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Gendergerechtigkeit im Stadtbild Warum Denkmäler sexistisch sind – und wie wir das ändern

Für Frauen werden kaum Denkmäler gebaut. In München sind ihnen nur sieben Prozent aller Statuen gewidmet, und in anderen Städten sieht es nicht besser aus. Eine Kunst-Aktion versucht das nun zu ändern – und kämpft für Gendergerechtigkeit im Stadtbild.

Author: Lena Bammert

Published at: 10-10-2022

Eine Frau greift der Julia Statue in München an die Brust | Bild: Nadine Kolodziey

Es gibt in München genau 11 Denkmäler von Frauen. Und 164 von Männern.  Das haben Mathilde Marest und Tristan Nigratschka letztes Jahr in ihrer Architektur-Abschlussarbeit „München – eine gendergerechte Stadt?“ an der TU herausgefunden. Für sie sei das ziemlich erschreckend, erzählt Tristan Nigratschka. „Wir sind durch den Stadtraum gegangen und haben immer wieder strichprobenartig kontrolliert, wer auf den Denkmälern abgebildet ist“, sagt der Absolvent. Und dabei sei eben stark aufgefallen, wie wenig Frauen zu sehen sind. Wenn, dann seien es symbolische Figuren wie die Bavaria auf der Theresienwiese gewesen oder Heilige.

Geschichte von Männern für Männer

So wird die Bavaria mit Augmented Reality überlagert

Seit der Abschlussarbeit ist nicht viel passiert. Bis jetzt. Die Künstlerkollektive Extended Reality Ensemble aus New York und DenkFemale aus München haben sich zusammengetan: Sie verteilen im Oktober 31 virtuelle Frauen-Statuen in ganz München. Jetzt könnte man fragen: Wen interessieren denn heute noch alte Denkmäler? Spielt es eine Rolle, ob dort Frauen oder Männer zu sehen sind? Schaut sich doch sowieso niemand genauer an. Anne Wichmann, die das Kunstprojekt zuvor schon in New York angeleitet hat, ist anderer Meinung. Sie glaubt, dass Statuen wichtig sind für unsere Geschichte – und abbilden, dass Geschichtsbücher immer nur aus der männlichen Perspektive erzählt sind. Der Grund laut Anne Wichmann: „Das waren genau die Menschen, die zu der Zeit sichtbar waren, die auch zu der Zeit schreiben durften – und da möchte ich aufzeigen, früher waren Frauen auch da und haben auch wichtige Dinge getan, die unsere Geschichte beeinflusst haben.“

Denkmäler für Frauen - in München

Die Mathematikerin Ada Lovelace zum Beispiel. Oder die Psychologin Marie-Louise von Franz. Anne Wichmann setzt mit ihren Kolleg*innen diesen Frauen Denkmäler. Oder verbessert bereits bestehende Denkmäler. Denn die wenigen Frauen-Statuen, die es in München dann doch gibt, haben es oft nicht leicht. Da wäre zum Beispiel die Julia-Capulet-Statue am Alten Rathaus. Sie ist eigentlich nur dazu da, um sich von den vorbeilaufenden Menschen an ihre rechte Brust fassen zu lassen. Für Glück in der Liebe, so sagt man. Darauf reagiert eine Künstlerin und Aktivistin auch jetzt: Tamiko Thiel habe für diese Julia-Statue Avatare gemacht in Augmented Reality, die diese Statue beschützen. „Um darauf aufmerksam zu machen, dass der Körper das Eigentum der Frau ist“, sagt Anne Wichmann.

Heinrich Heine wird überlagert von der Sozialistin Jenny Marx

Ein virtuelles Denkmal für Nina Hagen

Gleich neben dem Münchner Hofgarten liegt der Dichtergarten. Hier stehen sehr viele männliche Monumente: Frederic Chopin, Heinrich Heine, sogar Konfuzius. Eine Frauenstatue hat es tatsächlich auch in den Garten geschafft. Sie trägt keinen Namen, dafür aber – schon wieder – nackte Brüste. Ach ja, und sie sitzt hinter Gittern. Wer sie genau ist, ist nicht bekannt. Aber sie gehört zum Heinrich Heine Denkmal. Anne Wichmann – Künstlerinnenname „She´s excited“ -  Gretta Louw und Clara Francesca haben dieser steinernen Frau ein virtuelles Gesicht und damit auch einen Namen gegeben. Scannt man den QR-Code, überlagert den Heinrich-Heine Brunnen jetzt ein Denkmal für die Sozialistin Jenny Marx. „#Makeusvisible x DenkFEmale“ heißt die virtuelle Ausstellung. Und sie wird weiterziehen, anderen Städten neue weibliche Denkmäler geben und an der Gendergerechtigkeit arbeiten. In New York war die Ausstellung schon, Venedig ist als nächstes dran. Worms hat auch schon Interesse angemeldet. Chemnitz als Kulturhauptstadt 2025 ist ebenfalls in Überlegung.

Repräsentation von Frauen fehlt in vielen Städten

Denn nicht nur München hat großen Bedarf, in vielen Städten fehlt Repräsentation. Und Gendergerechtigkeit hat eben auch mit dem Stadtbild zu tun, meinen auch Tristan Nigratschka und Mathilde Marest mit ihrem Forschungsprojekt für die TU München. Mathilde Marest fordert: „Dass die Stadt nicht nur nicht gendergerecht in der Repräsentation, der Sicherheit und in der Beleuchtung ist. Sondern wirklich auch in Themen von Mobilität und Freiraum!“

Wie das gehen könnte? Die Künstlerin Anne Wichmann schaut in die Zukunft: „Vielleicht haben wir in zehn Jahren alle Brillen auf, die Augmented Reality schon eingebaut haben. Das fände ich viel lebendiger. Und ich fände es schön, wenn man die Skulpturenlandschaft immer wieder aktualisieren könnte. Und da ist Augmented Reality natürlich tausendmal toller, als wenn man da wieder einen alten Steinklotz hinsetzt oder eine Bronzeskulptur.“