“Did You Know That There's a Tunnel Under Ocean Blvd” Das neue Album von Lana Del Rey beansprucht nichts weniger als die Ewigkeit
Es handelt von Sex, Selbstzweifeln und Erinnerungen: Das neue Album von Lana Del Rey mit dem langen Titel „Did You Know That There's a Tunnel Under Ocean Blvd“. In Pop gegossene Wehmut, die unseren Autor auch persönlich berührt.
„Did You Know That There's a Tunnel Under Ocean Blvd“ ist bereits das neunte Album von Lana Del Rey. Sie war erst 26 Jahre alt, als sie mit ihrem „Hollywood-Sadcore“-Pop und der Single „Video Games“ ihren Durchbruch erzielte. Ihr neues Album beansprucht nun nichts weniger als die Ewigkeit. Knapp 80 Minuten dauert die in Pop gegossene Wehmut. Lana streift dabei Selbstzweifel, Fortpflanzung, Leben und Tod, und die wichtige Frage, wie fundamental Erinnerungen für uns sind. Letzteres ist einer der Gründe, warum das Album mich persönlich sehr berührt. Aber zunächst zu den objektiven Gründen, warum es Lana Del Rey mit „Did You Know That There's a Tunnel Under Ocean Blvd“ geschafft hat, sich zu neuen Höhen aufzuschwingen.
Sobald Lana Del Rey den Mund aufmacht, ist unser Alltag weg, meilenweit weg. Sie will Gefühle. Sie singt, so eine Songzeile in „Sweet“, „about the stuff that’s at the very heart of things.“ Und schon werden die Welt und die Liebe darin groß wie eine Kinoleinwand. „Wenn du an den Himmel denkst, dann denk doch bitte an mich“, schmachtet sie auf ihrem neuen Album in „The Grants“ und meint: Gebt Euch mit nichts weniger zufrieden als mit meiner allumfassenden Sehnsuchtsmaschine! Alles andere ist doch nur dürrer Naturalismus, ist doch höchstens Bert Brecht und Sozialdemokratie. Auf keinen Fall aber große, pathosreiche Kunst.
Auf dem Titelsong schmollt Lana Del Rey: „Wann bin ich endlich dran?“
„Wann bin ich endlich dran?“, schmollt Lana Del Rey auf dem Titelsong „Did You Know That There's a Tunnel Under Ocean Blvd“ – wenn ihr mich fragt, ist sie das schon längst. „Fuck me to death, love me until I love myself“ – lieb mich solange, bis ich mich endlich selbst lieben kann. Wenn Lana Del Rey ihre Stimme erhebt, entblößt sie uns das scheinbar ganz Nahe, das Verletzliche und Intime. Ganz gleich, ob da draußen jemand zuhört, oder eben nicht: Lanas Ampel blinkt blutrot, der Instagram-Kanal glüht und kocht vor lauter Botschaften der Selbstinszenierung, da ist es ein schöner Wiederspruch, dass Lana Del Rey selbst von allen Social-Media-Kanälen abgesprungen ist.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Lana Del Rey - Did you know that there's a tunnel under Ocean Blvd (Audio)
Lana Del Rey ist auf dem Gipfel des Wortsports angekommen
Die amerikanische Musikwebseite „Pitchfork“ urteilt sehr schön, Lana Del Rey sei mit ihrem neuen Album angelangt auf dem „metaphorical mountaintop“, dem Gipfel des Wortsports. Aber wie macht sie das nur? Und vor allem: Wann? Ihr Produzent Jack Antonoff, der auch den Sound von Künstlerinnen wie Taylor Swift und St. Vincent upliftet, behauptet: Lana sitze einfach nur in ihrem Truck an einer Tankstelle in Los Angeles und schreibe und schreibe.
Sollte Quentin Tarantino für seinen nächsten Soundtrack noch etwas Psycho-Americana brauchen, die Bittersweet Symphonies, die Lana Del Rey auch auf diesem neuen Album wieder kredenzt, wären ideal. Ihre Musik braucht dabei kaum Rhythmus oder Struktur. Oft spielt nur ein Vintage-Piano ein paar Krümel, in Zeitlupe dehnt sich die Zeit auf zu unwirklicher Größe, dazu ein Orchester, das, wie es die Süddeutsche Zeitung treffend analysiert, nicht weiß, ob es gerade auf einer Hochzeit oder auf einer Beerdigung spielt. Lanas Schmachtstimme ist dabei oft unter einer großen Taucherglocke voller Hall und taucht uns unter und wieder auf – wie eine Wolke voller Erinnerungen.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Lana Del Rey - Fingertips (Audio)
Warum mich Lana Del Rey persönlich so berührt
„Wenn du gehst, sind alles, was du mitnimmst, deine Erinnerungen“ singt Lana Del Rey im Song „The Grants“. Nach einem Unfall war ich selbst mal vier Wochen ohne Gedächtnis. Leer, ganz ohne Erinnerung. „Wer zur Hölle bin ich, wer war ich?“, habe ich mich gefragt. Und in dieser Zeit, so hat es mir meine Familie erzählt, denn ich selbst kann mich nicht daran erinnern, bin ich pausenlos zum Plattenspieler gerannt. Und dort habe ich wohl immer wieder zwei Songs aufgelegt, die ich vorher kaum gehört hatte: Lana Del Reys „White Dress“ und „Let Me Love You Like A Woman“.
Offenbar hat es Lana Del Rey geschafft, Teile meiner Persönlichkeit wieder zusammenzusetzen. Auch wenn bei Lana nichts echt ist, die Unterschiede zwischen Inszenierung und Persona fließend sind: Sie hat mich wieder etwas geflickt. Und das werde ich ihr nie vergessen.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Lana Del Rey - The Grants (Audio)