Bayern 2 - Zündfunk


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"A Hero's Death" Fontaines D.C. scheitern nicht an ihrem zweiten Album - im Gegenteil

Das zweite Album ist oft eine große Bürde. Gerade, wenn der Vorgänger so hart gefeiert wurde, wie das Fontaines-D.C.-Debüt "Dogrel" aus 2019: Platte des Jahres bei BBC 6 und im Rough Trade Shope, Album der Woche beim Zündfunk und ganz weit oben in den meisten Jahresbestenlisten. Viele Bands zerbrechen an dem Druck, doch mit ihrer neuen Platte "A Hero's Death" begeistern die jungen Iren erneut auf ganzer Linie.

Von: Achim Bogdahn

Stand: 03.08.2020

Fontaines D.C. | Bild: BR/Florian Schairer

Da ist er wieder, dieser Sprechgesang von Frontmann Grian Chatten, mit irischem Akzent, das Geschnodder mochten wir schon bei The Fall oder bei den Sleaford Mods. Im Musikvideo zum gerade gehörten Titeltrack "A Hero´s Death" sieht man einen Fernseh-Talkshow-Moderator alter Schule, wie er sich hinter den Kulissen vor dem Spiegel in Szene setzt und Gesten, spontanes Lachen, Emotionen und Empathie einübt. Alles falsch. Alles fake. Die Texte von Fontaines D.C. sind wie ein Blick hinter die Fassaden unserer Existenz. Misanthropische Slogans wie "Das Leben ist immer leer", oder "“Ich will nicht zu irgendwem gehören" werden repetitiv zitiert. Man kommt ihnen nicht aus.

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Fontaines D.C. - I Don't Belong (Official video) | Bild: Fontaines DC (via YouTube)

Fontaines D.C. - I Don't Belong (Official video)

Im Song "I Don't Belong" zum Beispiel weht der Geist der Smiths. Eine Außenseiterhymne, das Lebensgefühl: unverstanden, aber ungebrochen. Ausgegrenzt, aber mir doch wurscht. Aber bevor alle in Depression ausbrechen, wird gleich im nächsten Song alles konterkariert mit der Aussage "Love Is The Main Thing" - "Liebe ist das Wichtigste". Oder im Song "No" die wunderbare Zeile "Sperr Dich bitte nicht weg, das Grau ist doch ganz nett“- so textet man nur in Irland. Gitarrist Carlos hat mir im Interview erzählt, dass er und Sänger Grian Gedichte lieben und sogar selber schon Bücher herausgebracht hatten, bevor der Rock´n‘Roll dazukam.

Mit dem erst zweiten Album schon den ganz eigenen Signature-Sound gefunden

Fontaines D.C. haben ein unglaubliches Jahr hinter sich, sie haben 50 Konzerte zusammen mit ihren Labelkollegen, den Idles, in Nordamerika gespielt und alleine neun Auftritte beim SXSW 2019 in Austin, Texas absolviert. Vor Corona, logischerweise. Auch in den USA haben sie durch ihre energetischen Auftritte Herzen im Sturm erobert und durften anschließend auch in Kalifornien im Studio ihre Musik einspielen. Vielleicht kommen daher auch diese Surfgitarren-mäßigen Klänge, die auf "A Hero's Death" ab und zu kurz die Bremse reinhauen. An solchen Stellen ist die Platte angenehm lakonisch, wie manchmal bei The Notwist. Musikalisch erinnern die Fontaines D.C. auch an die Arctic Monkeys und die wilden Stellen haben was von den guten alten Stooges oder von The Velvet Underground. Die Liveenergie ist wie bei den Idles. Der Bass wie bei Joy Division. So könnte man die Liste fortsetzen und wäre trotzdem auf dem Holzweg. Denn Fontaines D.C. haben schon jetzt, mit ihrem zweiten Album ihren ganz eigenen Signature-Sound gefunden und der ist nicht nur retro, nicht nur in die Musikvergangenheit gerichtet. Er weist ganz klar nach vorne.

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Fontaines D.C. - A Hero's Death (Official Music Video) | Bild: Fontaines DC (via YouTube)

Fontaines D.C. - A Hero's Death (Official Music Video)

Viele junge Bands in Irland wollen genau so klingen wie Fontaines D.C. 2019 auf dem Erstling "Dogrel", nach Post Punk. Aber es ist gar kein Postpunk, sagt Gitarrist Carlos im Interview: "Es ist nur Rock´n Roll". Das ist natürlich total tiefgestapelt. Denn die Band ist viel weiter. Epischer, experimenteller, vielseitiger, noch musikalischer und melodischer. Vielleicht sind Fontaines D.C. die derzeit interessanteste Indie-Band der Welt. Und wenn nicht, auch egal. Spitzenplatte jedenfalls.


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