Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Euthanasiebeginn vor 70 Jahren Blauer Strich - Leben , roter Strich - Tod

Das Euthanasieprogramm der Nazis an geistig und körperlich Behinderten kostete allein in Bayern 7.000 Menschen das Leben. Einige Tausend weitere wurden mit medizinischen Experimenten gequält oder zwangssterilisiert

Von: Maximiliane Saalfrank und Thies Marsen

Stand: 01.11.2011 | Archiv

Patienten werden während des Dritten Reichs in Tötungsanstalten transportiert | Bild: picture-alliance/dpa

"Immer gegen halb 3 Uhr am Nachmittag sind die grauen Busse in den Hof gefahren," erinnert sich Sepp Staudinger an die Deportationen behinderter Frauen aus dem Paulusstift. Der 85-jährige Neuöttinger lebt auf dem Nachbarhof des Stifts, seine Cousine arbeitet dort als Küchenschwester und so war seine Familie von Anfang an über das, was sich im Stift abspielte, informiert. Staudinger gehört zu einem kleinen Kreis von Zeitzeugen, die über die Geschehnisse der Euthanasie in Bayern berichten können und auch wollen.

Organisierter Massenmord auf Hitlers Befehl

Blick in den Gerichtssaal während des Hadamar-Prozesses am 25.02.1947 in Frankfurt am Main | Bild: picture-alliance/dpa zum Artikel Industrielle Ermordung Tötungsmaschinerie der Aktion T4

Tiergartenstraße 4 oder kurz T4 - der Tarnname steht für die Organisatoren hinter dem industriellen Morden. Im Oktober 1939 bekommen Behinderte und psychisch Kranke Post von der T4 - es sollte ihr Todesurteil werden. [mehr]

In einem, auf privatem Briefpapier verfassten und auf den 1. September 1939 datierten, Schreiben hatte Hitler den "Gnadentod" unheilbar Kranker angeordnet. Organisiert wurde der Massenmord von der, sich zynisch als "Reichsarbeits- gemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten" bezeichnenden, Euthanasiezentrale. Ihr Sitz war in der Tiergartenstrasse 4 in Berlin, daher auch die Tarnbezeichnung  "T4".

Systematische Erfassung

 Bereits im Oktober 1939 begann die systematische Erfassung Behinderter, psychisch und neurologisch Kranker mittels Meldebögen in allen Heil- und Pflegeanstalten des Deutschen Reichs. Als Grund für die melderechtliche Erfassung wurden planwirtschaftliche Überlegungen angegeben. Gleichzeitig lief die Logistik an zur Vorbereitung der Tötung von circa 70.000 Menschen - davon rund ein Zehntel aus Bayern.


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