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Russkaja-Auflösung „Es ist ein schrecklicher Krieg, darauf müssen wir Rücksicht nehmen“

Es ist „der traurigste Tag der Bandgeschichte“. Mit diesen Worten hat die Gruppe Russkaja kurz vor Beginn ihrer geplanten Tour die Auflösung bekannt gegeben. Angesichts des Ukraine-Kriegs geht das Spiel mit russischen und sowjetischen Klischees nicht mehr. Ferdinand Meyen hat mit Bandleader Georgij Makazaria gesprochen.

Author: Ferdinand Meyen

Published at: 15-2-2023

Russkaja-Sänger Georgij Makazaria, 2023 | Bild: picture alliance / Gorg Hochmuth / APA / picturedesk.com

„Die Russen sind da nach einem Tagesmarsch“, singt Georgij Makazaria von der Band Russkaja in einem ihrer bekanntesten Songs „Energia“. Vor zehn Jahren hat die Ska-Band aus Wien den Song veröffentlicht: Damals ein Spiel mit der Doppeldeutigkeit. Aber seit dem Krieg geht die Zeile für viele nicht mehr, erzählt der Sänger: „Wir spielen viel mit Klischees. Mit starken Ausdrücken, so wie ‚Die Russen sind da nach einem Tagesmarsch‘. Für uns hat das eine ganz andere Bedeutung: Wir wurden von Veranstaltern immer als ‚Russen‘ abgekürzt. Da hieß es: ‚Die Russen spielen jetzt bei uns im Club‘. Und ‚Tagesmarsch‘ war für uns, dass wir mit unserem Bus einen Tag lang irgendwo hinfahren und dann haben wir noch bisschen Zeit zum Aufbauen bevor die Party los geht.“

Lustige Satire bekam bitteren Beigeschmack

„Was vor dem 24. Februar 2022 noch lustige Satire in der Musik war, ist jetzt nur noch tragisch mit einem sehr bitteren Beigeschmack“, schreiben Russkaja zu ihrer Auflösung. Klar, Russkaja heißt übersetzt „Das Russische“. Kein Wunder, dass sie auch Zielscheibe von Hass im Netz werden und ihre Textzeilen als pro-russisch interpretiert werden. Dabei weiß, wer Russkaja kennt, dass die Band bis heute für Frieden und Kosmopolitismus steht. Wiederholt sprachen sich alle Mitglieder gegen den Krieg aus. Sänger Georgij Makazaria will mit seiner Band keinen politischen Auftrag erfüllen: „Wir wollen Musik machen, damit die Leute Freude haben. Wir sind Musiker und wollen unterhalten.“

Und unterhaltsam waren sie ja schon, die Russkaja-Konzerte. Die coolste Nummer bei jedem Konzert war „Der Psycho Traktor“. Ein Song, der die russische Begeisterung für Traktoren auf den Arm nimmt und bei dem das Publikum im Circle Pit im Kreis lief, immer auf der Flucht vor dem imaginären Traktor. Eine Konzert-Maßnahme zur Kollektivbewusstseinserweiterung, scherzte die Band immer.  

Ein letztes Album

Russkaja sind die Showband bei "Willkommen Österreich"

Zum Abschied haben Russkaja jetzt noch ein neues Album veröffentlicht, das größtenteils noch vor dem Krieg geschrieben wurde: „Turbo Polka Party“. Nach dem russischen Angriff haben sie noch den Song „No Borders“ geschrieben, der jetzt der Album-Opener ist. „Als ich den zum ersten Mal fertig gehört habe, sind mir die Tränen in die Augen gekommen. Eine sehr schöne Message, das war sehr emotional für mich“, sagt Georgij Makazaria.

Die Auflösung ist keine Promo-Maßnahme für das neue Album, stellt der Sänger klar. Es geht um den Krieg, und das, was er für die Menschen vor Ort bedeutet. Georgij Makazaria ist in Moskau geboren und hat Familie in Russland. Bassist Dimitrij Miller ist Ukrainer – seine Familie muss in der Ukraine kämpfen. Obwohl die Bandmitglieder trotz Krieg bis heute befreundet sind, reifte die Überzeugung: Das Bandkonzept passt einfach nicht mehr zur Weltlage. Das Russkaja-Konzert in München zum Beispiel, hätte am 24. Februar stattfinden sollen, dem Tag des Kriegsbeginns. Georgij Makazaria: „Es gibt viele, die jetzt traurig sind. Aber so ist das halt in diesem Leben. Es ist ein schrecklicher Krieg und man muss auf die Menschen und deren schrecklichen Zustand Rücksicht nehmen –  und das machen wir auch.“

Hoffnung, dass etwas bleibt

Also keine Russkaja-Konzerte mehr. Der Krieg hat Auswirkungen auf die Kultur, ob man möchte oder nicht. Georgij Makazaria hofft trotzdem, dass bei den Menschen etwas von dem bleibt, was er in 18 Jahren Russkaja immer vermitteln wollte: „Die schönen Momente, die sollen in Erinnerung bleiben. Das Miteinander, wenn man glücklich nach einem Konzert, ausgepowert vom vielen Tanzen, nach Hause geht und sich einfach gut fühlt. Und dieses Gefühl des Friedens soll jedem Kraft geben.“

Und immerhin: Irgendwie und irgendwann wollen die Musiker weitermachen, unter welchen Namen, wie genau und in welcher Besetzung, weiß allerdings noch niemand.