Meinung Der Abschied vom Pazifismus der Republik kommt zu selbstverständlich
Die Bundesregierung will Panzer an die Ukraine liefern. Verabschiedet sich Deutschland damit vom Kurs, sich aus internationalen Kriegen herauszuhalten? Der bisherige Prozess ist äußerst beunruhigend. Ein Kommentar.

Einer meiner Lieblings-Anti-Kriegs-Songs ist „B.Y.O.B“ – „Bring your own bombs“ von System Of A Down. Ein Lied gegen den Irak-Krieg, aber auch gegen die Waffen-Lobby, die Maschinerie hinter den Kriegen und die Kriegs-Euphorie privilegierter Politiker. Im Song heißt es:
"Everybody is going to the party have a real good time. Dancing in the desert bombing of the sunshine."
System Of A Down in B.Y.O.B
Fast 20 Jahre ist der Song alt, aber an Aktualität hat er nicht eingebüßt. Immerhin ist das im Moment nicht enden wollende Thema der deutschen Politik die Lieferung von „schweren Waffen“. Wochenlang wurde debattiert, jetzt ist beschlossen, dass die Ukraine Panzer bekommt. Denn, so formuliert es medienwirksam Verteidigungsministerin Christine Lambrecht: „Das ist ein ganz wichtiger Beitrag, um dafür zu sorgen, dass der Luftraum gesichert wird.“
Warum wird über Zaudern gesprochen und nicht über Nachdenken?
Die Entscheidung von Bundeskanzler Scholz ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die sich für weitere diplomatische Versuche ausgesprochen hatten. Oder vielleicht sogar hofften, dass sich Deutschland aus dem Krieg heraushalten kann. Doch die Aufrüstung des Militärs wurde von allen Parteien auf die ein oder andere Weise angebahnt, und anschließend diskutierten die großen Talkshows des Landes folgende Fragen:
- „Krieg in der Ukraine – tut der Westen genug?“ (Maybrit Illner)
- „Die Ukraine kämpft, Deutschland zögert. Lähmt uns die Angst vor Putin?“ (Hart aber fair)
- „Was muss geschehen, damit die Ukraine siegen kann?“ (Hart aber fair)
Es ist beunruhigend, wie stark sich der Diskurs in der Bundesrepublik in den letzten Wochen militarisiert hat. Als wäre das Zaudern und Zögern von Scholz unmännlich und nicht auch ein Nachdenken, wie man am besten Menschenleben retten kann. Aber wie selbstverständlich der Abschied vom Pazifismus der Republik gerade daher kommt!
Es geht ständig um Waffen, Aufrüstung, Panzer, unsere Panzer, die wir endlich liefern sollen. Viel Geld fließt ins Militär. Wie kann das sein? Diese Begründung von Wirtschaftsminister Robert Habeck gibt Aufschluss: „Der Kampf, den die Ukrainer kämpfen, ist aus meiner Sicht ein Kampf für die Freiheit, das Völkerrecht, die Demokratie, insofern ist es richtig, dass Deutschland auch schwere Waffen in die Ukraine liefert.“
Habeck verkauft uns Waffenlieferungen als moralische Notwendigkeit. Mehr Krieg, Leid und Tod, das vielleicht, aber immerhin für die Freiheit und die Demokratie. Die Politikwissenschaftlerin Rosa Burc bringt ihr Unverständnis über die deutsche Politik in einem Text für die ZEIT auf den Punkt: „Statt eine Debatte darüber zu führen, wie notwendig jetzt eine Politik ist, die kompromisslos Menschenrechte priorisiert, wird erst mal hochgerüstet. Dass eine bedingungslose Militarisierung zur moralischen Verpflichtung erklärt wird, erfreut sicherlich Waffenlobbyist:innen auf der ganzen Welt.“
Grüne entfernen sich vom Pazifismus
Und so sind sich viele Politiker*innen und Journalist*innen seit längerer Zeit einig, dass Deutschland endlich Panzer liefern muss. Selbst als bekannt war, dass wir schon seit Wochen Waffen an die Ukraine liefern, wurde der Regierung Zögern und Schwäche vorgeworfen. Sogar aus dem linken Flügel der Grünen: „All das ist möglich, all das ist auch bei der Rüstungsindustrie möglich und deshalb muss das jetzt schnell passieren“, sagt Anton Hofreiter.
Vielleicht liegt es daran, dass Panzer häufig grün sind, aber vom Pazifismus vergangener Tage ist bei den Grünen derzeit wenig zu spüren. Stattdessen gelten diejenigen, die es wagen, für Antimilitarismus oder Pazifismus zu streiten, als naiv und mitverantwortlich dafür, dass der Krieg nicht aufhört. Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP sagt bei Markus Lanz: „Deswegen müssen wir erkennen, dass Wladimir Putin und die russische Armee nicht mit heeren Worten zu stoppen ist. Sondern ausschließlich, indem man Waffen schickt, um sie zu bekämpfen.“
Was bedeutet die Lieferung von schweren Waffen am Ende?
Putins Kriegsverbrechen muss man streng verurteilen, aber trotzdem läuten die Alarmglocken, wenn Politik alternativlos wird. Und erst Recht, wenn ein gewaltvoller Kurs der Öffentlichkeit als moralische Notwendigkeit verkauft wird. Schließlich ist gut gemeint oft das Gegenteil von gut. Und was bedeutet die Lieferung schwerer Waffen eigentlich? Soldaten schießen mit Panzern aufeinander und bringen sich gegenseitig um. Der Krieg wird dann noch länger dauern. Gebäude in ukrainischen Städten noch verheerender aussehen. Die Todeszahlen werden weiter steigen. Und zwar nicht bei den wenigen, die das Ganze verantworten. So singen es ja am Ende auch System Of A Down: „Why do they always send the poor, they always send the poor, they always send the poor!“