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#failoftheweek Wenn KI ein neues Oasis-Album aufnimmt, sollten die echten besser zurückkommen

Wenn selbst Menschen aus der eigenen Bubble, clevere, junge Menschen, nicht sofort begreifen, dass das ein KI-generierter Song ist, wie soll das unsere Elterngeneration, unsere Großelterngeneration begreifen. Das Zeitalter der Wahrheit ist vorbei. Ein für alle Mal. Ein Kommentar von Christian Schiffer.

Von: Christian Schiffer

Stand: 24.04.2023

Das Plattencover der KI-Band Aisis | Bild: Aisis/Youtube

Dreckiger Gitarrensound, energiegeladen und etwas rumpelig, dazu die nasal-nölende Stimme von Liam Gallanger. Das neue Album „The Lost Tapes“ enthält acht Tracks, die zwischen 1995 und 1997 entstanden sein sollen und es ist das fucking beste Oasis-Album seit „(What’s The Story) Morning Glory?“! Allerdings stammt dieses Meisterwerk nicht von Oasis sondern von Aisis und dabei handelt es sich eigentlich um eine britische Band namens Breezer. Die klingt eh schon ziemlich Oasis-like, doch nun singt dank KI ein Stimmklon von Liam Gallagher die Breezer-Songs ein und macht die Illusion perfekt. Breezer ist Aisis und Aisis ist aber sowas von Oasis.

Im Bildbereich gibt es schon viele Fakes

Viel wird diskutiert über die Frage, wie künstliche Intelligenz eingesetzt werden kann, um Fakes zu erzeugen. Vor einigen Wochen kursierte beispielsweise ein Fake-Audio durch das Netz, in dem die Schauspielerin Emma Watson aus Hitlers “Mein Kampf” liest. Und in den USA kam es bereits zu Betrugsfällen, bei denen die Opfer die vermeintlichen Stimmen ihrer Angehörigen am Telefon hörten, die aber Betrüger per KI fingiert hatten. Doch das alles ändert nichts daran, dass mit Aisis nun künstliche Intelligenz für das nobelste und edelmütigste aller Ziele eingesetzt wurde, nämlich für die seit mindestens einem Jahrzehnt überfällige Oasis-Reunion. Liam findet auf Twitter sein KI-Double übrigens: „Mad as fuck I sound mega.

Es gibt auch Fake-Songs von Drake und Rihanna

Nur einen Tag vor der KI-Oasis-Reunion sorgte ein anderes Musikprojekt für ähnliches Aufsehen. „Heart on my Sleeve“ ist ein Hip-Hop-Track im Stil der Weltstars Drake und The Weeknd, doch auch hier wurden von der KI Stimmklone generiert. Der Song ging viral und heimste auf Spotify 600.000 Streams ein, bevor dann der Stecker gezogen wurde. Auch David Guetta hatte vor kurzem bei einem Festival einen Track abgespielt, auf dem ein synthetisch erzeugter Eminem zu hören war. Und längst lässt KI auch Rihanna einen Song von Beyoncé interpretieren – und vieles mehr.

Die Musikindustrie ist, wenig überraschend, not amused. Und in der der Tat haben Stars Persönlichkeitsrechte und ihre Stimme ist Teil ihrer Marke. Nichtsdestotrotz wird KI vermutlich in Zukunft nicht nur Stimmen generieren, sondern auch die Musik drum herum. Wer will, der wird sich dann in Dauerschleife von immer neu generiertem Heulbojen-Falsett von Radiohead einlullen lassen oder zum Schrammelrock einer Kreuzung aus den Kaiser Chiefs und Franz Ferdinand rumwippen können. Allerdings ist eine Band oder ein Künstler dann schon auch mehr, als nur ihre Musik.

Kann KI Kunst?

Denn wer Radioheads „OK Computer“ hört, der hört eben nicht nur eines der besten Musikalben aller Zeiten, sondern der hört auch eine Art Scharnier-Album. Den Übergang nämlich von Radiohead als tolle, aber doch irgendwie konventionelle Indie-Band zu den verrätselten Elektro-Drechslern, die sie heute sind. KI-Musik hingegen löst die Musik von ihren Erschaffern und damit auch aus ihrem Kontext. Kein von künstlicher Intelligenz zusammengeleimtes Album kann eine kreative Krise so hörbar machen, wie „Be Here Now“, das dritte Album von Oasis. Aisis ist deswegen vor allem eines: Ein verdammt guter Grund dafür, dass Liam und Noel sich wieder zusammenraufen und es allen nochmal zu zeigen.