"Animals - Wie wilde Tiere" Dieser belgische Spielfilm zeigt, wozu homophobe Männer fähig sind
2012 wurde der schwule 32-Jährige Ihsane Jarfi von vier jungen Männern gefoltert und getötet. Im belgischen Spielfilm „Animals - Wie wilde Tiere“ sehen wir den letzten Tag in seinem Leben. Der Film ist ein schockierendes und erschütterndes Fanal gegen die Homophobie.

Die Kamera begleitet die Hauptfigur Brahim überall hin. Die Zuschauenden sind also immer bei ihm, man lernt den 30-Jährigen schnell kennen, als ruhigen, schüchternen Mann. Wir gehen mit ihm auf eine Familienfeier, seine Mutter hat Geburtstag, die ganze, große, teils muslimische, teils christliche Familie ist da. Es ist viel los im kleinen Reihenhaus in Lüttich. Brahim hat für den Tag einen Plan. Er möchte endlich der Familie seinen Freund und Liebhaber vorstellen, mit dem er schon lange zusammen ist. Aber dieser Freund meldet sich nicht. Brahim wird unruhig. Nur sein Bruder Mehdi weiß, dass Brahim schwul ist. Und redet ihm in einem Moment der Zweisamkeit vor der Garage ins Gewissen. Er fragt, ob er krank ist, fordert ihn auf, aufzuwachen: „Es wird nie so sein, dass du einen Typen hierherbringst und alle denken, es wäre normal“, sagt Mehdi.
Film schildert den Tag, der zum grausamen Mord führte
Wie Brahim aus diesem Dilemma herauskommen soll, das kann ihm auch sein Bruder nicht sagen. Und Brahin gibt nicht auf. Er läuft in die Innenstadt und geht in einen Club, wo er seinen Freund vermutet. Inzwischen sind wir als Zuschauer sozusagen sein Vertrauter und hoffen, dass sich in dieser Nacht seine Wünsche noch erfüllen mögen. Aber es kommt ganz anders. Und genauso wenig wie Brahim sind wir, die Zuschauenden, darauf vorbereitet. Vor dem Club steht ein Auto mit vier jungen Männern. Die bieten Brahim an, ihn in den nächsten Club mitzunehmen, wo er ja vielleicht mehr Erfolg bei seiner Suche haben könnte. Im Auto bekommt es Brahim mit vier primitiven, vulgären Typen zu tun, die ihm immer mehr Fragen stellen. „Bist du schwul?“ „Du kannst es uns sagen, echt!“ „Wir sind doch unter uns man, bist du schwul oder nicht?“
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ANIMALS Trailer German Deutsch (2022)
Die Kamera schaut nicht weg
Nabil Ben Yadir hat mit vielen Laiendarsteller*innen gearbeitet bei diesem Film. Die Atmosphäre im Auto wird dadurch sozusagen authentisch gefährlich. Brahim, der bislang noch souverän mit den fiesen Typen umgehen konnte, wird nun geschlagen und gedemütigt. Und was dann, im zweiten Drittel des Films folgt, ist ein Alptraum, ein Gewaltexzess. Auch hier - in den letzten Momenten von Brahim - begleitet ihn die Kamera. „Animals“ ist plötzlich so wie die brutalsten Filme des Franzosen Gaspar Noé, wo ja – zum Beispiel in „Irreversible“ oder „Menschenfeind“ - auch an die Grenzen der Zumutbarkeit gegangen wird. Aber auch hier ging es offenbar darum zu zeigen, wozu homosexuellenfeindliche Männer fähig sind, wenn sie sich in einem trunkenen Rudel aufhalten und gemeinsam jemanden zu ihrem Opfer zur Verfügung machen. Der Mord an Brahim wird hier ganz deutlich gezeigt und wird dadurch vermutlich vielen viel begreiflicher, als wenn die Kamera weggeschaut hätte.
„Animals - Wie wilde Tiere“ bestätigt Hannah Arendts These von der Banalität des Bösen
Es gibt noch einen dritten Teil des Films. Nun begleitet die Kamera einen der Täter, einen 22-Jährigen, der in seine WG zurückkehrt, in der er mit seinem Bruder und dessen Freundin lebt. Er will sich rasch umziehen, um dann bei den Vorbereitungen einer Familienfeier zu helfen. Aber seine Mitbewohnerin stellt ihn zur Rede. „Wohin gehst du? Was hast du mit deiner Hand gemacht? War das eine Schlägerei? Hast du wenigstens gewonnen?“, fragt sie.
Natürlich bestärkt der Film „Animals - Wie wilde Tiere“ Hannah Arendts These von der Banalität des Bösen. Ein Mensch wird aus einer Bierlaune heraus getötet, weil seine Sexualität in den Augen der Täter verachtenswert und er wehrlos ist. Wie der Film endet, lassen wir an dieser Stelle offen. Im realen Fall von Ihsan Jarfi wurden drei der vier Mörder zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Der Vierte bekam 40 Jahre. Und erstmals in der Geschichte Belgiens wurde juristisch explizit die Tat als das bezeichnet, was sie ist: als homosexuellenfeindlicher Mord.