Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Zelttheater Comoedia Mundi Theater der Welt – Welt des Theaters

Comoedia Mundi – so heißt Bayerns einziges Zelttheater. In dieser Saison bringen vier Darsteller Shakespeares Hamlet auf die mobile Bühne. Aber vorher heißt es aufbauen: das Zelt, das Café, den Küchenwagen und sechs Wohnwagen.

Von: Corinna Mielke

Stand: 07.09.2016 | Archiv

"Rot ist links, schwarz rechts" – erklärt der Theaterchef, dreht das große Holzbrett in seinen Händen herum und legt es neben die gekerbten Balken auf den Rasen. Das blaue Zeltdach ist schon aufgezogen . Bis zum Abend wird das kleine Team Bodenbelag, Treppen, Sitzbänke für 150 Leute und die Bühne zusammengebaut haben.

Bayerns einzige mobile Bühne

Vor genau dreißig Jahren wurde die Konstruktion berechnet und aus fränkischem Holz gesägt. Bis heute baut Comoedia Mundi im Sommer alle paar Wochen die Bühne an einem anderen Ort auf. Nach zwei Jahren steht das Zelt wieder einmal in Erlangen in der Schwabachanlage. Damit es da steht, braucht es neben der Genehmigung der Stadt vor allem Hände, die anpacken.

Im Schatten des Zeltdaches werkeln Hamlet, Claudius und der Bühnentechniker einträchtig am Innenausbau. Mithelfen steht bei Comoedia Mundi im Vertrag. Das gilt selbst für den Chef: König Claudius, im bürgerlichen Leben Fabian Schwarz.

"An einem Zelt kann man nichts befestigen. Wir brauchen Hilfskonstruktionen, um Beamer, Licht, LED, Kabel und so weiter zu befestigen. Das kommt dann alles da rein. Dafür brauchen wir zwei Tage."

Fabian Schwarz     

Freunde helfen mit – ehrenamtlich

Ohne Freunde wie Stephan wäre das alles nicht zu stemmen. Der Frankfurter  kommt seit zehn Jahren zum Helfen, einfach so.

"Frankfurt am Main, die Großstadt, ist natürlich volles Kontrastprogramm. Hier dagegen findet man Romantik, Bodenständigkeit und Ruhe plus das, was an Kultur passiert. Die Stücke sind immer wieder außergewöhnlich, das Zelt als Rahmen hat eine Atmosphäre, die ist einmalig, und die Arbeit gehört da einfach mit dazu."

Stephan, Freund und Helfer aus Überzeugung

Der "Privatbereich"

Dafür ist  Stephan als "Best Boy"  im Programmheft aufgeführt. Tatsächlich steht oben am Straßenrand schon der blaue Toilettenwagen des Theaters, mit separatem Eingang für die Tourmitglieder. Hinter dem Theaterzelt steht dann der "Privatbereich": fünf Wohnwagen, die gemütliche Küche auf Rädern, der Wohnwagen für die Besucher, der des Technikers. 

Vier Schauspieler, elf Rollen, vier Städte

Mit dem Schauspielerpaar Loes Snijders und Fabian Schwarz sind in diesem Jahr nur "Neue" auf der Tour, die in vier Städte führt. Der junge Schauspieler Rafael Oliveira hat den Hamlet übernommen; Christina Woike wurde nach einem Casting aufgenommen und Bühnentechniker Marek Mauel wohnt ebenfalls zum ersten Mal in einem der Wohnwagen, die wie ein kleines Dorf hinter dem Zelt postiert sind. Sowie die Bühne fertig ist, geht die eigentliche Theaterarbeit los. Es heißt: proben.

Der Bühnentechniker verlässt sich noch auf Stift und Papier.

Marek Mauel, der Bühnentechniker, macht sich unablässig Notizen: Wann kommt wo welcher Einsatz für Licht, Ton und die Videoprojektionen. Die abgespeckte Hamlet-Version von Peter Kaempfe bekommt bei Comoedia Mundi ein paar Einblendungen als Möblierung der Bühne. Mal trifft sich Hamlet mit Horatio in einer schwarz-weißen Waldprojektion, mal erscheint das Geister-Gesicht von Hamlets Vater, oder es fließt unheilvoll Videoblut über die Rückwand. 

Der Regisseur Max Berger macht indes Druck. Im letzten Jahr war er der Hamlet – er kennt das Stück also gut. Inzwischen hat er sein eigenes Theater in Traunstein, doch für die Probenregie ist er nochmals da. Die komprimierte Hamlet-Fassung wird von nur vier Schauspielern in elf Rollen bestritten, da muss Zug drin sein, das Zusammenspiel muss passen, damit das Publikum sich für diesen Klassiker fangen lässt.

"Die sind so vielseitig. Ich war letztes Jahr hier, bin grundsätzlich begeistert, sie haben ein tolles Ensemble und können ganz viel. Leider wird das Theater zu wenig besucht, das ist schade. Letztes Jahr haben die für drei Leute so toll gespielt, das vergesse ich nicht. Das müsste mehr unterstützt werden."

Besucherin

Chronische finanzielle Schieflage

Damit hat die Besucherin Recht. Es bleibt nicht viel hängen, die Fördermittel belaufen sich nur auf rund 30 Prozent, bei 150.000 Euro Jahreskosten. Ein weiteres Drittel kommt über Eintrittsgelder in die Kasse. Dazu der Erlös der Gastronomie, mal eine Sonderförderung, ein Darlehen der Familie – das war's. Die chronische finanzielle und  gelegentlich moralische Schieflage wird – seit Jahrzehnten – tragbar gemacht durch Freunde. Sie bringen neue Ideen oder Texte mit, helfen bei Rechtsfragen oder der Gestaltung der Homepage. Das Netzwerk steht. Freunde – wie Stephan – stellen sich unentgeltlich hinter den Tresen und putzen Aschenbecher, Freunde fahren die Schleppmaschine mit den Wohnwagen mit 25 Stundenkilometern von Erlangen nach Frankfurt oder kommen gar aus Holland, um in der heißen Phase vor der Premiere zu kochen.

Der Tag der Premiere

Und dann ist der Moment der Premiere da. Das Zelt ist gut gefüllt. In der Rolle des aufgeregten Zeremonienmeisters veranstaltet Loes Snijder eine Art Warm Up mit dem Publikum, das gerade zum dänischen Volk erklärt wird. So nah dran, um nicht zu sagen mittendrin am dänischen Hof ist man sonst nirgends. Alle Zuschauer dürfen Fähnchen schwenken, während die Vermählten vor ihr Volk und vor Hamlet treten.

Nach der Aufführung lädt vor dem Zelt ein nostalgischer, lichterbehängter Café-Wagen ein, um noch mit den Schauspielerinnen und Schauspielern zu plaudern. Die sind nach der Premiere gelöst – und ansprechbar.

"Das Premierenpublikum war ein tolles Publikum. Man hat gemerkt, dass die Leute gerne da sind. Sie wollen die Geschichte verstehen, verfolgen, mitgehen, eigentlich von Anfang an. Sie waren locker drauf, und sind dann in den richtigen Momenten ruhig geblieben."

Rafael Oliveira (Hamlet)

Harte Arbeit und sehr viel Disziplin

Was also so romantisch wirkt, ist harte Arbeit und sehr viel Disziplin – egal ob es regnet, einer Halsschmerzen hat oder nur fünf Leute zur Vorstellung kommen. Und es ist eine Lebensform. Autorin Corinna Mielke versucht, für die "Zeit für Bayern" dem Geheimnis von Bayerns einzigem Zelttheater auf die Spur zu kommen.

Infos und Termine

Weitere Informationen und die kommenden Termine von Comoedia Mundi finden Sie hier:


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