Generator Podcast Work hard? Warum Lohnarbeit nicht hält, was sie verspricht
Wir leben in einer Kultur, die uns sagt: Wer viel und hart arbeitet, kann alles erreichen. Wohlstand, Respekt, Erfüllung. Aber das stimmt nicht. Das große Versprechen unserer Elterngeneration kann der heutige Markt nicht mehr halten. Zeit, unser Mindset anzupassen.
"Heutzutage will niemand mehr wirklich arbeiten. Mein Vorschlag: Kriegt euren Arsch hoch und arbeitet." Dieser "gute Rat" der Millionen-Erbin und Unternehmerin Kim Kardashian schlug im März 2022 ein wie eine Bombe.
Arroganz und Realität
Die Reaktionen darauf waren vor allem: wütend. Der Tenor: Kardashians Aussage zeigt, wie wenig sie als reicher und privilegierter Mensch vom Leben vieler normaler Amerikaner*innen versteht – die oft mehrere Jobs zum Überleben brauchen. Die hart arbeiten – und es trotzdem nicht oder nur gerade so schaffen, über die Runden zu kommen.
Kim Kardashians Worte hätten vor ein paar Jahren vielleicht noch nicht so viel Widerspruch ausgelöst. Doch die Pandemie hat bei vielen Menschen etwas verändert: Ihren Blick auf die Arbeit. Dass wir in einem gerechten System leben, in dem harte Arbeit auch Früchte trägt – daran glauben viele längst nicht mehr.
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Variety
“I have the best advice for women in business,” Kim Kardashian says. “Get your f--king ass up and work. It seems like nobody wants to work these days.” https://t.co/HuddEEXmoM https://t.co/KJCIlaVX3S

Nicht alle sitzen "im selben Boot"
Die britische Autorin Amelia Horgan hat darüber ein Buch geschrieben. In "Lost in Work – Escaping Capitalism" stellt sie fest: "Die Pandemie hat einiges verändert. Einerseits hat sie unser Verhältnis zu Arbeit wieder politisiert. Weil Leute dachten, diese schreckliche Sache passiert, wir stecken da alle gemeinsam drin. Aber dann haben Vorgesetze doch darauf bestanden, dass Menschen in die Arbeit kommen müssen, egal in welcher Situation wir uns alle befinden."
Die Pandemie hat vielen die Augen geöffnet, welchen ungleichen Machtverhältnissen sie ausgesetzt sind. Horgan schreibt dazu: "Diese Erfahrung hat das Machtverhältnis zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden wirklich deutlich gemacht. Und andere hatten während der Pandemie die Zeit, über ihr Leben nachzudenken. Gleichzeitig sind die Arbeitsbedingungen laufend schlechter geworden. Manche Menschen sind an den Punkt gekommen, dass sie einfach nicht mehr so weiter machen können."
Gebrochene Versprechen
"People don’t hate Mondays, they hate the entire week!" Diese und ähnliche Statements haben sich in den letzten Jahren immer weiter verbreitet: auf Instagram, Twitter, Reddit. Statements die klar machen: Es gibt Zweifel am großen Mythos "Arbeit". Der ist nicht nur in den USA, sondern auch in unserer Gesellschaft weit verbreitet und klingt so: Arbeite – und du findest Erfüllung. Arbeite – und du bist ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft. Arbeite – und du baust dir Wohlstand auf. Arbeite – und du kannst immer weiter aufsteigen.
Unter den Hashtags #Antiwork, #GreatResignation und #BigQuit versammeln sich online hunderttausende von Menschen, die nicht mehr mitmachen wollen beim "höher, schneller, weiter". Es geht ihnen um Arbeitsbedingungen und Bezahlung, auch um die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit. Aber nicht nur um das. Sie hinterfragen auch ganz grundlegend, warum Arbeit einen so zentralen Platz in unseren Leben einnimmt und wie massiv Arbeit unser Selbstbild beeinflusst.
Was wollen wir - was können wir?
"Weniger Stress, mehr Zeit für Familie und Freunde." Das sind laut einer Studie der Krankenversicherung DAK die häufigsten guten Vorsätze in Deutschland für das Jahr 2022. Immer mehr Menschen wollen weniger arbeiten – und schaffen es doch nicht. Einerseits, weil es für viele finanziell ohnehin schon schwierig ist. Aber auch, weil viele von uns eine bestimmte Idee von Arbeit verinnerlicht haben, erzählt Minu Haschemi Yekani. Sie leitet den Studiengang Global History an der Freien Universität in Berlin und forscht zur Verbindung zwischen kolonialer Arbeit und Rassismus.
Die Arbeitsethik als Selbstzweck hätten selbst kapitalismuskritische Menschen komplett verinnerlicht – und folgen einer karrieristischen Lebensplanung. Haschemi Yekanis bringt es auf den Punkt: "Es gibt diese Vorstellung: Man muss gestresst sein. Man muss immer etwas zu tun haben. Man muss immer ein Projekt haben. Man muss sich die ganze Zeit selbstverwirklichen. Und wenn man sagt, 'Ich habe eigentlich nur Lust 20 Stunden zu arbeiten und den Rest der Zeit auch was für mich zu machen', ist das schon total seltsam."
Lohnarbeit und Ausbeutung
Dabei ist die Geschichte von Lohnarbeit keineswegs unschuldig. Schon im deutschen Kolonialismus wurde die Arbeitskraft von Menschen ausgenutzt. Gleichzeitig wurden die Menschen als faul und inkompetent abgewertet. Diese Ideen leben bis heute fort und zeigen sich zum Beispiel in Debatten um Arbeitsmigrant*innen und ihre Nachkommen. Nach der industriellen Revolution arbeiteten Menschen bis zu 14 Stunden am Tag, 6 Tage die Woche, häufig unter gefährlichen Bedingungen, mehr als Leibeigene der Fabriken, denn als freie Arbeiter*innen. Auch heute noch sind viele Jobs weder sicher, noch erfüllend, selbst wenn die unmenschlichsten Jobs vor allem in den Globalen Süden ausgelagert worden sind.
Für viele Menschen bedeutet Arbeit Entfremdung, Dauerstress und Krankheit. Der Zündfunk-Generator geht der Frage nach, warum Menschen seit der industriellen Revolution so viel arbeiten wie niemals zuvor, was der Kapitalismus und Rassismus damit zu tun haben und welche Alternativen es gibt für ein besseres Leben für alle.
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