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Biza und Shakira Wie der argentinische Produzent Bizarrap in seinem Kinderzimmer Musikgeschichte geschrieben hat

„Bizarrap Music Session Nummer 53“ hat mehrere Weltrekorde in Sachen Abrufzahlen gebrochen. Was aber viel wichtiger ist: Der 24-jährige Produzent ist das Role Model der Stunde für viele Millionen Jugendliche in Lateinamerika. Lisa Pausch berichtet aus Argentinien.

Published at: 17-3-2023

Shakira: Bzrp Music Sessions, Vol. 53 (Screenshot) | Bild: Youtube

Es ist der 10. März, ein Freitagabend. In der bekannten US-Talkshow von Jimmy Fallon ist Shakira zu Gast, mal wieder, aber nicht alleine. Neben ihr sitzt ein junger Mann mit Cappy und Sonnenbrille. Ihr Produzent. Bizarrap, bürgerlich Gonzalo Julián Conde, ist 24 Jahre alt. Die Cappy und die Sonnenbrille sind sein Markenzeichen. Bizarrap mischt meistens Trap und Rap, er arbeitet jetzt – auf dem Höhepunkt seines Erfolgs – genauso wie zu Beginn seiner Karriere: allein und ohne Label vor seinem Laptop im Haus seiner Eltern in einem Vorort von Buenos Aires.

Ihre Kinder, erzählt Shakira in der Talkshow, hatten ihr von dem Argentinier erzählt: „Milan ist ein großer Biza-Fan. Und er hat mir gesagt, Mama, du musst einen Song mit Bizarrap machen, dann seid ihr beide auf der Eins.“

Was Bizarrap anfasst geht viral

Bizarrap und Shakira in der "Tonight Show"

Die Songs, die Bizarrap anfasst, gehen viral – zuerst auf Youtube. Bizarrap hat kein Label im Rücken, kein professionelles Tonstudio, sondern nur eine weiße Wand, blau-grünes Licht, eine schwarz-weiß gewellte Tapete, einen Bildschirm. Das Zimmer, in dem die Music Sessions stattfinden, sein ehemaliges Kinderzimmer, ließ er für den Live-Auftritt bei Jimmy Fallon auf der Bühne nachbauen. Wer mit ihm aufnehmen will, so heißt es, muss erstmal nach Buenos Aires kommen.

Im Sommer 2022 nimmt er mit dem spanischen Rapper Quevedo auf. Eine halbe Stunde nach dem Upload kommt der Song auf eine Millionen Klicks. Es ist der erste Song eines argentinischen Künstlers, der auf Platz 1 der weltweiten Spotify-Charts landet. Hernán Panessi, ist Musikjournalist aus Buenos Aires. Er erklärt: „Bizarrap ist ein Kind des Internets. Er ist ein Kind der Breitbanddemokratie, der Vernetzung und er ist ein Kind der Idee, dass es in allen Häusern einen Computer geben kann oder die Kinder ein Handy haben. Ich weiß nicht, ob er selbst von dem staatlichen Programm ‚Verbinde Gleichberechtigung‘profitiert hat, das Familien den Zugang zu einem eigenen Computer und zum Internet ermöglicht hat, aber das war auf jeden Fall seine Zeit damals.“

Bizarrap ist Rolemmodel

Bizarrap hat den Vorteil, dass er Marketing studiert hat. Er kündigt neue Videos vor dem Upload auch mal mit spektakulären Aktionen an. Er ist Vorbild für viele Teenager in Lateinamerika, die versuchen, sich mit Tutorials in die Welt der Musikproduktion einzuarbeiten. Sie experimentieren mit ihren Freund:innen und laden die Ergebnisse auf die sozialen Plattformen. Von einer Revolution aus den Kinderzimmern, spricht Hernán Panessi. Wer gut ist, bestimmen nicht mehr die Plattenfirmen, sondern die Klicks auf Youtube oder TikTok. Kritiker:innen sagen: „Das ist doch keine Musik.“ Oder: „Für eine Revolution kommt ihr aber ziemlich unpolitisch daher.“

Nazareno Bravo ist Soziologe und hat zu den Identitäten im Trap geforscht: "In den Sozialwissenschaften bleibt der Blick oft auf den Armen hängen, als die, die protestieren oder sich gegenüber dem Staat oder einem Bergbauunternehmen organisieren. Die vom Staat Geld bekommen oder ein soziales Problem sind. Der Trap stellt ein Subjekt vor, das nicht wartet: Weder auf die sozialistische Revolution und auch nicht auf den Staat oder die Plattenfirmen. Man macht einfach, man geht raus. In einer Woche produzieren sie dann ein Video und zwei Songs. Man sucht sich das Geld, das, was man will. Das ist eine viel aktivere Version von Armut.“

Feminismus im Trap

Shakira singt in dem Hit mit Bizarrap über ihren Ex-Mann, der sie betrogen hat. Sie singt: „Wir Frauen weinen nicht mehr, wir schreiben Rechnungen.“ Die vierte Welle des Feminismus in Lateinamerika, die etwa in Argentinien das Recht auf Abtreibung durchgesetzt und Grundsatzdebatten angestoßen hat mit massiven Protesten auf den Straßen, ist auch im Trap angekommen, sagt die argentinische Journalistin Romina Zanellato, die sich auf die Schnittstelle zwischen Musik, Gender und Feminismus spezialisiert hat: „Gerade im Trap spiegeln sich viele dieser Debatten. Die sexuelle, die finanzielle Ermächtigung. Oder auch das: Ich zeige meinen Körper, aber auch weil er ein Mittel ist, um Geld zu verdienen. Und für mich ist Geldverdienen Freiheit, finanzielle Unabhängigkeit.“

Aber Weinen und Rechnungen schreiben, das bemerkt Romina Zanellato dann doch kritisch an, das geht doch auch eigentlich gleichzeitig.