„Can And Me“ Diese Doku erzählt die Geschichte des letzten überlebenden Gründungsmitglieds von Can
Von dem ursprünglichen Can-Quartett lebt nur noch einer: Keyboarder Irmin Schmidt. In seiner Doku „Can And Me“ zeichnet Regisseur Michael P. Aust Schmidts Geschichte nach, vom Studium bei Stockhausen bis zur Arbeit an Soundtracks und privater Idylle in der Provence.

Zunächst mal ist „Can And Me“ ein konventioneller, chronologisch erzählter Dokumentarfilm. Das heißt, wir erfahren zuerst etwas über die Kindheit Irmin Schmidts, dessen Vater ein Mitläufer der Nazis war, und an dem sich der junge Mann notwendigerweise abarbeiten musste, wie die ganze Nachkriegsgeneration.
Aber wirklich konventionell ist eben nicht viel im Leben dieses Musikers. Wir hören einiges von seinem Studium an der Hochschule für Musik Köln. Dort belegte er beim legendären Karlheinz Stockhausen Komposition, lernte aber auch die Arbeiten des Amerikaners John Cage und des Ungarn György Ligeti kennen.
"Bei Stockhausen ging es um Form, bei Cage ging es gerade nicht darum, sondern um die Auflösung von Form. Bei Ligeti ging’s um ganz praktische Arbeit an Klangfarben."
Irmin Schmidt
Es sind eben die Swinging Sixties, in denen Irmin Schmidt Musik studiert. Und statt sich der neuen Klassik zuzuwenden, trifft er zunächst den Bassisten Holger Czukay und wenig später den Schlagzeuger Jaki Liebezeit und den Gitarristen Michael Karoli, die aus ganz unterschiedlichen Genres – von Jazz bis Rock – zueinander finden. Schon damals und zum Glück für die Band ist Irmins Frau Hildegard Schmidt an Bord und managt die Band, hält den Musikern den Rücken frei. Sie und Irmin sind seit nunmehr fast 60 Jahren zusammen – und Hildegard hat auch in diesem Film viel zu erzählen, zum Beispiel davon, wie Can sich nicht nur einen Übungsraum im ländlichen Weilerswist eingerichtet haben, sondern dass sie dort auch die konservative Bevölkerung für sich einnehmen konnten.
„Can And Me“ steckt voller solcher Anekdoten und historischer Clips, die in schneller Folge am Zuschauer vorbeifliegen. Wir bekommen vermittelt, wie sehr sich die Band außerhalb des üblichen Pop–Kosmos bewegt hat. Nachdem der erste Sänger der Band, der Amerikaner Malcolm Mooney, zur Armee einberufen wurde, wurde sein Nachfolger Damo Suzuki durch puren Zufall auf der Münchner Leopoldstraße entdeckt.
"Wir hatten einen Auftritt und nachmittags saßen Jaki und Holger in so ’nem Café. Da ging Damo vorbei – Gitarre spielend – und sang. Und Holger hat ihn gepackt und ihn gefragt: Hast du Lust, heute Abend mit uns aufzutreten?"
Irmin Schmidt
Aber der Titel des Dokumentarfilms „Can And Me“ ist auch ein wenig irreführend, denn die gesamte zweite Hälfte dieser 90 Minuten geht um das, was Irmin Schmidt nach der Auflösung der Band im Jahr 1979 gemacht hat. Er gründete nämlich keine weitere Band, sondern arbeitete in erster Linie als Komponist für Kino- und Fernsehfilme. Und Irmin griff auf seine klassisch-avantgardistische Ausbildung zurück und schrieb 1998 sogar eine Oper, allerdings seine einzige.
"Das Publikum war begeistert. Die Kritiker, die fanden es scheiße, außer die englischen Kritiker, die begeistert waren. Ich schreib nicht noch ’ne Oper, das ist ’ne Scheiß-Arbeit."
Irmin Schmidt
„Can And Me“ kommt dem letzten überlebenden Gründungsmitglied der legendären Band Can sehr nahe. Die Kamera begleitet ihn bei Spaziergängen durch die französischen Provence, wo er und Hildegard seit Jahrzehnten leben. Und so ganz nebenbei erhalten wir Einblick in das Leben eines integren Künstlers, der das Glück und das Talent hatte, sich niemals verkaufen zu müssen.
Die Doku "Can And Me" läuft ab dem 9. März 2023 im Kino. Hier geht's zum Trailer.