"Star Eaters Delight" Lael Neales Lo-Fi-Pop ist bezaubernd schön, wie nicht von dieser Welt
Die US-Musikerin Lael Neale hat 2021 mit zauberhaft entrücktem Lo-Fi Sound ihren Durchbruch in der Indie-Welt gefeiert. Nun ist Neale, die mit ihren Fans in der Pandemie auch mal per Brief Kontakt hielt, mit „Star Eaters Delight“ zurück.
Es ist einer von diesen Briefen, die man aufhebt und sich jetzt schon freut, wenn man sie in ein paar Jahren zufällig wiederfindet. So ging es mir mit dem Brief, der den Poststempel „28. April 2021“ trägt, also mitten in der Pandemie. Neben meinem Namen auf dem Umschlag klebt ein kleiner glitzernder Stern. Als Absender steht da nur „LSN“ und eine Adresse nahe der Kleinstadt Orange, Virginia, an einer kleinen Straße, die im Wald aufhört: „Liebe Ann-Kathrin, ich schreibe dir zur Morgenstunde. Das Gras ist voller Frühling und ich schaue auf einen Rosenbusch, der gerade aufgeblüht ist, bevor noch einmal der Frost kam. Ich dachte schon, die Rose wäre hinüber, aber heute Morgen leuchtet sie heller denn je.“
Lael Naeles hat in der Pandemie Briefe an ihre Fans geschrieben, um Kontakt zu halten - sie besitzt kein Smartphone
Es war die Musikerin Lael Neale, die mir diesen Brief geschickt hat, von der Farm ihrer Eltern aus. Zu Beginn der Pandemie war sie nach vielen Jahren in Los Angeles zurück aufs Land gezogen. Ihr noch in L.A. aufgenommenes Album „Acquainted With Night“ war gerade rausgekommen, das erste beim renommierten Label „Sub Pop“ und ihr Durchbruch in der Indie-Welt.
Entrückter Lo-Fi Sound
Nach dem Videointerview für den Zündfunk damals war ich so fasziniert von diesem wundersamen Wesen mit dem Omnichord und ihrem entrückten Lo-Fi Sound, dass ich mich auf ihren Instagram-Aufruf gemeldet hatte: Ob vielleicht jemand einen Brief von ihr erhalten wolle? Irgendwie musste sie zu Covid-Zeiten, ohne Touren, mit den Fans ja in Kontakt bleiben. Nichts hätte besser passen können als Briefe schreiben zu dieser aus der Zeit gefallenen Frau ohne Smartphone.
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Lael Neale - Must Be Tears (Official Video)
Ein Leben auf der Farm
In dem Brief stecken viele Gedanken, die sich jetzt auch auf ihrem neuen Album „Star Eaters Delight“ wiederfinden. Nach den Jahren in der Stadt war Lael Neale wieder zurückgeworfen auf das Leben und die Arbeit auf der Farm, auf den ewigen Kreislauf von allem. Alles kommt und geht: die Rosen genauso wie das Getreide, die kleinen süßen Kälber, die grade noch im saftigen Gras liegen und dann als Burger auf unseren Tellern. Und wir selbst? Wir enden auch irgendwann alle im Ozean, singt sie auf „I Am The River“. Also lasst uns bis dahin wenigstens Musik haben.
Der Opener des Albums, „I Am The River“, erinnert mit dem treibenden Drum-Machine-Beat an Bands wie Suicide, an anderer Stelle fühlt man sich an The Velvet Underground erinnert. Man merkt: Lael Neale hatte das Bedürfnis, die Ruhe und Abgeschiedenheit auf der Farm zu durchbrechen, sich wieder mit der Welt und mit den Menschen verbunden zu fühlen. Immer im Bewusstsein, dass alles zu Ende geht und dass uns die Technologie davon abzulenken versucht. Lael Neale greift in ihren Texten immer wieder weit zurück: zu biblischen Motiven und archetypischen Symbolen. Der Song „In Verona“ erzählt dann in episch-hypnotischen acht Minuten das Drama von Romeo und Julia. Shakespeare ist zeitlos, findet Lael Neale.
Das Mystische im Alltäglichen
Das Omnichord trägt auch diesmal wieder große Teile der neuen Platte und versprüht seinen morbiden Charme, wenn es wie eine geisterhafte Orgel wie von weit weg daher rauscht. Aber diesmal hören wir auch Klavier und mehr Gitarre. Lael Nelaes Partner und Produzent Guy Blakeslee schafft es, ihren Sound ein wenig ausgefeilter klingen zu lassen, ohne dabei den Lo-Fi-Charakter einzubüßen. Da knackt’s auch schon mal bei der Aufnahme mit dem 4-Spur-Kassettenrekorder.
Lael Neale sucht das Mystische im Alltäglichen. Das kann man esoterisch finden. Aber vielleicht würde es uns allen ganz gut tun, die Welt ein bisschen mehr zu fühlen wie Lael Neale. Dafür muss man kein Praktikum auf einer Farm in Virginia machen. Wobei das bestimmt nicht schaden würde … Vielleicht reicht es schon, diese zauberhafte Musik anzumachen. Und öfter mal das Smartphone wegzulegen.