„Praise A Lord Who...“ Wie Yves Tumor glorreich am Mainstream vorbeischrammt
Auf seinem fünften Album „Praise A Lord Who Chews But Does Not Consume (Or Simply: Hot Between Worlds)“ zeigt sich der frühere Experimental-Musiker Yves Tumor aus Tennessee erstaunlich poppig und zugänglich. Dank hervorragender Co-Produzenten gelingt ihm eine Mischung aus Rockmusik und R&B, zwischen Nirvana, Prince und Public Image Limited.

Einen einzigen Song gibt es auf diesem Album, der an das erinnert, womit Yves Tumor bekannt geworden ist. Das Instrumental „Purified by Love“ ist experimenteller Pop und klingt nach einer Minute Laufzeit plötzlich wie eine Herzrhythmusstörung.
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Yves Tumor - Purified By the Fire (Official Audio)
Normalerweise alles andere als ein People-Pleaser
Yves Tumor wurde vor geschätzt 30 Jahren als Sean Bowie in Miami geboren und ist im stockkonservativen Knoxville, Tennessee aufgewachsen. Yves Tumor ist non-binär und nicht bekannt dafür, den Zuhörer*innen Gefälligkeiten anzudienen. Im Gegenteil, die vier Vorgänger des aktuellen Albums waren sonore Attacken, bewusste Zumutungen oder gar Anschläge auf die Hörgewohnheiten. Tumors Experimente wurden mit denen von Dean Blunt verglichen oder mit Tumors Spezi Mykki Blanco: starke Aussagen, aber ungeeignet für die Charts. Mit diesem Album ist aber plötzlich alles anders. Was ein bisschen so klingt wie der Grunge-Sound der frühen 90er, ist typisch für Yves Tumors neues Album: Heavy Gitarren, eine klassische Hookline - oder mit einem Wort: Popsongs.
Sogar die Texte erzählen im traditionellem Stil von verlorener Liebe und der Sehnsucht nach Versöhnung. Was ist los? Hat sich Yves Tumor in die Arme des Mainstreams geworfen? Und seine Ideale über Bord?
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Yves Tumor - God Is a Circle (Official Video)
Das Leiden hat er nicht verlernt
So weit geht dann doch nicht. In dem treibenden „God is a Circle“ gibt Yves Tumor seine persönliche und nachhaltige Verunsicherung preis, wenn er darüber singt, wie beobachtet er sich fühlt: Von Gott, von den anderen Menschen, und dass er an vielem zweifelt, vor allem an der eigenen Identität. Da kommt dann doch nicht der souveräne Rockstar zum Vorschein, sondern der leidende Künstler. Und das ist gut so. Denn auch wenn „Praise A Lord Who Chews But Does Not Consume (Or Simply: Hot Between Worlds)“ - um zumindest einmal den ganzen, langen Albumtitel zu nennen - wieder Anti-Kommerzialität repräsentiert, dann auch im Sinne von Anti-Rock, wie ihn einst John Lydons Band „Public Image Limited“ gepflegt hat. Also Bass-lastig und mit einer gehörigen Portion Verachtung für alle Rockismus-Posen. Wie etwa auf dem Song „Operator“.
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Yves Tumor - Operator (Official Audio)
Mit prominenter Unterstützung nicht zu weit gegangen
Yves Tumor hat sich für sein Album sehr kompetente Hilfe gesucht. Er hat den Ton-Techniker Noah Goldstein an Bord geholt, der schon mit Kanye West zusammengearbeitet hat und den Produzenten und Gitarren-Experten Alan Moulder, der für seine Arbeit mit den Smashing Pumpkins und den Nine Inch Nails bekannt ist. Gemeinsam schaffen sie hier eine Symbiose von Stilen, die man durchaus mit der von Prince in den 80ern vergleichen kann
Aber natürlich ist „Praise A Lord Who Chews But Does Not Consume (Or Simply: Hot Between Worlds)“ nicht das „Purple Rain“ des neuen Jahrtausends und auch nicht das neue „Nevermind“. Yves Tumor hat genügend Ecken und Kanten in das Album eingebaut, um eine Kapitulation vor dem Mainstream auszuschließen. Es ist einfach nur ein Schritt in die richtige Richtung, den wir genießen sollten. Denn wer weiß, was Tumor als nächstes für uns bereithält.