Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Von Aus- und Einsiedlern Der Einödhof. Eine bayerische Wirtschafts- und Lebensform

Ein großer Teil der Einödhöfe ist für die Landwirtschaft unwirtschaftlich geworden. Auch die Zeit der Blumenkinder, die in den 70er Jahren dem ein oder anderen Hof neues Leben eingehaucht, haben, ist vorbei.

Von: Andreas Pehl

Stand: 29.04.2017 | Archiv

Im Landkreis Rottal-Inn, nicht weit von dem Hof entfernt, in dem Anna Wimschneider Herbstmilchsuppe gegessen hat, liegt der Einödhof, aus dem seine Familie stammt und wo Feature-Autor Andreas Pehl so etwas wie "Einöd im Selbstversuch" unternimmt: Am Waldrand ein kleines Schild mit dem Hofnamen, eine Schotterpiste führt in den Wald, dann weiter zum Hof, der auf einer kleinen Anhöhe über den umliegenden Feldern thront. Die Lage allein zeigt schon, wie nahe Ein-öd und Ad-el miteinander verwandt sind.

Einöde

Althochdeutsch einöti = einsamer Besitz, wobei der erste Teil des Wortes ein, allein bedeutet, der zweite Wortteil oti mit dem -at- in Ad-el oder Heim-at zusammenhängt. Der Adelige ist der Besitzer und die Ein-Öd ist der All-Ein-Besitz.

"Das sind in aller Regel nachgeborene Bauernsöhne, die nicht erbberechtigt sind, die dann die Standorte zweiter Wahl nehmen - sie haben die Chance, eine eigene Existenz aufzubauen. Sonst hätten sie nur Knecht auf dem Hof ihres Bruders sein können. Zweite Wahl heißt nicht wie beispielsweise beim Porzellan, mit Fehlern behaftet, sondern man hat sich nicht von Anfang an dafür entschlossen, weil man da den Berg hochklettern muss. Aber mehr Hindernisse sind es nicht."

Dr. Johann-Bernhard Haversath, Professor für Geographiedidaktik, Passau

Zeugnis von handwerklicher Geschicklichkeit und Wohlstand

Es ist still auf der Einöde. Keine Autos natürlich. Die Vögel singen laut, sind sehr präsent. Man hört den Wind an allen Ecken des Hauses rütteln aber man hört keine einzige Kirchenglocke, von nirgendwo. Die Kirchen, die Dörfer sind zu weit weg. Seit der Abschaltung des DVB-T-Signals bleibt bei Franz Wallner (Pseudonym) auch der Fernseher schwarz - eine Umstellung auf den neuen Antennen-Standard hat er nicht geplant. Ab und zu läuft jetzt in der Küche ein altes Radio - bayerische Nachrichten oder ein österreichischer Sender mit den aktuellen Charts. Ach ja, selbstverständlich gibt es aus Überzeugung auch kein Handy und keinen Internetanschluss. Das brächte zu viel Hektik ins Leben.

"Warum wird denn d’ Schildkrötn so oid? Hast de scho moi flitzn gseng oder dass de aufgregt waar oder wie de schnell duad? Ja, da lacht ma drüber! Wenn ma in der Öffentlichkeit so redet, ma is auf a Einöde, da wird ma fast belächelt - was isn oana, der auf a Einöde, der mi’m andan nix zum doa hat, so war des früher, brutaler. Aa wenn I jetzt auf a Einöde bin, bin I deswegn ned alleine oder kimm I deswegen genauso raus. Des wenn I ned daad und daad da bleim, da wurad I scho eigensinnig, eigenartig. Und so bin I in manche Sachen genauso oder gewandter wia so mancher anderer."

Franz Wallner (Pseudonym), Einödbauer

Der Nachbarhof liegt hinter dem Wald

Der Nachbarhof wird noch voll bewirtschaftet. Ein Stammbaum an der Wand geht zurück bis 1622. Da hat eine Tochter aus der Familie vom Franz drüben in den hiesigen Hof eingeheiratet. Doch alte Steuerunterlagen belegen, dass der Hof seit mindestens 1555 in Familienbesitz ist.

"Drum glaab I, wennst Du da aufgwachsen bist und mit dem mitwachst, dass Du des gar ned oschüttln kannst irgendwo. Des is für di a Verpflichtung, wia wenn I sag, I bin irgendwo in Hochadel drina, du kannst ned aus. Du kannst ned aus, du muaßt, du wachst da mit in dera Schiene, und du wachst an dera Aufgab eigentlich."

Maria Hartl (Pseudonym), Einödbäuerin

Doch längst haben sich auch andere Lebensweisen den Einödhof erobert.

Spielstätte des Jahres - Freejazz auf dem Bauernhof

"Einöde ist für mich ein bestimmter Ort ohne soziales Umfeld. Weil, sagen wir, die Kontakte zu den Nachbarn sehr spärlich sind und sich auf sehr praktische Sachen nur konzentrieren. Da gibt’s natürlich Kontakt, aber der geht jetzt nicht so weit, dass man sich gegenseitig versteht in seiner sozialen Welt."

Rudolf Huber-Wilkoff, Künstler und Einödbewohner, früher Städter

"Wir sind eben Stadtleute, die dieses landwirtschaftliche Gebäude sekundär nutzen, nämlich die Großzügigkeit, die eben waren: Kühe und Heu, das machen jetzt Menschen und Musik. Dort wo das Heu war, ist jetzt Musik, und wo die Kühe waren, leben jetzt Menschen."

Emmerich Hörmann, Musiker und Einödbewohner, früher Städter

Hinter dem nächsten Wald nutzt ein Zimmerer die großzügigen Flächen, um Wohn- und Arbeitsstätte unter einem Dach zu haben und nach den Kommunen der Hippiezeit entsteht in manch altem Gemäuer vielleicht bald eine Senioren-WG - sogar Ideen zur Einrichtung eines Demenzhofes gibt es bereits: Der Einödhof hat Zukunft.


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