Bayern 2 - Zündfunk

"Silver Haze" von SQÜRL Warum Regisseur Jim Jarmusch mit 70 sein Debütalbum veröffentlicht

Mit 70 Jahren hat der Regisseur Jim Jarmusch unter dem Namen SQÜRL sein allererstes Album veröffentlicht. Marcel Anders hat sich mit dem Arthouse-Regisseur über günstige Soundtracks, heftige Umlaute und den Einfluss von Nick Cave unterhalten.

Von: Marcel Anders

Stand: 04.05.2023

Regisseur Jim Jarmusch singt mit seiner Band SQÜRL in ein Mikrofon | Bild: Beatrice Jansen

Jim Jarmusch ist ein Name, den man eigentlich mit Arthouse-Klassikern wie „Down By Law“, „Mystery Train” oder „Night On Earth” assoziiert, die der weißhaarige New Yorker seit den frühen 80ern geschaffen hat. Doch zuletzt ist es – zumindest cineastisch – merklich ruhiger um den medienscheuen Regisseur geworden. Aus gutem Grund: Jarmusch versucht sich als Sänger und Gitarrist der Band SQÜRL, die nun ihr Debüt-Album „Silver Haze“ veröffentlicht. Wir haben mit dem 70-Jährigen gesprochen.

Zündfunk: Herr Jarmusch, ist die Filmindustrie tot – oder was veranlasst Sie in Ihrem Alter noch zu einem Berufswechsel?

Jim Jarmusch: Die Industrie ist wirklich tot – oder: sie stirbt gerade. Das hat sich schon vor der Pandemie abgezeichnet, als es mit jedem Film schwieriger statt einfacher wurde, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen. Die letzten zwei Jahren hatte ich dann endgültig genug von der Filmwelt.

Dabei gibt es SQÜRL schon 14 Jahre – ohne, dass Ihr Duo mit Carter Logan je ein Album gemacht hätte. Ging es anfangs nur darum, günstige Soundtracks zu Ihren Filmen einzuspielen?

Was für eine krasse Frage! (lacht). Nein, ich habe schon mit den unglaublichsten Musikern an Film-Scores gearbeitet. Von daher ging es nicht ums Geld - das war nie das Problem. Zumal ich mit Leuten wie Neil Young oder RZA Deals hatte, die so aussahen, dass sie mir die Musik zur Verfügung stellten, während ich ihnen die Rechte garantiert habe. Insofern hatte das nichts mit Sparen zu tun, sondern es war so: Als ich vor Jahren an einem Film namens ´The Limits Of Control´ gearbeitet habe, konnte ich keine Musik dafür finden. Ich hatte etliche Szenen mit Songs von den Black Angels gefüllt, aber da waren noch viele kleine Passagen, für die ich nichts Passendes fand. Wie diese Szene, in der ein Typ ins Museum geht, sich ein einzelnes Kunstwerk anschaut, und wieder umdreht. Da passte nichts – bis mein Cutter Jay Rabinowitz meinte: „Warum machen Carter und du das nicht selbst? Ihr habt doch nichts zu verlieren.“ Also haben wir es probiert – und es hat funktioniert. Die Musik haben wir dann auch als EP veröffentlicht – unter dem Namen Bad Rabbit. Wir dachten, es wäre eine einmalige Sache. Aber wir haben immer mehr Musik gemacht – und wurden zu Sqürl.

Warum ein Bandname mit deutschem Umlaut – einem „ü“?

Das ist pure Affektiertheit. Ich meine, warum hat Blue Öyster Cult einen Umlaut? Warum Motörhead? Wir wissen es nicht – aber Sqürl hat auch einen. Er suggeriert etwas Heftiges, Metallisches. Von daher dachten wir: ´Das sollten wir unbedingt aufgreifen.´“

Weil Ihr Sound ebenfalls heftig ist? Ein manischer Rock Noir?

Genau! Wir lieben diese Drone-Sounds. Aber auch Stoner Metal und den Haze-Rock von Mazzy Star oder den Psychic Ills – diese atmosphärischen Sachen. Und wenn wir unsere Songs live spielen, tendieren wir zu langsamen, verschleierten Versionen. Deshalb nennen wir unseren Stil ´Oxybilly´ - für Oxycodon-Rockabilly. Nicht, dass wir Drogen nehmen, aber es hat etwas Narkotisches.

Und etwas Cineastisches. Gerade die Bildsprache in „Berlin´87“ ist sehr intensiv. Handelt das Stück von der Zeit, als Sie selbst in der Mauerstadt gelebt haben – und was hat sie damals dorthin verschlagen?

Ich musste damals einfach raus aus New York. Es war eine Phase, in der es bei mir nicht so gut lief und deshalb wollte ich weit weg. Irgendwer hat mir eine Wohnung in Berlin angeboten; für etwa ein Jahr. Also bin ich da hin - ohne zu wissen, was mich erwartet. Es war ziemlich trostlos. Egal, in welche Richtung man fuhr: Binnen von 15 Minuten stand man wieder vor der Mauer. Von daher war es klaustrophobisch und düster. Aber es passierten umwerfende Sachen: Nick Cave hat sein Buch ´And The Ass Saw The Angel´ geschrieben – und ich habe oft mit ihm abgehangen. Einstürzende Neubauten haben gespielt und es gab tolle Bands wie Malaria oder Die Haut – diese Instrumental-Gruppe von Christoph Dreher. Insofern war es musikalisch cool - aber auch ziemlich einsam.

Wenn Sie nicht selbst singen, lassen Sie Charlotte Gainsbourg Gedichte von John Ashbery rezitieren. Sind Sie ein Fan der Schauspielerin oder der Musikerin?

Ich liebe Charlotte – als Musikerin wie Schauspielerin. Sie ist wahnsinnig talentiert - und so natürlich. Sie hat schon so viele Filme gedreht, und auch ihre Musik ist besonders: Sie hat etwas von ihrem Vater und der Gesang, der fast nicht vorhanden ist, ist wunderbar. Genau wie ihr Akzent. Da ich sie kenne, habe ich sie einfach gefragt. Sie hat zugesagt – und ich war begeistert.

Wie geht es bei Ihnen weiter? Arbeitet Jim Jarmusch wieder an neuen Filmen??

Während der Pandemie habe ich viel geschrieben, und jetzt sind da zwei Drehbücher und ein Filmprojekt, das ich vorbereite. Ich hoffe, Ende des Jahres mit den Dreharbeiten zu beginnen. Denn: Ich kann es kaum erwarten, wieder hinter der Kamera zu stehen. Gleichzeitig habe ich aber auch keine Lust, im Krankenhaus zu landen, weil irgendein Filmverleih ständig an meinem Budget herumstreicht. Den Stress brauche ich nicht. Insofern soll es beim nächsten Film möglichst ruhig und kontrolliert zugehen. Mal schauen, was passiert.