Revival Diese DJs und Producer machen Drum ’n’ Bass jünger, weiblicher und diverser
Drum ’n’ Bass hat seine Wurzeln in der Breakbeat-Szene der 80er. Nun erlebt das Genre ein Revival: An die Mischpulte drängen junge und diverse DJs und Producer, die Menschenmassen zum Tanzen bringen – im Club und auf TikTok.

Sonntagfrüh in einem Club in Nürnberg. Es ist Viertel vor fünf und ich habe bereits eine lange Nacht als DJ hinter mir. Bunte Lichter jagen durch den Raum und vor meinem Pult tanzen verschwommen die letzten 20 Partygäste. Ich merke, die Leute haben so kurz vor der Sperrstunde Bock, nochmal auszurasten, und zwar richtig. Also drücke ich auf Play – und bekomme die Crowd dank ihr: Nia Archives.
Nia Archives ist DJ, Produzentin und der neue Shootingstar aus Großbritannien. Zusammen mit dem britischen Producer-Kollektiv Watch The Ride hat sie 2022 den Club-Banger „Mash Up The Dance“ veröffentlicht. Das Genre: Drum 'n' Bass. 170 Beats per Minute, treibende Break-Sounds und jede Menge Wumms.
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Watch The Ride x Nia Archives - Mash up the Dance
Hippe DJs spielen wieder Drum ’n’ Bass
Drum ’n’ Bass ist gerade wieder voll angesagt, hippe DJs wie Kikelomo oder JAGUAR spielen Drum ‘n’ Bass und Jungle auf digitalen und realen Club-Bühnen, immer mehr Künstler*innen drängen mit diesem Sound auf den Markt. In England sind das neben Nia Archives beispielsweise Tim Reaper und SHERELLE, beide sind DJs und Producer aus London. SHERELLE hat mit ihrem Track „JUNGLE TEKNAH“ schon 2021 ein atemberaubendes Crossover zwischen Techno und Drum 'n' Bass geschaffen.
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SHERELLE Drops A 160BPM Twist With 'JUNGLE TEKNAH'
Das ist der Ursprung von Drum ’n’ Bass
Seine Wurzeln hat Drum ’n’ Bass Ende der 80er Jahre in der britischen Breakbeat-Szene. Es war der Schwarze DJ und Producer Goldie aus London, der 1992 den Track „Terminator“ und damit die Blaupause für Drum ’n’ Bass und eine neue Jugendkultur erschuf.
In einem Zündfunk-Interview im Jahr 1995 erzählte Goldie, wie sehr der Drum-’n’-Bass-Vorläufer Jungle die Energie des Punks aufgesogen hatte: „Die Punk-Zeit war wirklich eine total aufregende Zeit“, sagte er. „Denn wenn wir nicht auf so viel Widerstand gestoßen wären, hätten wir auch nicht die Gegenenergie entwickelt und nicht die Musik gemacht, die wir damals machten.“ Seine Musik speise auch heute noch von der Energie des Chaos – sie sei jedoch auch geprägt von düsteren, klassischen, und souligen Einflüssen. „Ich kann sie nicht nur Jungle nennen“, so Goldie. In seiner Musik stecke genauso viel Punk und Soul. Er resümiert: „Meine Musik ist all das zusammen.“
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Goldie & Metalheadz - Terminator
Warum Drum ’n’ Bass gerade ein Revival erlebt
Drum ’n’ Bass war nie richtig weg. Aber gerade jetzt lässt sich beobachten, wie das Genre mit neuer Energie erblüht. Die Szene war lange sehr männlich. Jetzt übernehmen junge, Schwarze, weibliche und non-binären DJs, Producer und Künstler*innen die Bühnen. Sie repräsentieren die neue Generation, die ihre Vorfahren zwar in Ehren hält, aber trotzdem mit dem Zeitgeist fährt. Die ihr eigenes Ding draus macht; Techno, Jazz, Soul und Hip-Hop als Einflüsse zulässt und so Neues und Spannendes entstehen lässt.
Wenn sich in den letzten Jahren eines abgezeichnet hat, dann, dass die junge Generation wieder Bock auf Ekstase hat. Der Rave ist zurück. Nach drei Jahren Pandemie, nach Club-Schließungen und jeden Tag Bad News im Radio wählen junge Menschen Alltagsflucht. Treibende Sounds weit über 130 Beats per Minute, 4-to-the-floor-Rhythmus und eben Drum ’n’ Bass.
Ausgerechnet Herbert Grönemeyer serviert nun auch Breakbeats
Ganz ehrlich? Ich versteh’s. Denn auf Drum ’n’ Bass lässt sich irre gut alles um einen herum vergessen. Und das Revival führt zu neuen Partnerschaften, mit denen ich im Leben nicht gerechnet hätte. Ausgerechnet Herbert Grönemeyer hat uns 2022 eine Breakbeats-Single serviert. Für eine neue Version seines Hits „Mensch“ holte er Sängerin Balbina und die Rapperinnen Ebow und Ace Tee mit auf den Track. Klingt cool!
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Ace Tee x Balbina x Ebow x Herbert Grönemeyer ES IST OKAY, MENSCH (prod. von walter p99 arkestra)
Drum ’n’ Bass ist nach Wien und in die sozialen Medien geschwappt
Aber Drum ’n’ Bass ist nicht nur nach Deutschland herübergeschwappt. Auch in Österreich schüttet die Rapperin Eli Preiss ihren Wein zu den Beats von Drum ’n’ Bass herunter. Softer Drum ’n’ Bass mit Atmosphäre und Melodie, ähnlich wie ihn Eli Preiss in „Wein in Wien“ serviert, nennt sich übrigens Liquid.
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Eli Preiss - Wein in Wien (prod.suki)
Liquid ist ein Subgenre, das gerade Massen an Streams und Klicks zieht. Auch auf Social Media. So ging beispielsweise der Liquid-Track „soft spot“ des britischen Duos piri & tommy letztes Jahr auf TikTok viral. Eigentlich logisch. Denn schnelle Beats, und damit auch Drum ’n’ Bass, eignen sich super für Social Media. Auf Plattformen wie TikTok ist die Aufmerksamkeitsspanne kurz, oft dauert ein Video nur 15 Sekunden.
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piri & tommy villiers - soft spot (official music video)
Mit mehr Beats per Minute passt auch mehr von der Hook, mehr vom Song in das Snippet. Win-win also für Artists, die heute oft stark auf Social Media als Vermarktungsplattform angewiesen sind. Aber nicht nur für sie. Drum ’n’ Bass bietet auch Win-win für uns als Hörer*innen. Denn egal ob als Super-Sharp-Shooter oder softe Lernbegleitung: Das Genre hat alles in petto. Und nun heißt es endlich auch hier „Girls to the front“. Mehr Produzentinnen findet ihr in dieser Liste.