling zur Hipsterband

Als Tame Impala das Album 2014 in der Münchner Theaterfabrik spielen, steh ich verdutzt im Publikum. Ich staune, wie jung das Publikum ist und wie textsicher sie die Hymnen lauthals mitsingen. Ich hab verpasst, wie die Band vom Kritikerliebling zur angesagten Hipsterband gewachsen ist. Kritiken, sagt mir Kevin Parker vorm Konzert, hat er eh nie sonderlich beachtet. "Es interessiert mich viel mehr, wenn ein Album von Kritikern gehasst wird", sagt er.

Tame Impala - Lonerism | Bild: Roughtrade

Platz zehn der "Heroes of the decade" - Tame Impalas "Lonerism"

Für Kevin Parker ist es eine größere Genugtuung, wenn Kritiker ein Album verreißen, "als wenn sie deine Musik für besonders intelligent halten". Er mag es nicht, wenn Musik zu verkopft klingt. Ihm geht es um den Moment, um das Machen.

Kevin Parker ist Tame Impala. Die Stimme, das Gesicht und der Komponist der Band. Er ist der „Loner“ - der Einzelgänger und Eigenbrötler. Vor allem in seinem Himstudio. Zuerst baut er im Alleingang alle Spuren sorgfältig zusammen, nimmt sie auf - und dann erst spielen sie die Songs live. "Wenn wir die Songs einüben, klingt das immer so, als würde ich meine eigenen Songs covern. Ich kann den anderen so auch zeigen, wie ich es gemeint hab", sagt Kevin Parker.

"It feels like we only go backwards" - Das Herzstück von "Lonerism"

Eine Sache muss er jedoch gar nicht groß erklären. Der zentrale Satz findet sich in der Mitte des Albums. Das Herzstück von "Lonerism" trägt die Botschaft schon im Titel: "It feels like we only go backwards". Vordergründig erzählt der Song eine Beziehungsgeschichte. Aber der Subtext ist ein anderer. "Es fühlt sich an, als würden wir nur rückwärtsgehen". Das ist Kevin Parker wohl auch bewusst geworden, nachdem es immer wieder blöde Sprüche gab wie "Tame Impala" sind "Same Impala" – als würde er sich nur in der Vergangenheit bedienen. Kurz darauf antwortet sich Parker selbst: "Every part of me says go ahead". Das Mastermind will nicht nur zurück schauen, soundtechnisch in der Vergangenheit schwelgen, sondern experimentieren und musikalische Zukunft gestalten.

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Tame Impala - Feels Like We Only Go Backwards | Bild: tameimpalaVEVO (via YouTube)

Tame Impala - Feels Like We Only Go Backwards

Deshalb sieht sich Kevin Parker, wie er sagt, "eher als Teil einer Bewegung, die nicht nur Retro-Psychrock aufleben lassen will". Für ihn sei da mehr. Tame Impala sei nicht die Speerspitze der Bewegung, meint er bescheiden. Psychedelische Musik sei schon immer eine mächtige Musik gewesen. Eine, "die Sachen mit dir anstellt, die kein anderes Genre schafft".


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