Bayern 2 - Zündfunk

Angela Aux "Ich kann jedem Mann nur empfehlen, mal einen Tag in Frauenkleidern rumzulaufen"

Blonde Perücke, Strumpfhose und Kleid: Der Musiker Florian Kreier bricht als "Angela Aux" mit Geschlechternormen. Im Interview erzählt er, wie sich dadurch seine Persönlichkeit und Wahrnehmung verändert hat – und er einmal auf der Straße aus Dankbarkeit umarmt wurde.

Von: Larissa Behnke

Stand: 01.02.2023

Angela Aux | Bild: BR

Wer Angela Aux die letzten Jahre verfolgt hat, weiß, dieser Angela ist von Neugier getrieben. Egal ob als Teil der bayerischen Supergroup Aloa Input, als Veranstalter spannender Happenings wie dem Panama Plus Festival oder als Mitbegründer der New Weird Bavaria-Bewegung. Diese Neugier hat Florian Kreier alias Angela Aux auch in Perücke und Kleid auf die Bühnen Deutschlands geführt.

Zündfunk: Wann hast du denn das erste Mal ein Kleid getragen und wie hat sich das angefühlt? 

Florian Kreier: Das war in Montevideo auf einem Secondhand-Markt. Ich bin da mit meiner Frau rumgelaufen und an irgendeinem Stand haben wir uns mit der Verkäuferin unterhalten und plötzlich hat die so ein Kleid rausgezogen und zu mir gemeint: "So, zieh das mal an". Und das war dann genau das Kleid, das ich seit mittlerweile sechs Jahren als Angela Aux auf der Bühne trage. Das ist ein bisschen ein spezielles Kleid, ich kann es gar nicht genauer sagen, weil ich nicht so gut darin bin, Klamotten zu beschreiben. Es hat sich jedenfalls von Anfang an gut angefühlt.  

Kann man dich als Crossdresser verstehen oder bist du Trans? Oder was möchtest du ausdrücken? 

Also das war eine Sache, über die ich sehr lange nachgedacht habe, weil ich mich nicht einfach eingemeinden wollte in irgendeine Form von Subkultur und auch niemandem etwas wegnehmen wollte. Es ging auch nie darum, dass ich mich jetzt da besonders extrovertiert präsentiere, weil ich das einfach selber nicht bin, ich bin eher ein zurückhaltender Mensch.

Ich wollte zuerst einfach den Namen Angela Aux – den es schon sehr lange gibt – ein bisschen konsequenter auf der Bühne umsetzen. Und dabei habe ich festgestellt, dass etwas mit mir passiert, wenn ich mich auf der Bühne mit Kleid und Perücke und Feinstrumpfhose zeige, dass es eine andere Seite von mir zum Vorschein bringt, und dass sich dadurch mein Verhalten und die Art und Weise, wie ich musiziere, verändert.

Wie denn?

(überlegt) Ich würde sagen, ein bisschen sinnlicher und ruhiger und sanfter. Wieso das so ist, weiß ich gar nicht, aber so hat es sich für mich angefühlt und es ist eine Art, die ich sehr gerne mag. Es verändert stark, wie man wahrgenommen wird und dadurch aber auch die Art, wie man selber wahrnimmt. In meiner Prägung als Mann hatte ich immer, wenn ich mich unsicher gefühlt habe, mit so cowboymäßigem, coolem oder auch latent aggressivem Verhalten versucht gegenzusteuern. Und genau das ist weggefallen auf der Bühne für mich, seit ich ein Kleid anhabe, und das ist sehr angenehm. Für mich ist es die Möglichkeit, kein Mann sein zu müssen.

Und welche Reaktionen bekommst du aus dem Publikum für dein Bühnenoutfit?

Interessanterweise kommen vor allem viele Männer nach Konzerten zu mir und wollen wissen, wie ich darauf gekommen bin und wie sich das so anfühlt. Aber auch viele Frauen, vor allem ältere, reagieren total positiv. Einmal war ich in Augsburg im Kostüm unterwegs und da hat eine ältere Frau, die war mindestens Mitte 70, im Vorbeigehen kommentiert, dass das so toll und wichtig sei, was ich mache. Wir kamen dann ins Gespräch und dann hat sie erzählt, wie sie zum ersten Mal eine Jeans zu Hause beim Abendessen getragen hat und was das für eine Riesendiskussion mit ihrem Vater war. Aber sie habe damals gewusst, dass es eine wichtige Diskussion ist und dass sie einfach öfter Hosen tragen wird und sich nicht mehr vorschreiben lassen wird, Kleider zu tragen. Ich fand das so schön, es war richtig emotional. Ich glaube, wir haben uns sogar umarmt, als sie dann gegangen ist. 

Ich habe das Gefühl, dass Männer in Frauenkleidern gerade im Mode-Bereich immer noch ein riesiges Tabuthema sind. Wie siehst du das? 

Also in der Mode kenne ich mich nicht so aus, aber wenn morgen der CEO der Siemens AG oder von Adidas in einem Frauenkleid vor die Presse treten würde, dann wäre das in jeder Nachrichtensendung auf der ganzen Welt. Es gibt eben noch ein sehr normiertes Bild, wie ein Mann in der Öffentlichkeit aufzutreten hat. Und deswegen bin ich allen Leuten, die das irgendwie erweitern, sehr dankbar. Weil das bedeutet für alle zukünftigen Männer einfach ein Stück mehr Freiheit.

In der Musikgeschichte haben ja Künstler wie David Bowie mit Mode experimentiert und teils auch Frauenkleider getragen. Heute sind es Musiker wie Harry Styles oder auch Sam Smith, die für ihre extravaganten Looks bekannt sind. Hast du das Gefühl, Männer in Frauenmode sind mittlerweile mehr im Mainstream als früher?

Ich glaube, es gibt momentan viele Menschen, die Interesse daran haben oder auch einfach Spaß, Räume zu schaffen, in denen Menschen sich anders bewegen oder sich selbst finden können. Ich finde, man muss einflussreichen Leuten anrechnen, wenn sie Deutungsebenen und Normierungen ausdehnen, weil sie könnten es auch einfach nicht tun. Das wäre vielleicht bequemer für sie. Aber ich glaube, dass es auf der anderen Seite auch keine große Sensation ist, wenn Harry Styles Frauenmode trägt.  Wenn es Lionel Messi machen würde oder Haftbefehl, dann wäre es nochmal interessanter. 

Also sollte die Nationalmannschaft ab jetzt Pressekonferenzen in Frauenkleidern abhalten? 

Ich kann wirklich nur jedem Mann empfehlen, das einmal zu machen. Einfach mal zu sagen, am Freitag gehe ich mit einem Kleid in die Arbeit, oder das nächste Mal mit Freunden gemeinsam in Kleidern feiern. Man wird einfach eine andere Person und so entsteht mehr Spielraum für Männer, sich eben anders zu verhalten in der Öffentlichkeit als immer nur innerhalb dieses wirklich total überholten Macho-Dings.